Die Politik will grünen Strom. Doch Verwaltungs- und Genehmigungsverfahren, nicht ausreichende Stromkapazitäten oder fehlende Ladestationen für E-Autos torpedieren die Umsetzung. Der Bundesrechnungshof sieht inzwischen eine „Gefährdung der Stromversorgung“. Auch reichen Photovoltaik und Windenergieanlagen für eine gesicherte Versorgung nicht aus. Wie viel Umstellung verträgt die deutsche Wirtschaft? Und wie kann die Energiewende auch hierzulande gelingen?
Energie-Expertin: Betriebe tun sich schwer mit Energiewende
Unternehmen wird es hierzulande bei der Umsetzung der Energiewende nicht einfach gemacht. Trotzdem planen viele Betriebe, die entsprechenden Maßnahmen im eigenen Unternehmen umzusetzen. Doch die neuen Energieformen sind aufwändig, teuer und auch ungewiss. Dabei besteht die größte Herausforderung darin, die Energieversorgung auf elektrischen Strom als primären Energieträger umzustellen. Auch die Nutzung von Windenergie bedeutet einen hohen bürokratischen Aufwand. Das führt dazu, dass am Ende die vielen Auflagen doch eine große Anzahl an Unternehmen von der Umstellung abhalten.
Viele Hersteller leiten die Energiewende im eigenen Betrieb ein, anstatt die Produktion ins Ausland zu verlagern. Das verursacht allerdings wesentlich höhere Kosten, ist aufwändig und ungewiss. „Die Politik will die Wirtschaft motivieren, weite Teile der Produktion auf Strom umzustellen, doch die mittleren und unteren Verwaltungsebenen tun alles, um dies zu torpedieren“, erklärt Jane Enny van Lambalgen, Geschäftsführerin der Beratungs- und Managementfirma Planet Industrial Excellence, die unter anderem Energieumstellungen in der Wirtschaft vornimmt, in einer Pressemitteilung. Es fehlen darüber hinaus auch die notwendigen Stromkapazitäten.
Zu viel Bürokratie für die Energiewende
Als sogenannte Interim Managerin geht Jane Enny van Lambalgen als Führungskraft auf Zeit für mehrere Monate in Betriebe, um unter anderem die Energiewende von innen heraus zu bewältigen. Sie gibt ein Beispiel: „Eine Lagerhalle mit einem Solardach zu versehen ist zwar technisch keine große Sache, aber bürokratisch in der Regel eine langwierige Angelegenheit.“ Die Bürokratie beginnt schon bei den Baugenehmigungen, geht über die Absprachen mit den Netzbetreibern, sowie die Gewerbeanmeldung für den Fall, dass der überschüssige Strom verkauft werden soll und endet beim Brandschutz. Unter Umständen können sich die Baugenehmigungen über einen Zeitraum von mehreren Monaten hinziehen. Wer für die Energiewende auf Windenergie setzt, muss ebenfalls einen hohen bürokratischen Aufwand in Kauf nehmen. Auch hier müssen Baugenehmigungen und andere Genehmigungen eingeholt werden. Darüber hinaus gibt es kaum Orte, wo Windräder aufgestellt werden können.
Doch das ist nicht alles: zur Erfüllung der Energiewende gibt es weitere Hürden. Der sogenannte Industriestrompreis ist nur eine Krücke, von der nur einige hundert Unternehmen einen Profit schlagen können. Keiner kann sagen, wie lange diese Strompreiskompensation aufrechterhalten werden kann.
In den öffentlichen Kassen herrscht Knappheit und ab dem Jahr 2026 gilt der Vorbehalt der Gegenfinanzierung. Die deutsche Energiepolitik ist für Fertigungsbetriebe so unzuverlässig wie eine Wettervorhersage für die nächste Woche.
Energiewende – Hohe Hürden auch bei der Kraft-Wärme-Kopplung
Viele Unternehmen wollen durch eine Kraft-Wärme-Kopplung unabhängig vom Energieversorger werden. Die Abwärme, die sonst immer verloren geht, soll sinnvoll im Betrieb verwendet werden. Das würde die Energiekosten senken, die Umweltbelastung reduzieren und eine hohe Sicherheit bei der Versorgung bieten. Doch unzählige Prüfungen und Gutachten lassen viele Unternehmen zögern.
Es gibt jedoch einen Lichtblick bei der Energiewende. Die Dämmung von Gebäuden ist einfach und schnell bewerkstelligt. Strom- und Heizungskosten können so auch gesenkt werden. Aber auch hier steht die Brandschutz-Bürokratie oftmals im Wege.
Jane Enny van Lambalgen Resümee: „Tatsächlich kommen viel Unternehmen nach Begutachtung aller Alternativen zu dem Schluss, dass die Produktionsverlagerung ins Ausland einfacher, kostengünstiger und langfristig zuverlässiger ist als die Energiewende in Deutschland zu versuchen.“
Bundesrechnungshof: Deutsche Energiewende ist nicht auf Kurs
Der Bundesrechnungshof hatte im März den Energiewendeplan der Bundesregierung ausgewertet. Der Bericht zur „Umsetzung der Energiewende im Hinblick auf die Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit der Stromversorgung“, warnte vor erheblichen Risiken für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Die bisherigen Maßnahmen seien „ungenügend und bergen deshalb gravierende Risiken für die energiepolitischen Ziele“, sagte Rechnungshofpräsident Kay Scheller.
Energiewende gefährdet Sicherheit der Stromversorgung
Die Bundesregierung hinke, so urteilt der Bericht, den Zielen beim Ausbau der Erneuerbaren Energien hinterher. Die Versorgungssicherheit sei gefährdet, der Strompreis werde nach oben getrieben und welche Auswirkungen die Energiewende auf Landschaft, Natur und Umwelt habe, könne die Bundesregierung keineswegs umfassend bewerten. Außerdem seien die Vorhaben des Wirtschaftsministeriums und der Bundesnetzagentur für die Jahre 2025 bis 2031 „wirklichkeitsfremd“ und das Ergebnis ein „unwahrscheinlicher Best Case“, so der Bundesrechnungshof.
Photovoltaik und Windenergieanlagen reichen nicht aus
Sich bei der Stromversorgung überwiegend auf Erneuerbare Energien zu verlassen, ist laut Bundesrechnungshof nur machbar, wenn es ein ausreichend gesichertes und steuerbares System gebe. Photovoltaik und Windenergieanlagen könnten „keine bzw. nur geringe gesicherte Leistung bereitstellen, da sie tages- und jahreszeitlichen sowie wetterabhängigen Schwankungen unterliegen.“ Auch Stromspeicher könnten längere Schwankungen der Erzeugung und Last, nicht ausreichend ausgleichen. Angesichts des vollzogenen Ausstiegs aus der Kernenergie und des angestrebten vorgezogenen Kohleausstiegs erfordere die Versorgungssicherheit daher den Zubau neuer gesicherter, steuerbarer Leistung.
Fazit: Solange die Bundesregierung den Netzausbau nicht ausreichend vorantreibt und auch sicherstellt, dass Strom bezahlbar bleibt, ist die Energiewende für viele deutsche Unternehmen ein wirtschaftliches Risiko. Zudem behindern Bürokratie und die ständig wechselnden Regularien die Umsetzung der Energiewende eher, anstatt sie zu fördern. Die Umstellung auf Solar- und Windenergie bleibt nach wie vor einer der größten Herausforderung für die deutsche Industrie.