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Mietpreisbremse: Wie Conny Mieter-Ansprüche juristisch gegen Eigentümer durchsetzt

Lesezeit: 6 min
22.08.2024 13:05
Was einst schon einmal dem Start-up Flightright GmbH bei Flugreisen geglückt ist, nämlich für Verbraucher bei Airlines Entschädigungen einzuklagen und rechtlich durchzusetzen, das versucht der Online-Service Conny immer öfter auf das Gebiet Mietpreisbremse zu übertragen. Wie erfolgreich, ist fraglich. Das Risiko ist gering, aber nicht ohne. Das Mietrecht ist strikt – was in beiderlei Richtungen gilt.
Mietpreisbremse: Wie Conny Mieter-Ansprüche juristisch gegen Eigentümer durchsetzt
Mieterhöhung angekündigt. Erhöhung von 15 Prozent! Ist das schon legitim oder verhindert das die Mietpreisbremse (Foto: dpa).
Foto: Jens Kalaene

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Stan Torres* hatte sich bereits ausgemalt, was er sich mit den in Aussicht gestellten über 300 Euro mehr im Monat so alles Schönes leisten können, statt weiter jeden Monat teuer Miete zu zahlen für sein Hamburger Dachgeschoss. In der U-Bahn erfuhr er von einem Freund von der Internet-Plattform „Conny“, früher hieß sie noch wenigermiete.de, und wie diese sich Robin-Hood-artig gegen gierige Vermieter einsetzt. Sie übernimmt dabei auch das Prozessrisiko - wenn (den internen Berechnungen zufolge) die geforderte Miete zu hoch erscheint und vor allem gegen die vom Gesetzgeber ganz bewusst eingeführte Mietpreisbremse im Lande verstößt.

Das Apartment hatte Stan Torres über ein gängiges Immobilienportal gefunden. Dass es schon länger inseriert war, hätte ihn stutzig machen können. Doch Torres, der aus den USA nach Deutschland gezogen ist, um hier als Berater zu arbeiten, war vom stolzen Preis von 2100 Euro für seine 80 Quadratmeter zunächst gar nicht schockiert. Bis der Amerikaner mitbekam, dass die Wohnungen selbst in den deutschen Großstädten der Höhe nach nicht mit Los Angeles oder New York vergleichbar sind. Es gibt in Deutschland Grenzen!

Der überbordenden Gier kann juristisch Einhalt geboten werden

Ein Freund machte ihn mit dem Mietpreisspiegel in Hamburg vertraut, wo man im Internet präzise die Adresse eingeben kann und der Mittelwert pro Quadratmeter ermittelt werden kann. In seinem Fall gelten selbst in der zulässigen Schwankungsbreite für Altbauten in gehobener Ausstattung maximal 15 Euro/Quadratmater als angemessen. Darüber hinaus, das ist immer noch herrschende Meinung, könne der Gier auf dem Rechtswege Einhalt geboten werden.

„Miete senken mittels Mietpreisbremse. Mit uns können Mieter rund 304 Euro pro Monat sparen“, so wirbt das sogenannte Legal-Tech im Internet um Kundschaft. Eine Kamilla aus Berlin lächelt und wird mit den Worten zitiert, dass sie ihre „Miete tatsächlich halbieren konnte“. Auf der Homepage bietet „Conny“ nach Einsendung präziser Falldaten eine kostenlose Ersteinschätzung an. Angeblich berechnet ein Algorithmus, ob ein Streitfall Aussicht auf Erfolg hat – und wie hoch der Anspruch ausfallen könnte. Mit einer juristischen Vollmacht und auf Grundlage es Mietvertrages kann es dann auch schon mal bis vor das Landgericht gehen. Das Mietrecht gilt immerhin ja als mieterfreundlich - auch Richter sind oft Mieter.

Um das Ergebnis im Fall Torres vorweg zu nehmen: Dass die Miete zu hoch war, hat sich bestätigt. Die erfolgreiche Intervention (mittels zunächst gütlicher Einigung) war im Endeffekt aber ein Pyrrhussieg. Seit Sommer 2018 gilt auch im Hamburger Stadtgebiet bei Wiedervermietung eine Mietpreisbremse. Der Senat hat die Landesverordnung bis 30. Juni 2025 befristet. Die Miete wurde in der Konsequenz gekürzt. Doch der Eigentümer hat das Mietverhältnis mit Torres bei erster Gelegenheit gekündigt, weil das „Vertrauensverhältnis erschüttert“ war. Er fand Mittel und Wege, sich von dem Mieter zu trennen.

