Politik

Parlaments-Neuwahlen in Frankreich: Macrons riskantes Spiel

Nach der Niederlage bei der Europawahl zieht Macron drastische Konsequenzen. Mit einer Parlamentsneuwahl will er seine Mehrheit ausbauen und die Rechtsnationalen bremsen. Es ist ein riskantes Unterfangen.
10.06.2024 16:23
Lesezeit: 3 min
Parlaments-Neuwahlen in Frankreich: Macrons riskantes Spiel
Der französische Präsident Emmanuel Macron nimmt an einer Gedenkfeier in Tulle teil (Foto: dpa), Foto: Caroline Blumberg

Rechtsnationale Gewinne und Macrons Reaktion

Nach dem deutlichen Erfolg der Rechtsnationalen bei der Europawahl in Frankreich will Präsident Emmanuel Macron den weiteren Vormarsch der Truppe um Marine Le Pen mit einem gewagten Schritt aufhalten. In wenigen Wochen sollen die Französinnen und Franzosen die Nationalversammlung neu wählen. Macron, dessen Position nicht direkt zur Abstimmung steht, hofft auf eine größere Mehrheit seines Mitte-Lagers für die verbleibenden drei Jahre seiner Amtszeit. "Wir treten an, um zu gewinnen", hieß es aus Macrons Umfeld. Doch wie will er das erreichen?

Während Macron international oft als Vorreiter agiert, kämpft sein Lager seit knapp zwei Jahren im nationalen Parlament um Mehrheiten. Ohne absolute Mehrheit mussten sie viele Vorhaben mühsam durchsetzen, oft mit harter Hand und Umgehung von Abstimmungen. Ein drohendes Misstrauensvotum schwebte bereits über der Regierung. Die Niederlage bei der Europawahl, bei der Macrons Verbündete nicht einmal die Hälfte der Stimmen des rechtsnationalen Rassemblement National (RN) erhielten, setzte ihn weiter unter Druck. Nun setzt er auf Parlamentsneuwahlen als Ausweg.

Mehrheit ausbauen, aber mit wem?

Macron strebt nach Klarheit und will seine relative Mehrheit ausbauen. Doch mit wem? Dies ist unklar. Der Chef der Präsidentenpartei Renaissance, Stéphane Séjourné, hat bereits Kontakt zu Abgeordneten aus dem republikanischen Feld aufgenommen. Berichten zufolge soll das für Abgeordnete aller Parteien mit Ausnahme von RN und der Linkspartei La France insoumise gelten.

Die Républicains erteilten einer Kooperation mit Macron eine Absage. Grüne und Sozialisten kritisierten die Entscheidung des Präsidenten, die Parlamentskammer aufzulösen. Macron könnte jedoch davon profitieren, dass das linke Lager von seinem Schritt überrascht wurde und sich erst sortieren muss.

Sollte Macron bei den Rechtsnationalen auf einen Überraschungseffekt gehofft haben, hat er sich getäuscht. Die Partei RN hat bereits Pläne für vorgezogene Parlamentsneuwahlen und Kandidatenlisten vorbereitet. Le Pen zeigte sich selbstsicher und bereit, die Macht zu übernehmen.

Angst vor einer Implosion

In Frankreich herrscht die Sorge, dass Macrons Plan nach hinten losgehen könnte. RN, das Le Pen durch ihren "Entteufelungskurs" bis in die bürgerliche Mitte hinein wählbar gemacht hat, erzielte bei der Europawahl in über 90 Prozent der Gemeinden die meisten Stimmen. Sollten die Rechtsnationalen die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung erreichen, müsste Macron einen von ihnen zum Regierungschef ernennen.

Ob dieses Szenario eintritt, ist ungewiss. Bei der Parlamentswahl 2022 erreichte das Macron-Lager 245 Sitze, RN nur 89. Sollte RN die Mehrheit holen, wäre das bemerkenswert. Eine Umfrage vom Dezember, mitten im Streit um das Immigrationsgesetz, deutete auf einen erheblichen Stimmenzuwachs für RN hin - möglicherweise bis zur Mehrheit. Auch wenn unklar ist, was kommt, zeigt die Geschichte, dass Macrons Spiel riskant ist. Der damalige konservative Präsident Jacques Chirac büßte 1997 nach einer Parlamentsauflösung die absolute Mehrheit ein, und die Sozialisten gewannen die Oberhand.

