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Wasserstoff-Strategie: Sollte Deutschland besser auf Methanol setzen?

Lesezeit: 5 min
11.06.2024 07:37  Aktualisiert: 13.12.2024 11:30
Deutschland sollte bei seiner Wasserstoff-Strategie auf Methanol statt Wasserstoffgas setzen – meint der bekannte Wissenschaftsjournalist Jean Pütz. Welche Gründe er nennt und inwiefern seine Gedankengänge zu kurz greifen, erläutern wir im folgenden Artikel.
Wasserstoff-Strategie: Sollte Deutschland besser auf Methanol setzen?
Flaschen mit grünem Methanol stehen im Chemiepark des Frauenhofer-Projekts "Leuna100" - ein berühmter Wissenschaftsjournalist fordert einen veränderten Fokus in Deutschlands Wasserstoff-Strategie. (Foto: dpa)
Foto: Hendrik Schmidt

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Anfang Februar gab es Neuigkeiten zu Habecks Wasserstoff-Strategie. Im Rahmen einer Pressemitteilung des Wirtschaftsministeriums zur Kraftwerks-Strategie war die Rede von einer kurzfristigen Ausschreibung für neue Kapazitäten von Wasserstoff-Kraftwerke im Umfang von bis zu vier Mal 2,5 Gigawatt als „H2-ready-Gaskraftwerke“ und einem Umstiegszeitraum zwischen 2035 und 2040.

Abgesehen davon, dass zwischen den Wasserstoff-Zielen der Bundesregierung und der wirtschaftlichen Realität eine klaffende Lücke herrscht und kein klarer (Finanzierungs-)Fahrplan zu existieren scheint, gibt es noch etwas ganz fundemantales zu kritisieren. Das meint zumindest der bekannte Wissenschaftsjournalist Jean Pütz. Der studierte Ingenieur wurde für seine Wissenschaftssendungen beim Westdeutschen Rundfunk (WDR) bekannt, die er von 1970 bis 2001 verantwortete.

Wasserstoff als Energieträger ungeeignet

Wasserstoff sei im gasförmigen Zustand völlig ungeeignet als Energieträger, erklärt Jean Pütz. Zu gefährlich aufgrund der drohenden Knallgas-Reaktion mit Sauerstoff, zu flüchtig (es entweicht leicht aus Rohren und Behältern) und zu schwierig zu transportieren, lauten seine wesentlichen Kritikpunkte. Die Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung hält er dennoch für richtig, allerdings nur, wenn man hierbei auch Methanol berücksichtigt.

Methanol ist eine Alkohol-Verbindung. Die farblose Flüssigkeit entsteht durch eine Reaktion von Wasserstoff mit Kohlendioxid. Methanol wird vor allem als Vorprodukt für eine breite Palette von chemischen Erzeugnissen verwendet, kann jedoch auch als Kraftstoff eingesetzt werden.

Pütz appelliert an die Politik: „Die Regierung sollte klarstellen, dass alle ihre Aussagen über Wasserstoff als Alternative zu fossilen Energieträgern nur zutreffen, wenn man auf das Derivat Methanol statt Wasserstoffgas setzt.“ In seinem neuen Buch „Wohlstand und Wirtschaftswachstum ohne Reue: Klimarettung Ja – Deindustrialisierung Nein“ (ISBN 978-3-98674-094-8) erklärt der Wissenschaftler genau, warum eine „Wasserstoffstrategie“ aus technisch-wissenschaftlicher Sicht unsinnig ist und es besser wäre, die angestrebte Transformation eine „Methanolstrategie“ zu nennen. Er spricht von den „drei großen Irrtümern der Wasserstoffwirtschaft“.

