Politik

Expertenkommission-Bericht zur Energiewende: Erfolge und Herausforderungen im Fokus

Lesezeit: 5 min
03.07.2024 10:02
Der Bericht zur Energiewende der Expertenkommission zeigt Fortschritte auf, erwähnt jedoch auch die Herausforderungen im Verkehrs- und Gebäudesektor und unterstreicht die wichtige Rolle von Wasserstoff. Was bedeutet das für die Industrie?

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Eine unabhängige Expertenkommission hat ihren Bericht zum Stand der Energiewende an Philipp Nimmermann, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), übergeben. Das teilte das Ministerium am vergangenen Mittwoch in Berlin mit. Der Bericht zeigt, dass die Energiewende Fortschritte macht, betont aber auch bestehende Herausforderungen.

Der Bericht hebt die wichtige Rolle von Wasserstoff als zukünftigen Energieträger hervor. Ein europäisches Netz und eine starke Importstrategie sind notwendig. „Mit dem Aufbau eines Wasserstoff-Transportnetzes in Deutschland haben wir die Weichen gestellt. Das schafft Planungssicherheit für Investitionen und bildet die Grundlage für einen erfolgreichen Wasserstoff-Hochlauf,“ heißt es.

„Der Monitoring-Bericht der Expertenkommission liefert einen faktenbasierten Überblick über den Fortschritt der Energiewende“, erklärte Nimmermann. Die Kommission bestätigt die neue Dynamik beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Er fügte hinzu: „Im vergangenen Jahr 2023 konnte erstmals über die Hälfte des Bruttostromverbrauchs in Deutschland aus erneuerbaren Energiequellen gedeckt werden.“ Nimmermann betonte weiter: „Dieser Trend setzt sich fort: Mittlerweile ist der Anteil im Laufe dieses Jahres deutlich über 50 Prozent gestiegen.“

Herausforderungen in Verkehrs- und Gebäudesektor

Der Bericht zeigt aber auch, dass es noch wichtige Baustellen gibt: Besonders im Verkehrs- und Gebäudesektor gibt es Probleme. Diese Sektoren hinken hinterher und sind bisher nicht auf dem nötigen Minderungspfad zur Treibhausgasneutralität. Im Verkehrssektor bleibt der Übergang zu emissionsarmen Technologien eine Herausforderung. „Beispielsweise befinden sich der Verkehrs- und Gebäudesektor noch nicht auf dem nötigen Minderungspfad zur Treibhausgasneutralität.“

Im Verkehrssektor sind die hohen CO₂-Emissionen und der langsame Fortschritt bei der Einführung von Elektrofahrzeugen problematisch. Der Umstieg auf erneuerbare Energien und effiziente Antriebstechnologien muss beschleunigt werden, um die Klimaziele zu erreichen. Zudem besteht Bedarf an einer verbesserten Infrastruktur für Elektromobilität sowie an verstärkten Investitionen in öffentliche Verkehrsmittel und nachhaltige Mobilitätslösungen. „Der Verkehrssektor muss dringend Maßnahmen ergreifen, um die Emissionen zu senken und die Klimaziele zu erreichen“, betonte Veronika Grimm, Mitglied der Expertenkommission.

Schwierigkeiten im Gebäudesektor

Im Gebäudesektor stellt die energetische Sanierung bestehender Gebäude eine erhebliche Herausforderung dar. Viele Gebäude in Deutschland sind alt und entsprechen nicht den modernen energetischen Standards. Die Expertenkommission betont die Notwendigkeit, die Sanierungsrate deutlich zu erhöhen und gleichzeitig innovative und effiziente Technologien zu fördern. Der Einsatz erneuerbarer Energien für Heizung und Kühlung sowie die Verbesserung der Energieeffizienz durch Dämmung und intelligente Gebäudetechnik sind zentrale Maßnahmen. „Die energetische Sanierung muss beschleunigt werden, um die Energieeffizienz im Gebäudesektor signifikant zu verbessern“, sagte Andreas Löschel, Vorsitzender der Kommission.

