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Seeminen zum Schutz der Ostsee - der Russischen Flotte Grenzen aufzeigen

Jahrelang waren die Werften ein Sorgenkind der deutschen Wirtschaft. Seit Putins Angriff auf die Ukraine wird aufgerüstet. Die traditionsreiche Warnowwerft an der Ostsee ist zum Marine-Arsenal aufgewertet worden. Es geht um die Ertüchtigung der Bundesmarine, deren Inspekteur unterdessen eine Verstärkung der russischen Flotte beobachtet. Nun sollen brandneue Seeminen vor zunehmenden Provokationen an den Seegrenzen schützen.
10.07.2024 18:29
Lesezeit: 5 min
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Seeminen zum Schutz der Ostsee - der Russischen Flotte Grenzen aufzeigen
Den Blick auf die Ostsee gerichtet: der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, auf Stippvisite im Marine-Arsenal Warnowwerft (Foto: dpa). Foto: Jens Büttner

Grenzverletzungen und Provokationen der russischen Streitkräfte stehen an der Ostsee bereits seit Jahren auf der Tagesordnung. Immer wieder müssen die Alarm-Rotten der Nato zum sogenannten Air-Policing in den Luftraum, weil russische Maschinen wieder mal kurzfristig in den Luftraum eines Mitgliedsstaates wie Estland eindringen. In jüngster Zeit haben nun auch derlei Aktivitäten auf See zugenommen: Grenzsteine wurden eigenmächtig verschoben, Manöver hart an der Zwölf-Meilen-Grenze zu Dänemark und Schweden ausgeübt, das Stören der Navigationsinstrumente ist Alltag.

Marine-Inspekteur warnt vor Fehleinschätzungen über Russlands Flotte

Die Bundesmarine ist besorgt über die verstärkten Aktivitäten der russischen Flotte. Der Inspekteur, Vize-Admiral Jan Christian Kaack, warnte jetzt eindringlich vor Fehleinschätzungen, dass die Russen durch die ukrainischen Angriffe und Erfolge im Schwarzen Meer geschwächt seien. In der Ostsee befürchtet Kaack ganz im Gegenteil sogar ein Erstarken der russischen Kräfte. „Es ist ein Trugschluss, dass die russischen Streitkräfte im maritimen Bereich hier oben geschwächt aus dem ukrainischen Krieg rausgehen“, bekannte der Marine-Inspekteur beim Besuch des Marine-Arsenals in Warnemünde. Die Konstruktionsraten an Schiffen sowie die Ausstattung mit hochpotenten Waffen ist Kaack zufolge beunruhigend. Die Russen seien der Marine „in vielen Bereichen überlegen“. Entsprechend froh ist er, dass zu den frühzeitigen Entscheidungen der Bundesregierung die Ertüchtigung der krisengeschüttelten Warnowwerft frühzeitig weit oben auf der Prioritätenliste stand.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ist sich der fragilen Sicherheitslage im Norden sehr wohl bewusst. Zusammen mit fünf weiteren Nato-Ländern, die an das stürmische Binnenmeer zwischen Skandinavien und Baltikum angrenzen, plant er jetzt sogar die Anschaffung von neuartigen Seeminen – also Sprengladungen gegen gegnerische Militärschiffe und U-Boote.

Arbeitsteilung der Anrainer-Staaten – als Nato-Partner und im Ostsee-Rat

Wie und wo sie zum Einsatz kommen, verriet Pistorius zwar nicht. Bei einem Treffen mit seinen Nato-Kollegen sagte er immerhin jetzt vieldeutig: „Beschaffung ist Abschreckung!“ Neben Deutschland sind Dänemark, Norwegen, Finnland, Polen und Schweden mit von der Partie – besondere Nutznießer sind die dauerhaft von Russland bedrohten baltischen Staaten, Estland, Litauen und Lettland. Eine entsprechende Absichtserklärung zum gemeinsamen Erwerb wurde gestern beim Nato-Gipfel in Washington unterzeichnet.

Anfang Juni hatte bereits der Ostsee-Rat Sanktionen zum Schutz der gemeinsamen Baltic Sea beschlossen. „Seit jeher spiegelt sich in der Ostsee auch die Geopolitik, aber in diesen Zeiten auf eine ganz besonders dramatische Art und Weise“, hatte Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen beim Treffen in Wismar zu Protokoll gegeben. Auf allen Ebenen werden die Schotten dichtgemacht. Die Zeiten der Entspannung in den Weltmeeren gehören der Vergangenheit an. Weltweit übernehmen Partner-Länder der Nato und Alliierte wie Australien und Neuseeland ihre Aufgaben, die russische Flottenpräsenz auf den Weltmeeren zurückzudrängen.

Bei den Minen handelt es sich nun erstmals um eine große gemeinsame Bestellung, die den intensiven Austausch und die Kommunikation in der Ostsee verdeutlicht. Es dreht sich bei der Anschaffung offenkundig um ein finnisches Seeminen-System namens „Blocker“ – das bereits in Finnland und Estland im Einsatz ist. „Sie sind ein sehr wirksamer Weg, um einen Aggressor auf See abzuschrecken, und sie sind eine extrem wichtige Fähigkeit im Angesicht russischer Aggression“, so Pistorius in einer Erklärung. Hersteller ist die Firma Forcit Defence aus Finnland. Die Grundmine wiegt 600 Kilogramm und ist mit dem Kunststoff-gebundenen Sprengstoffs Foxit und einer Booster-Ladung befüllt. „Dadurch wird eine hohe Schock- und Blasenenergie erzeugt“, sagt André Forkert vom Defence Network des CPM-Verlages.