Die drei Irrtümer einer Wasserstoffwirtschaft: Explosionsgefahr, hoher Druck, teure Kühlung

Wasserstoffmoleküle seien so winzig und das Gas daher derart flüchtig, dass es durch kleinste Löcher oder Ritzen und insbesondere an nicht vermeidbaren Dichtungen entweichen könne. Die ständig drohende Knallgas-Reaktion mit Sauerstoff aus der Luft ist eine große Gefahr. Das bedeute, dass man sämtliche Gasleitungen neu abdichten oder gleich gänzlich erneuern müsste, bevor sie überhaupt zum Transport von Wasserstoff geeignet wären – ein äußerst teures Unterfangen. Dieser Gefahrenherd bestehe auch beim Verkehrs-Transport in verflüssigter Form oder als Hochdruckgas.

In seinem Buch erläutert Pütz, warum der Wasserstoff-Transport in verflüssigter Form kein cleveres Konzept ist: Zur Verflüssigung sei Wasserstoff auf mindestens minus 252 Grad Celsius abzukühlen, also etwa 20 Grad über dem absoluten Nullpunkt von 273,15 Grad Celsius. Dies wäre mit einem sehr hohen Energieeinsatz verbunden, wobei zwischen 30 und 40 Prozent der nutzbaren Energie verloren gehe. Zudem müsse der flüssige Wasserstoff auch dauerhaft gekühlt bleiben, damit er nicht „verkocht“ wie Wasser, das seinen Siedepunkt erreicht. Zur Veranschaulichung: Während Wasser bei plus 100 Grad Celsius verdampft, wird flüssiger Wasserstoff bei minus 252 Grad Celsius gasförmig – das sind über 350 Grad Unterschied.

Falls es etwa auf einem Transportschiff mit speziellen Thermobehältern zu einem Versagen der Kühlung käme, würde die Wasserstoffflüssigkeit anfangen zu kochen und folglich in den Behältern ein enorm hoher Druck entstehen. Dies hätte zur Folge, dass diese Tankschiffe allein aus Sicherheitsgründen derart aufwändig konstruiert werden müssten, dass sie etwa doppelt so teuer sind wie die Schiffe für den Transport von flüssigem Erdgas (LNG). Dasselbe gelte für Tanklaster auf der Straße, Eisenbahnwaggons sowie Installationen etwa an Tankstellen.

Alternativ lasse sich Wasserstoff zwar unter hohem Druck (mindestens 700 bar) speichern und transportieren. Der für das Komprimieren notwendige Energieaufwand liege bei fünf bis 15 Prozent des gesamten im Wasserstoff-Atom gespeicherten Energie, was deutlich effizienter als bei der Verflüssungs-Technik ist. Aber das Sicherheitsrisiko sei aufgrund des hohen Drucks noch extremer. Entsprechend hoch und teuer sind die Sicherheitsanforderungen des Wasserstoff-Transports als Hochdruckgas. Das Tanken sei bei einem derart hohen Druck ebenfalls kompliziert. Auch aus diesem Grund habe das Wasserstoffauto keine guten Zukunftsaussichten. Die hohen notwendigen Sicherheitsstandards und Energieverluste bei den verschiedenen Umwandlungsschritten treiben das Preisniveau zu stark nach oben.

Jean Pütz: Besser auf Methanol setzen

Demgegenüber betont Jean Pütz die Vorteile von Methanol. Das Gemisch ist bei Normaltemperatur flüssig und ließe sich daher über alle gängigen und heute schon verfügbaren Transportwege befördern - ohne den Aufwand und die Risiken, die bei Wasserstoff auftreten. Zudem habe Methanol eine etwa um den Faktor vier höhere Energiedichte als Wasserstoff. Demnach könnte in einem Tank mit flüssigem Methanol rund 22-mal mehr Energie gespeichert und transportiert werden im Vergleich zu flüssigem Wasserstoff bei minus 252 Grad Celsius.

„Alle bestehenden Pipelines, Tankschiffe, Eisenbahnwaggons und Lastwagen, die heute für Erdöl verwendet werden, lassen sich ohne weiteres für den Methanoltransport nutzen“, resümiert der Wissenschaftsjournalist. Erst kürzlich hatte Pütz sein Konzept einer weltweiten Methanolwirtschaft im Münchener Presseclub vorgestellt; zu der Pressekonferenz hatte die Technisch-Literarische Gesellschaft eingeladen, eine Journalistenvereinigung für technisch-wissenschaftliche Publizistik.