„Wir dürfen beim Tempo der Energiewende nicht nachlassen und müssen den Ausbau einer klimaneutralen Energieversorgung weiter gezielt vorantreiben“, sagte Nimmermann. Die Expertenkommission fordert daher eine konsequente Umsetzung der bereits geplanten Maßnahmen sowie die Einführung zusätzlicher Förderprogramme, um die Energiewende in diesen Schlüsselbereichen zu beschleunigen.

Herausforderungen in der Industrie

Die Industrie steht ebenfalls vor erheblichen Herausforderungen bei der Umsetzung der Energiewende. Der Übergang zu klimaneutralen Produktionsprozessen ist komplex und erfordert erhebliche Investitionen. Besonders energieintensive Industrien müssen ihre CO2-Emissionen drastisch reduzieren, um die Klimaziele zu erreichen. „Die Dekarbonisierung der Industrie ist entscheidend für den Erfolg der Energiewende“, erklärte Felix Matthes, Mitglied der Expertenkommission. Der Einsatz von grüner Energie und die Entwicklung innovativer Technologien sind hierfür unerlässlich.

Die Expertenkommission hebt hervor, dass die Industriepolitik stärker auf die Förderung nachhaltiger Produktionsmethoden ausgerichtet werden muss. Dabei spielen staatliche Unterstützung und internationale Kooperationen eine wichtige Rolle, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zu sichern. „Es ist notwendig, dass wir die industrielle Transformation aktiv gestalten und unterstützen“, so Matthes weiter. Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen sind entscheidend, um den Wandel erfolgreich zu bewältigen.

Rolle des Wasserstoffs in der Energiewende

Der Bericht hebt die wichtige Rolle von Wasserstoff hervor, der als zentraler Baustein der Energiewende betrachtet wird. „Wasserstoff wird eine Schlüsselrolle in der zukünftigen Energieversorgung spielen und ermöglicht eine CO₂-freie Energieversorgung in verschiedenen Sektoren“, betonte die Kommission. Ein umfassendes europäisches Wasserstoffnetzwerk und eine starke Importstrategie sind dabei von entscheidender Bedeutung. „Der Aufbau eines europäischen Wasserstoffnetzwerks ist essenziell, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten“, erklärte Anke Weidlich, Mitglied der Expertenkommission.

Staatssekretär Nimmermann betonte: „Mit dem Aufbau eines Wasserstoff-Transportnetzes in Deutschland haben wir die Weichen gestellt. Das schafft Planungssicherheit für Investitionen und bildet die Grundlage für einen erfolgreichen Wasserstoff-Hochlauf.“

Bedeutung der erneuerbaren Energien

Im Bereich der erneuerbaren Energien zeigt der Bericht positive Entwicklungen. Im Jahr 2023 konnte erstmals über die Hälfte des Bruttostromverbrauchs in Deutschland aus erneuerbaren Energiequellen gedeckt werden. Dieser Trend setzt sich auch im laufenden Jahr fort, wobei der Anteil mittlerweile deutlich über 50 Prozent gestiegen ist.

„Die Dynamik beim Ausbau der erneuerbaren Energien ist unverkennbar und wird von der Kommission ausdrücklich bestätigt“, so Nimmermann. „Wir müssen sicherstellen, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien weiterhin mit hoher Priorität verfolgt wird“, ergänzte Felix Matthes, Mitglied der Expertenkommission.

Aktuell starten der Bund und mehrere Bundesländer, laut Angaben des BMWK, ein Programm zur finanziellen Unterstützung beim Bau von Konvertern und Konverterplattformen. Diese Geräte wandeln Strom um und ermöglichen so den effizienten Transport über große Entfernungen an Land und auf See. Das Programm soll die Umsetzung der Energiewende voranbringen. „Damit wird ein wichtiger Beitrag zur Umsetzung der Energiewende in Deutschland geleistet“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck im Zusammenhang mit diesem Sonderbürgschaftsprogramm.

Zukunftsaussichten und Empfehlungen

Der Bericht enthält auch konkrete Empfehlungen für zukünftige Maßnahmen, um die Energiewende weiter voranzutreiben. Dazu gehören der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien, insbesondere der Wind- und Solarenergie sowie Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz in verschiedenen Sektoren.