Folgen für Deutschland und Europa

Sollte Macrons Plan scheitern, hätte das fatale Folgen für Deutschland und Europa. Macron würde an Macht verlieren und könnte seinen außenpolitischen Kurs nicht mehr so leicht durchsetzen. Ein Kompromisskurs zwischen Macron und Euroskeptiker Jordan Bardella, RN-Chef, der auf mehr Abstand zu Deutschland setzt, wäre schwer vorstellbar. Innenpolitisch könnte Frankreich in eine chaotische Situation abrutschen, was es international als verlässlichen Partner schwächen würde.

Gelingt es Macron hingegen, stabilere Mehrheitsverhältnisse zu schaffen, könnten auch die internationalen Partner profitieren. Fest steht jedoch, dass Macron und Außenminister Séjourné, der den Wahlkampf organisiert, international kürzertreten werden. Beim G7-Gipfel in Italien müssen die Partner mit einem Macron im Wahlkampfmodus rechnen.

Frankreich und die Präsidentschaftswahl 2027

Macron und sein Lager betonen rund um die Parlamentsneuwahlen, dass der Präsident kein persönliches Interesse an der nächsten Präsidentschaftswahl 2027 habe. Doch so einfach ist das nicht. Zwar wird Macron nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten können, doch will er verhindern, den Weg für eine rechtsnationale Präsidentin zu ebnen. Wäre sein Erbe, Le Pen zur Nachfolge verholfen zu haben, wäre Macrons Kurs gescheitert.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Panorama
Panorama Rabattschlacht: Warum Fake-Shops am Black Friday besonders riskant sind – und wie Sie sie erkennen
27.11.2025

Der Black Friday lockt mit Rekordrabatten – doch zwischen echten Deals verstecken sich zunehmend Fake-Shops. Professionell gestaltet und...

DWN
Immobilien
Immobilien EH-55-Förderung kehrt zurück: Was Bauherren ab Dezember beachten müssen
27.11.2025

Ab Mitte Dezember fließt wieder Geld für Neubauten im EH-55-Standard. Die KfW öffnet ein bekanntes Förderfenster – doch nur unter...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neue EU-Regeln: Mehr Bargeld im Supermarkt und besserer Schutz vor Online-Betrug
27.11.2025

Die Europäische Union stellt Zahlungsdienste auf den Prüfstand: Neue EU-Regeln sollen Kunden besser schützen und den Alltag erleichtern....

DWN
Finanzen
Finanzen Wacker Chemie-Aktie steigt: Anlager honorieren Stellenabbau und Sparanstrengungen des Spezialchemiekonzerns
27.11.2025

Wacker Chemie zieht angesichts der anhaltenden Branchenflaute die Reißleine und legt ein Sparpaket auf. Mehr als 1.500 Jobs stehen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Verdi und DGB warnen vor AfD-Kurs der Familienunternehmer
27.11.2025

Der Streit um den AfD-Kurs spitzt sich zu. Nun warnen Verdi und der DGB vor einem Rechtsdrift. Unternehmer verweisen auf die historische...

DWN
Finanzen
Finanzen Puma-Aktie hebt ab: Gerüchte treiben Aktienkurs des Sportartikelherstellers nach oben
27.11.2025

Neue Bloomberg-Gerüchte haben die Puma-Aktie am Donnerstag kräftig bewegt, während der Konzern tief in der Krise steckt. Mehrere...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft GfK-Konsumklima: Droht ein schwacher Weihnachtskonsum?
27.11.2025

Viele Händler blicken vor den Feiertagen skeptisch nach vorn. Aktuelle Umfragen zur Kauflaune liefern ein zwiespältiges Bild. Zwischen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bankenriesen in den USA gefährdet: Cyberangriff auf SitusAMC legt Schwachstellen offen
27.11.2025

Ein gezielter Cyberangriff auf einen zentralen US-Dienstleister zeigt, wie verwundbar selbst die stabilsten Finanzstrukturen sein können....