„Es ist gut, dass die Bundesregierung bei ihrer Nationalen Wasserstoffstrategie Methanol einbezieht, aber es wäre besser, wenn sie sich darauf konzentrieren und eine Methanolstrategie verfolgen würde“, sagt Jean Pütz. Das neben Methanol zweite im Regierungsplan genannte Wasserstoffderivat Ammoniak stuft er als „unbrauchbar, weil zu gefährlich“ ein. Ammoniak ist ätzend, kann bei Einatmen, Verschlucken oder Hautkontakt zu schweren Gesundheitsschäden führen, verbreitet einen starken und unangenehmen Geruch, kann sogar unter bestimmten Bedingungen explosiv sein und ist bei versehentlicher Freisetzung toxisch für die Umwelt.

Methanol kann nicht alle Probleme lösen

Die Gedankengänge von Pütz sind nachvollziehbar, greifen allerdings zu kurz. Die angesprochenen Energieverluste bei der Verflüssigung oder Kompromierung von Wasserstoffgas sind nämlich kein isoliertes Phänomen, sondern in der gesamten Kette vorhanden.

Um Wasserstoff energetisch nutzbar zu machen, muss er zunächst unter hohem Energieaufwand vom Sauerstoff getrennt werden, denn in größeren Mengen existiert Wasserstoff auf der Erde nur als Molekül-Bestandteil von Wasser. Die Elektrolyse ist das Verfahren, welches Wasser unter Einsatz von Strom in Wasserstoff und Sauerstoff aufspaltet. In der Brennstoffzelle wird dann die Knallgasreaktion von Wasser- und Sauerstoff genutzt, um Strom zu erzeugen. Wasserstoff als Wärmequelle muss genauso aufwendig gewonnen werden. Die wirtschaftlicheren Alternativen, das „Verkoken“ von Steinkohle und die „Dampfreformierung“ von Erdgas, liefern keinen grünen Wasserstoff, weil im Prozess Kohlendioxid freigesetzt wird.

Für grünen Wasserstoff muss man also erst sehr viel Strom (Energie) einsetzen, um Strom (Energie) zu bekommen. Der Energieverlust alleine durch die Elektrolyse beträgt circa 40 bis 50 Prozent. Durch die notwendige Wasseraufbereitung, Reibungsverluste sowie die auch von Pütz angeführten Energieverluste durch Transport und Lagerung des Wasserstoffs summieren sich die Energieverluste auf mindestens 80 Prozent – also ein Wirkungsgrad von unter 20 Prozent.

Diese Probleme kann auch Methanol nicht beseitigen, zumal bei der Umwandlung von Wasserstoff in Methanol ebenfalls eine Menge Energie verloren geht, sodass der Gesamt-Wirkungsgrad der Elektrolyse-Kette auf mickrige 10 Prozent schrumpft. „E-Fuels“ wie Methanol, die anstelle von Wasserstoff in Brennstoffzellen verwendet werden können, speichern das absorbierte Kohlendioxid auch nicht dauerhaft, sondern setzen es beim Verbrennungsprozess in der Brennstoffzelle wieder frei, sind also lediglich CO2-neutral und nicht CO2-negativ.

Die von Jean Pütz favorisierte Methanol-Strategie würde vermutlich nur für billigen importierten Wasserstoff funktionieren, weil dann zumindest die teure Elektrolyse in Deutschland und Teile des Aufbereitungsprozesses obsolet werden würden. Aktuell ist der Wasserstoff-Import aber alles andere als billig, sondern – wie eine Analyse des Frauenhofer-Instituts ergab – auch unter günstigen Bedingungen erheblich kostenintensiver als Erdgas.

Die Produktion von Methanol aus Wasserstoff und Kohlendioxid könnte indes durchaus noch effizienter werden. Ein entsprechendes Pilotprojekt namens „Leuna 100“, an dem das Frauenhofer-Institut beteiligt ist, hat es sich zum Ziel gesetzt, einen innovativen und leicht skalierbaren Produktionsprozess für eMethanol zu entwickeln.

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Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.


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