Am Ende steht Kamala Harris strahlend in einem Meer aus roten, weißen und blauen Ballons. Die Demokratin ist umringt von ihrer Familie auf der Bühne. Konfetti regnet herab, Musik dröhnt aus den Lautsprechern, Tausende Delegierte jubeln. Es ist das Ende von vier Tagen Parteitag in Chicago, gefüllt mit Show, Stars und Künstlern, Liebeserklärungen und großen Emotionen, um die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten zu feiern. Dabei wird sie als Kämpferin für das Gute, Beschützerin der Schwachen und Retterin Amerikas inszeniert.
Trotz des großen Spektakels und der perfekt choreografierten Freude der Demokraten darf man nicht vergessen, dass es für Harris schwer wird, sich im US-Wahlkampf gegen den republikanischen Herausforderer Donald Trump durchzusetzen. Die frühere First Lady, Michelle Obama, warnte in Chicago, die Partei dürfe sich nicht in falscher Siegesgewissheit wiegen: "Egal, wie gut wir uns heute Abend oder morgen oder übermorgen fühlen, es wird ein harter Kampf werden."
Die größten Hindernisse für Harris
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Die 59-Jährige ist seit über drei Jahren als Vizepräsidentin Teil der Regierung von Joe Biden und mitverantwortlich für viele aktuelle politische Probleme. „Es gibt tatsächlich ungelöste Herausforderungen, wie etwa die unkontrollierte Immigration“, sagt der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Michael Link. Ausgerechnet für Migration – konkret: für die Bekämpfung von Fluchtursachen – war Harris in den letzten Jahren zuständig, und dieses Thema spielt im US-Wahlkampf eine zentrale Rolle, bei dem Trump seine Konkurrentin unter Druck setzt.
Bei anderen entscheidenden Themen wie Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Inflation ist die Lage zwar nicht schlecht, aber die Stimmung im Land spiegelt das nicht wider. Auch dies ist ein großes Problem für Harris. Sie müsse nun "Wege finden, bei den Themen Sicherheit, Migration und Lebenshaltungskosten mit glaubwürdigen Vorschlägen zu überzeugen", meint Link. Harris hat jedoch ein starkes Thema im US-Wahlkampf gefunden: den Kampf um das Recht auf Abtreibung, den sie als Frau deutlich besser vertreten kann als Biden es je konnte.
Ihre Performance
Als Staatsanwältin und Senatorin trat Harris souverän und sicher auf. In der Rolle als Vizepräsidentin konnte sie jedoch nie wirklich Fuß fassen. Sie war in den letzten Jahren auf dem – zugegeben schwierigen – Posten wenig sichtbar, konnte inhaltlich nicht punkten, machte Fehler und wirkte oft unsicher. Noch vor wenigen Wochen galt sie als Belastung für Biden in seinem US-Wahlkampf und kämpfte wie er mit schlechten Beliebtheitswerten.
Seitdem die Demokraten Harris zur Spitzenkandidatin gekürt haben, stiegen ihre Beliebtheitswerte rapide. In Umfragen liegt sie nun knapp vor Trump – ein großer Erfolg. Allerdings bewegte sich Harris in den letzten Wochen, seitdem Biden aus dem Rennen ausgeschieden ist und sie zur Spitzenkandidatin wurde, ausschließlich in einem sicheren Umfeld mit perfekt inszenierten Auftritten. Keine Interviews, keine Pressekonferenzen, keine Besuche an politisch heiklen Orten, kein Risiko.
Die Parteitagsshow war der vorläufige Höhepunkt dieser Inszenierung. In den kommenden Wochen muss Harris jedoch beweisen, dass sie auch in unkontrollierten Situationen bestehen kann, die nicht komplett vom Wahlkampfteam gesteuert werden.
Die "Swing States" als Schlüssel
In den meisten der 50 US-Bundesstaaten ist das Rennen um das Präsidentenamt vor dem Wahltag schon entschieden, da die Wähler dort verlässlich entweder die Republikaner oder die Demokraten unterstützen. Einige Staaten sind jedoch hart umkämpft. In diesen "Swing States" werden extrem knappe Ergebnisse erwartet: in Pennsylvania, Wisconsin, Michigan, North Carolina, Georgia, Arizona und Nevada.
Harris und Trump konzentrieren ihren US-Wahlkampf fast ausschließlich auf diese Staaten. In diesen wenigen Bundesstaaten wird am Ende eine sehr kleine Zahl von Stimmen den Ausschlag geben. Der Sieg Bidens in Georgia wurde bei der Wahl 2020 beispielsweise durch weniger als 12.000 Stimmen entschieden.
Der dritte Kandidat
Der parteilose Präsidentschaftsbewerber Robert F. Kennedy kündigte am Freitag an, in den entscheidenden Bundesstaaten aus dem Rennen auszusteigen und seinen Namen dort vom Wahlzettel streichen zu lassen. Gleichzeitig sprach er seine Unterstützung für Trump aus. Dieser Schritt schadet Harris im US-Wahlkampf.
Der Neffe des legendären Präsidenten John F. Kennedy hat zwar keine realistischen Chancen – in Umfragen liegt er bei etwa fünf Prozent. Doch da sich Harris und Trump ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern, könnte sein Ausstieg Trump in den "Swing States" entscheidende Stimmen bringen. Dieser Rückschlag, der direkt nach der großen Parteitagsshow der Demokraten in Chicago erfolgt, dämpft Harris' Schwung.