Blocker-Minen sind programmierbar und dadurch gezielt als Sprengladung einsetzbar

Die Vorteile der finnischen Mine beschreibt Forkert so: „Sie benötigt minimale bzw. gar keine Wartung während des Lebenszyklus. Der Lebenszyklus im Lager wird mit 25 Jahren angegeben, die Einsatzzeit am Grund mit zwei Jahren. Danach schaltet sich der Zünder ab, die Mine bleibt am Grund bzw. wird durch Minenräumung zerstört. Eine Rückholung ist nicht vorgesehen. Sie kann in Wassertiefen von 100 bis 200 Metern eingesetzt werden.“ Programmiert sind sie präzise auf gegnerische Schiffe ausgerichtet und somit keine Gefahr für die zivile Schifffahrt. „Die Mine wird über Bord geworfen, füllt sich langsam mit Wasser und sinkt dabei ab. Auf dem Weg in die Tiefe aktiviert sie sich automatisch. Am Grund angekommen, versetzt die Mine ihre Sensorik in eine Art Schlafmodus, um Energie zu sparen. Der Magnet- oder Akustiksensor kann sie jederzeit erwecken. Optional ist neben den drei angesprochenen Sensoren noch ein optischer Sensor im Angebot, dieser dient zur Entdeckung und Abwehr von Minentauchern bzw. Kampfschwimmern.“

„Sie sind ein sehr wirksamer Weg, um einen Aggressor auf See abzuschrecken, und sie sind eine extrem wichtige Fähigkeit im Angesicht russischer Aggression“, betonte Verteidigungsminister Pistorius bei dem Treffen. Vize-Admiral Kaack verweist wiederum darauf, dass Deutschland derzeit in Rostock ein neues Unterwasser-Lagezentrum aufbaut. Anfang Oktober soll es bereits in Betrieb gehen. Es tut sich was im hohen Norden, selbst Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) scheint die Zeichen der Zeit erkannt zu haben. Statt wie bei Nordstream 2 auf russische Stiftungsgelder zu spekulieren, glänzt ihr nördliches Bundesland jetzt als Nato-Standort – so auch in Sanitz, wo sich einer der wichtigsten Standorte der Luftverteidigung mit dem Raketensystem Patriot befindet.

Carsten Schneider, der Ostbeauftragte der Bundesregierung, hat jetzt bei einem Besuch der einst zu DDR-Zeiten errichteten Warnowwerft die Erweiterung der Anlagen in Warnemünde, einem Stadtteil Rostocks, angekündigt. Der Leiter des dortigen Marine-Arsenals, Rainer Sacher, erläuterte, was das in der Praxis heißt: „Das bedeutet zum Beispiel für uns, dass wir die Dock-Kapazitäten des Marine-Arsenals massiv ausbauen müssen.“ Auch Sacher betonte bei der Stippvisite Schneiders das von der Regierung ausgegebene Ziel der Resilienz bei Wartung und Reparatur sämtlicher Militärschiffe.

Noch nicht lange ist es her, dass der von weitem sichtbare blaue Bockkran der Werft, seit jeher als Wahrzeichen des Ortes, mal wieder neu gestrichen werden musste – „MARINEARSENAL WARNOWWERFT“ heißt es hoch oben in weißen Großbuchstaben. 1948 sind die Docks als VEB Warnowwerft in der sowjetischen Besatzungszone errichtet worden. Seit der Deutschen Einheit wechselten mehrfach die Eigentümer und der Namenszug am Kran – „Aker Warnow Werft“, „Nordic Ship Yards“ und zuletzt „MV Werften“.

Nun scheint die ewige Sorge um die Zukunft des Wirtschaftsstandorts überwunden zu sein – die Werft wird statt Kreuzfahrtschiffen und Neubau-Projekten in Zukunft der Marine als Reparaturbetrieb dienen. Die inzwischen wieder rund 500 Schiffbauer, Schlosser und Ingenieure haben endlich eine aussichtsreiche neue Perspektive an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns erlangt. Auch britische Schiffe sind bereits die Werft zur Reparatur angelaufen. Bis zu 40 Prozent aller Schiffe der Bundesmarine sollen künftig im Marine-Arsenal abgearbeitet werden.

Mit einem tumben Knall an der Ostsee-Pipeline wurde das Land aus seiner Verschlafenheit gerissen

Die strategische Lage für die deutsche Sicherheitspolitik ist evident. Erst recht, wenn man bedenkt, dass nicht weit von hier, die Sprengung der Ostsee-Pipelines die Verschlafenheit der alten Bundesrepublik mit einem Knall beendete. In Kiel, Wilhelmshaven und Rostock unterhält das für das Marine-Arsenal zuständige Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) inzwischen drei Werften. Wobei mittelständische Firmen in der Region eingebunden werden sollen. Sämtliche Instandsetzungen werden von der Warnowwerft als Generalunternehmer ausgeschrieben, heißt es.

Vize-Admiral Kaack hat die Erfahrung gemacht, dass die Zuständigkeit des Marine-Arsenals durchaus Zeit und Geld sparen hilft. Er berichtete von einem Boot seiner Flotte, an dem eine private Werft umsatzfördernd 500 Meter Rohrleitungen austauschen wollte, während die Fachleute der Warnowwerft schnell erkannten, dass überhaupt nur 50 Zentimeter defekt waren und einige Ventile ausgetauscht werden mussten. Für Minister Pistorius eine der bislang wenigen „Erfolgsgeschichten“ bei der erhofften Ertüchtigung der Bundeswehr.

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Peter Schubert

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.

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