Wer im Internet nach derlei Erfahrungsberichten recherchiert, erfährt, dass es davon einige Fälle gibt, die - unter dem Strich - zu einem her unschönen Verhältnis zwischen Mieter und Vermietern geführt haben. Doch die mehr als angespannte Situation am Wohnungsmarkt (und die zunehmende Mund-zu-Mund-Propaganda über das „Conny“-Versprechen) führt inzwischen zu immer weiteren Miet-Streitereien.

Die Conny GmbH scheint seit ihren Anfangstagen (damals als Lexfox GmbH) fest im Sattel zu sitzen. Ging es früher vor allem um völlig automatisierte Mietpreis-Rügen, ganz so, wie im Handelsrecht Abmahnungen verschickt werden, scheut die Firma es heute nicht mehr, Anwälte in die Spur zu schicken. Da gibt es bei der Carte Blanche dann allerdings Grenzen. Im Klagefall müssen Mieter sich dann (wie im Falle von Rechtsschutzversicherungen auch) an den Kosten für Rechtsanwalt und Gericht beteiligen.

Wenn der Eigentümer seinen Joker mit der Eigenbedarfsklage einsetzt

Der Immobilienmarkt ist längst eine Art Kriegsgebiet geworden. Vor allem in Deutschlands Großstädten stehen Vermieter allmählich unter Generalverdacht, möchte man meinen. Die großen Immobilienkonzerne sollen am liebsten gleich entmachtet werden, wie es Bürgerinitiativen wie „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ fordern. Die kleinen Einzelvermieter (von aus Anlagernden gekauften Eigentumswohnungen) indessen gelten als gierig, wenn sie nur regelmäßig den Mietzins anpassen und damit dazu beitragen, dass die Mietspiegel in einem Automatismus die Preise immer weiter hochschrauben.

Die Grünen in Berlin haben jüngst sogar populistisch einen „Führerschein für Vermieter“ geführt. Sie träumen offenkundig von den guten alten Zeiten, als unsere Eltern und Großeltern auch mal mehrere Jahre lang vergessen haben, die Mietskaserne aus dem Familienerbe in die neue Zeit zu überführen. In West-Berlin gibt es zum Beispiel noch zigtausende alte Verträge mit Bruttomieten von nur 3,50 Euro, die dem Mietspiegel deshalb vermutlich auf ewig uneinholbar hinterherlaufen. Für manchen Neueigentümer freilich funktioniert die erworbene Immobilie eher wie ein Sparplan, die Mieterhöhungen werden - den Kalender stets im Blick - konsequent nach allen vom Gesetzgeber erlaubten Sätzen regelmäßig angepasst.

Das Problem ist: Wer derzeit eine Wohnung sucht, ist zumeist froh, wenn er tatsächlich fündig wird - selbst wenn der Mietpreis verdächtig weit über den in den jeweiligen Städten und Regionen geltenden Mietspiegeln liegen sollte. Trotzdem wird der Vertrag paraphiert - und eingezogen. Im Nachhinein sich vom Vormieter dessen Altvertrag zeigen lassen und den Preis zu vergleichen? Wer macht das. Wer kommt überhaupt in diese Lage? Die Mietervereine fordern deshalb bereits seit Jahren mehr Transparenz ein.

Lässt sich wirklich jeder Mietvertrag online per Algorithmus analysieren?

Die über den Verband Haus & Grund vertretenen Eigentümer lehnen es natürlich ab, sich tief ins Portemonnaie schauen zu lassen Sie fordern gar die Abkehr vom Kriterium Mietspiegel. Schließlich werden diese, wie jüngst in der deutschen Hauptstadt, immer mal wieder von Gerichten für ungültig erklärt und gekippt. Das Gros der Mieter kann deshalb überhaupt nur schwerlich beurteilen, wann Mietanpassungen wirklich an Preiswucher grenzen und sittenwidrig sind. Oft differieren Ausstattungskriterien und Lage ganz deutlich voneinander. Kaum wer blickt durch.

„Conny“ indessen verspricht selbstbewusst, derlei Probleme computergesteuert per Algorithmus klären zu können. Skepsis ist vermutlich angebracht. Das Geschäftsmodell wird freilich von Deutschlands Mietervereinen als grundsätzlich seriös eingeschätzt.

Normalerweise waren Mietpreis-Änderungen im Bestand bundesweit auf 15 Prozent alle drei Jahre limitiert. So war es jahrelang geübte Praxis, bis der Zuzug zu einer Wohnungsmangellage führten und die Preise sukzessive in die Höhe getrieben haben.

