Politik

Wahlen in Österreich: Hohe Hürden vor dem Kanzleramt für die FPÖ

Die Umfragen signalisieren zur Wahl in Österreich seit langem einen Sieger: die rechte FPÖ. Ob FPÖ-Chef Herbert Kickl aber wirklich Chancen aufs Kanzleramt hat, ist fraglich.
15.08.2024 18:45
Lesezeit: 3 min

Rund sechs Wochen vor der Nationalratswahl in Österreich scheinen alle Zeichen auf einen Triumph der rechten FPÖ hinzudeuten. In Umfragen liegen die Rechtspopulisten seit Monaten mit rund 27 Prozent stabil auf Platz eins – etwa vier bis fünf Prozentpunkte vor der konservativen ÖVP und der sozialdemokratischen SPÖ. Doch damit ist noch lange nicht gewiss, dass der als Scharfmacher verschriene FPÖ-Chef Herbert Kickl neuer Kanzler der Alpenrepublik wird. Die ÖVP als wohl einziger möglicher Koalitionspartner hat eine Zusammenarbeit mit Kickl – aber nicht mit der FPÖ als solcher – ausgeschlossen. Am 29. September sind rund 6,4 Millionen Bürger aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen.

Eine spannende Rolle kommt Staatsoberhaupt Alexander Van der Bellen zu. Der 80-jährige ehemalige Grünen-Chef hat mehrfach betont, dass er nicht unbedingt den Wahlsieger mit der Regierungsbildung beauftragen muss. „Der Bundespräsident ist völlig frei, jemanden mit der Regierungsbildung zu beauftragen“, sagt der Verfassungsrechtler der Universität Innsbruck, Peter Bußjäger. Eine Begründung zur Verhinderung einer FPÖ-geführten Regierung könne sein, dass das Staatsoberhaupt auf einem dezidiert EU-freundlichen Kabinett bestehe, sagt Bußjäger. Die FPÖ ist ausgesprochen EU-kritisch.

Staatsoberhaupt hat entscheidenden Einfluss auf Regierungsbildung

Die 1929 novellierte und 1945 mit breitem Parteienkonsens bestätigte Bundesverfassung macht das österreichische Staatsoberhaupt mächtiger als zum Beispiel den deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Van der Bellen könne auch eine Koalition oder einzelne Minister ablehnen, so Bußjäger. Wichtig sei, dass er seine Schritte gut begründe und nicht so wirke, als handle er aus persönlicher Antipathie. Am Ende des Tages zähle, dass eine Regierung – und sei es ein Bündnis aus sogar drei Parteien – über eine stabile Mehrheit im Nationalrat verfüge. «Würde eine Regierung sofort wieder vom Parlament gestürzt, dann hätten wir eine Staatskrise», sagt Bußjäger.

Österreich hat viel Erfahrung mit großer Koalition

Die aktuelle Koalition aus ÖVP und Grünen wollte zum Start unter dem damaligen Kanzler Sebastian Kurz «Das Beste aus zwei Welten» vereinen. Das hat nach Meinung vieler Beteiligter nur sehr bedingt geklappt. Trotz einiger Erfolge dieses auf Bundesebene erstmaligen Bündnisses haben sich die Partner entfremdet. Österreich hat dagegen viel Erfahrungen mit einer großen Koalition aus ÖVP und SPÖ. Sie wird auch diesmal wieder als mögliche Regierungs-Zweckehe hoch gehandelt.

Nehammer mit guten Chancen

Angesichts der Ausgangslage mit einem möglichen Sieger, mit dem keiner koalieren will, rückt der amtierende Regierungs- und ÖVP-Chef Karl Nehammer, der wieder antritt, auf eine aussichtsreiche Position. „Nehammer hat die besten Chancen“, sagt der Politik-Experte und Meinungsforscher, Christoph Haselmayer. Die EU-Wahl im Juni, bei der die ÖVP unerwartet knapp hinter der FPÖ lag, habe einen Ruck in der konservativen Partei ausgelöst. Seitdem redet die ÖVP von einem Kopf-an-Kopf-Rennen. Speziell im ländlichen Raum, wo die ÖVP ganz viele Bürgermeister stellt, werde die Partei sehr gut mobilisieren können, sagt Haselmayer. Die SPÖ wiederum sei unter ihrem neuen Vorsitzenden Andreas Babler weit nach links gerückt, was ihr beim Kampf um die Wähler der Mitte wohl schaden werde.