Die Expertenkommission betont, dass der Erfolg der Energiewende von einem konsequenten und koordinierten Vorgehen aller Beteiligten abhängt. „Nur durch gemeinsame Anstrengungen können wir die Energiewende erfolgreich gestalten und die Klimaziele erreichen“, so die Kommission.

Der Bericht soll als Grundlage für weitere Maßnahmen und Diskussionen zur Energiewende dienen. Die Expertenkommission leistet damit einen wichtigen Beitrag zur fundierten und transparenten Diskussion über die Zukunft der Energieversorgung in Deutschland.

Energiewende und Kritik an der Art ihrer Umsetzung

In den vergangenen Monaten wurden die Maßnahmen der Bundesregierung zur Energiewende aufgrund der mangelnden Sicherheit und Zuverlässigkeit der Stromversorgung sowie der Unbezahlbarkeit kritisiert. Hohe Strompreise belasten Verbraucher und Unternehmen, was zu Forderungen nach einer Senkung von Steuern und Abgaben auf Strom geführt hat. Auch der langsame Fortschritt beim Ausbau der Netzinfrastruktur und der Reservekraftwerke steht in der Kritik. Die Opposition fordert eine breitere Palette an Energietechnologien, einschließlich der Berücksichtigung von Kernenergie.

„Das Gelingen der Energiewende ist von herausragender Bedeutung für Deutschland. In der Umsetzung hinkt es diesen Zielen aber deutlich hinterher“, teilte neulich Kay Scheller, Präsident des Bundesrechnungshofs, mit. „Ein Scheitern hätte gravierende Folgen, denn der Erfolg der Energiewende ist zentral für ihre Akzeptanz in der Bevölkerung, den Wirtschaftsstandort Deutschland und das Erreichen der Klimaschutzziele.“

Energiewende und Misstrauen der Bevölkerung

Derzeit erfährt Klimaschutz zunehmend Ablehnung bei der deutschen Bevölkerung. Bei einer repräsentativen Umfrage gaben 36,3 Prozent der Befragten an, dass es nicht notwendig sei, weiter CO₂-Emissionen einzusparen. Der Bundesverband energieeffiziente Gebäudehülle e. V. (BuVEG) hat die Bevölkerung befragt, in welchen Wirtschaftssektoren bisher zu wenig CO₂-Emissionen eingespart wurden, um die Klimaziele zu erreichen.

„Die Angst vor Veränderungen und dem Verlust von Wohlstand sind größer als das Interesse am Klimaschutz“, sagt Jan Peter Hinrichs, Geschäftsführer des BuVEG. „Die Sanierungsquote im Gebäudebestand ist auf 0,7 Prozent gesunken; benötigt werden mindestens 2 Prozent, um die Klimaziele zu erreichen.“ Dass nur 17 Prozent der Befragten meinen, man müsse bei den Gebäuden noch CO₂-Emissionen einsparen, sei erschütternd, da der Gebäudesektor kürzlich zum dritten Mal in Folge seine Klimaziele nicht erreicht hat.

Diese Ergebnisse zeigen, dass die Energiewende zwar Fortschritte macht, aber noch immer mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert ist. Die Bundesregierung muss nicht nur die Infrastruktur ausbauen und die Finanzierung sichern, sondern auch das Vertrauen der Bevölkerung in die Energiewende stärken. Durch gezielte Maßnahmen und eine transparente Kommunikation können die Klimaziele erreicht und die Akzeptanz der Bevölkerung gewonnen werden. Ein ganzheitlicher Ansatz, der soziale, wirtschaftliche und ökologische Aspekte berücksichtigt, ist entscheidend für den langfristigen Erfolg der Energiewende in Deutschland.

Zum Autor:

Farhad Salmanian arbeitet bei den DWN als Online-Redakteur. Er widmet sich den Ressorts Politik und Wirtschaft Deutschlands sowie der EU. Er war bereits unter anderem für die Sender BBC und Radio Free Europe tätig und bringt mehrsprachige Rundfunkexpertise sowie vertiefte Kenntnisse in Analyse, Medienbeobachtung und Recherche mit.


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