Seither ist die Mietpreisbremse sanktioniert und von der Ampel politisch gewollt. Sie soll Spitzen am Wohnungsmarkt regulieren und glätten - die Gerichte haben mitgespielt. Im Frühjahr 2024 erst hat die Bundesregierung sich auf die im Koalitionsvertrag vereinbarte Verlängerung der Mietpreisbremse „bis 2029“ verständigt. Was das genau heißt, ist allerdings immer noch umstritten. Justizminister Marco Buschmann (FDP) interpretiert das als „Ende 2028“, SPD und Grüne meinten hingegen eher „Ende 2029“.

Die Mietpreisbremse wurde erstmals im Juni 2015 eingeführt. Seitdem können auf Landesebene Städte und Gebiete frei festlegen, wo der Mietzins bei neu ausgehandelten Verträgen auf zehn Prozent über der Vergleichsmiete im Ort gedeckelt wird. Ausnahmen gelten jetzt nur noch bei Neubau, der Sanierung oder für den Fall, dass der Vormieter mehr gezahlt hatte.

Ampel im Streit darüber, ob und wann die Mietpreisbremse wieder ausläuft

Das „Gesetz zur Verlängerung und Verbesserung der Regelungen über die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn“ gilt wiederum seit dem April 2020. In Mietverhältnissen, die seither geschlossen wurden, können Mieter überzahlte Miete bei Verstoß gegen die Mietpreisbremse sogar rückwirkend einfordern. Zudem erhielten Städte und Gemeinden (wie im Fall Hamburg) per Gesetzesänderung bis Ende 2025 das Recht, Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten zu definieren, in denen ihre Mietpreisbremsen gelten.

Glaubt man Bundesbauministerin Klara Geywitz von der SPD soll das Spielchen mit dem Bremsklötzen munter weitergehen, solange die Ampel regiert. Sie hofft offenbar auf weitere fünf Jahre. Haus & Grund wähnen sich deshalb bereits wieder in Karlsruhe, die langfristigen Eingriffe in den freien Markt zu kassieren.

Für „Conny“ wirkt das bis dahin erst einem weiter als Konjunkturprogramm. Denn selbst die Stiftung Warentest ist überraschend positiv gestimmt und unterstreicht: „Das Angebot von Conny ermöglicht tatsächlich eine Mietpreisbremsung ohne nennenswertes Prozesskostenrisiko.“ Auf ihren Verbraucher-Seiten unter Test.de benennen sie als Beispiel ein Urteil des Landgerichts Berlin (Az. 65 S69/20). Es ging dabei um eine Wohnung in Berlin-Neukölln, wo der Vermieter gezwungen wurde, die Miete um monatlich stolze 782,11 Euro zu kürzen - 54 Prozent.

Angeblich schon in 10.000 Fällen tätig geworden, Wachstumsrate mit Faktor drei

Der Bundesgerichtshof hat das Pro-Bono-Vorgehen für tatsächlich zulässig erklärt und den Inksso-Dienste den Markt bereitet. „Conny“ verdient prächtig an den Rücküberweisungen der Vermieter. Angeblich ist die Plattform in 10.000 Fällen tätig gewesen. Die Wachstumsrate sei allein in den Jahren 2023/24 bereits um den Faktor drei gewachsen, so heißt es.

Auf Mietrecht und Immobilienstreitigkeiten spezialisierte Rechtsanwälte verweisen darauf, dass „Conny“ sich in seinen Streitfällen allein auf das Einhalten der Mietpreisbremse kapriziert, aber nicht weitergehend die Mandaten berät oder vertritt.Zumeist stehen die Rechtsvertreter beiden Seiten ohne deren Mandaten vor Gericht und lassen sich auf Anraten des Gerichts auf einen Vergleich ein. Wenn der Eigentümer als Revanche jedoch plötzlich eine Eigenbedarfs-Kündigung verschickt, sind die Mieter womöglich gelackmeiert. Dann müssen sie sich wiederum einen anderen Fachanwalt suchen. Wenn sie mitgedacht haben, wurde vorausschauend noch auf die Schnelle eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen. Verfahren bis zum bitteren Ende vor dem Zivilgericht durchzufechten kann den einen oder anderen nachdenklich machen über das Miteinander in den tiefen Gräben zwischen Mieter und Vermietern.

*Name von der Redaktion geändert.

 

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Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.



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