Grüne und Liberale dürfen auf zweistelliges Ergebnis hoffen

Die derzeit mitregierenden Grünen waren wegen einer Debatte um ihre Kandidatin Lena Schilling zur EU-Wahl in einem Stimmungstief. Das hat sich deutlich geändert. „Das ist alles wie weggeblasen“, sagt der Demoskop Wolfgang Bachmayer vom Institut OGM. Der Grund: Die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler hat gegen den massiven Widerstand der ÖVP auf EU-Ebene für Österreich «Ja» zum Renaturierungsgesetz gesagt. Ein Alleingang, den die ÖVP als Vertrauensbruch wertet, aber der in der grünen Klientel laut Bachmayer bestens ankommt. Die liberalen Neos wiederum liegen laut Umfragen bei zehn Prozent – was sie im Fall des Falles zum interessanten Partner in einer Dreier-Koalition machen könnte.

Abschneiden der Kleinparteien wichtig

Ob für eine Mehrheit zwei oder gar drei Parteien nötig sind, hängt wesentlich vom Abschneiden der Kleinparteien ab. Die Bierpartei - eine Anti-Establishment-Bewegung unter dem 37-jährigen Dominik Wlazny - wird laut Umfragen ziemlich sicher die Vier-Prozent-Hürde überspringen. Die kommunistische KPÖ ist an der Hürde so nah dran wie nie. Kommen beide Parteien ins Parlament, werden die Stimmen wohl auf sieben Parteien aufgeteilt. Dann dürfte laut Demoskopen für eine Mehrheit eine Dreier-Koalition nötig sein. Das wollen die großen Parteien verhindern – und sie haben ein geografisch naheliegendes Argument: "Die deutsche Ampel gilt als extremes Negativ-Beispiel für ein Dreier-Bündnis", so Haselmayer.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Mit einem Fondsdepot mehr aus dem eigenen Geld machen

Wer vor zehn Jahren 50.000 Euro in den Weltaktienindex investiert hat, kann sich heute über mehr als 250.000 Euro freuen! Mit der...

DWN
Politik
Politik Wahlsieger Merz: Trotz Wermutstropfen Rambo-Zambo
23.02.2025

Der CDU-Chef bringt den Vorsprung aus den Umfragen ins Ziel: Die Union gewinnt die Bundestagswahl. Doch ein wichtiges selbstgestecktes Ziel...

DWN
Politik
Politik Historisches Debakel für die SPD: Scholz' Tage sind gezählt
23.02.2025

Trotz Widerstands innerhalb seiner Partei wollte er es noch einmal versuchen – und ist kläglich gescheitert. Die kürzeste Amtszeit...

DWN
Politik
Politik Erwartungen verfehlt: FDP erleidet mit Lindner herbe Wahlniederlage
23.02.2025

Die FDP bleibt unter den eigenen Erwartungen und hat sich von der Krise in der Ampel-Koalition nicht erholt. Parteichef Lindner und seine...

DWN
Politik
Politik Bundestagswahl: Union gewinnt vor AfD, Fiasko für die SPD - droht erneut eine Dreierkoalition?
23.02.2025

CDU und CSU gehen als klare Sieger aus der Bundestagswahl hervor – für die SPD ist es das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Die...

DWN
Politik
Politik Merz triumphiert, Scholz geschwächt: Die Konsequenzen der Wahl
23.02.2025

Deutschland hat entschieden, und es gibt einen klaren Gewinner. Dennoch dürfte die Regierungsbildung herausfordernd werden, da die Zeit...

DWN
Politik
Politik Wie es nach der Bundestagswahl weitergeht
23.02.2025

Nach der Bundestagswahl beginnt die nächste Phase: die Regierungsbildung. Dabei sind zahlreiche Schritte erforderlich, die sich über...

DWN
Politik
Politik Wahlrecht 2025: Kleinerer Bundestag, größere Auswirkungen – Das ändert sich für Wähler und Parteien
23.02.2025

Am Wahltag selbst werden die meisten Wählerinnen und Wähler keinen Unterschied bemerken. Doch hinter den Kulissen verändert sich...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Schweizer Infrastrukturexperte: "Deutschland war lange der Wirtschaftsmotor Europas – das muss wieder so sein"
23.02.2025

Deutschland kämpft mit maroden Brücken, Straßen, Schienen, Strom- und Kommunikationsnetzen. Der Schweizer Infrastrukturexperte Alexander...