Unternehmen

Studie: Firmen in Deutschland im Visier chinesischer Hacker

Nicht nur der Volkswagen-Konzern wurde mutmaßlich von chinesischen Staatshackern ausgespäht. Fast jedes zweite Unternehmen in Deutschland sieht sich Angriffen aus China ausgesetzt.
28.08.2024 13:17
Aktualisiert: 28.08.2024 13:17
Lesezeit: 3 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Studie: Firmen in Deutschland im Visier chinesischer Hacker
Acht von zehn Unternehmen in Deutschland berichten, dass sie in den letzten zwölf Monaten von Datendiebstahl, Diebstahl von IT-Geräten, Industriespionage oder Sabotage betroffen waren. (Foto: dpa) Foto: Jochen Tack

Der Schaden durch Diebstahl, Sabotage und Industriespionage für die deutsche Wirtschaft ist im vergangenen Jahr nach Schätzungen auf einen Rekordwert von knapp 267 Milliarden Euro gestiegen. Dabei hat sich China zur wichtigsten Ausgangsbasis für Angriffe auf die Unternehmen in Deutschland entwickelt. Das geht aus einer Studie des Digitalverbands Bitkom hervor, die in Berlin veröffentlicht wurde.

Bei einer repräsentativen Befragung von mehr als 1.000 Unternehmen quer durch alle Branchen gaben 45 Prozent der betroffenen Firmen an, die Angriffe nach China zurückverfolgen zu können (2023: 42 Prozent). In den vergangenen Jahren hatten Angriffe aus Russland die Statistik angeführt. Aktuell sagen nur noch 39 Prozent der attackierten Unternehmen, dass sie aus Russland angegriffen worden seien. 2023 lag der Wert noch bei 46 Prozent.

Konfliktreiche Zeiten

Im April war bekanntgeworden, dass Hacker, die mutmaßlich aus der Volksrepublik stammten, Volkswagen jahrelang ausspioniert haben. Dabei hatten es die Angreifer nach den Erkenntnissen der Ermittler auf das Know-how aus dem Autokonzern abgesehen. Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst sagte, aus den Zahlen könne man ersehen, „wie konfliktreich und wie spannungsgeladen die heutige Zeit ist und mit welchen harten Bandagen eigentlich gespielt wird“.

Hacker mit bösen Absichten aus Osteuropa machten 32 Prozent der Fälle aus, die Europäische Union (ohne Deutschland) wurde in 21 Prozent der Fälle als Ausgangsbasis vermutet. Gut ein Drittel der angegriffenen Unternehmen (36 Prozent) konnte der Studie zufolge nicht sagen, aus welcher Region die Angreifer kamen. Jedes fünfte Angriffsopfer (20 Prozent) geht davon aus, dass der Angriff von Deutschland aus erfolgte. Ein Viertel (25 Prozent) vermutet, dass die Angreifer in den USA saßen.

Bei den Fragen nach dem regionalen Ursprung der Cyberangriffe und dem Täterkreis waren Mehrfachnennungen möglich. Damit wurde berücksichtigt, dass ein Teil der betroffenen Unternehmen mehrmals attackiert wurde und dabei auch aus verschiedenen Regionen.

Kriminelle am Werk

Die angegriffenen Unternehmen vermuten, dass die Täter hauptsächlich aus der organisierten Kriminalität stammen (70 Prozent). Sie schätzen, dass ausländische Nachrichtendienste für 20 Prozent der Angriffe verantwortlich sind. Vor einem Jahr identifizierten sie Geheimdienste nur bei 7 Prozent der Vorfälle als Täter. Bei 27 Prozent der Angriffe handelte es sich um Racheaktionen von aktuellen oder ehemaligen Mitarbeitern.

Die Umfrage des Bitkom zeigt das Ausmaß der Bedrohung. Acht von zehn Unternehmen in Deutschland (81 Prozent) berichten, dass sie in den letzten zwölf Monaten von Datendiebstahl, Diebstahl von IT-Geräten, Industriespionage oder Sabotage betroffen waren. Weitere zehn Prozent vermuten dies. Verfassungsschutz-Vizepräsident Sinan Selen geht davon aus, dass noch mehr Firmen angegriffen wurden. „Die fehlenden neun Prozent wissen es schlicht und einfach nicht. Wir müssen davon ausgehen, dass praktisch jedes Unternehmen hier Gegenstand eines Angriffs ist. Nur manche erkennen diese Angriffe nicht.“

Digital und analog

Die Attacken gegen die Unternehmen in Deutschland finden nicht nur im digitalen Cyberraum statt, sondern auch in der analogen Welt. Dazu gehört der Diebstahl von IT- und Telekommunikationsgeräten, von dem 62 Prozent der Firmen betroffen waren. 74 Prozent der Unternehmen geben an, dass bei ihnen Geschäftsdaten digital ausgespäht wurden. Betroffene Unternehmen berichten häufig von gestohlenen Kundendaten (62 Prozent, plus 6 Prozentpunkte), Zugangsdaten oder Passwörtern (35 Prozent, plus 12 Prozentpunkte) sowie geistigem Eigentum wie Patenten und Informationen aus Forschung und Entwicklung (26 Prozent, plus 9 Prozentpunkte). Am häufigsten sind allgemeine Kommunikationsdaten wie E-Mails betroffen (63 Prozent, plus 1 Prozentpunkt).

Umgang mit China

Bitkom-Präsident Wintergerst sagte, die Unternehmen müssten ihre Schutzmaßnahmen weiter hochfahren. „Das gilt für digitale ebenso wie klassische Angriffe wie etwa das Abhören von Besprechungen oder den Diebstahl von physischen Dokumenten.“ Gleichzeitig räumte der Branchenvertreter ein, dass es insbesondere gegenüber China schwerfalle, sehr hohe Schutzmauern einzuziehen oder sogar Kontakte aufzugeben. „Was über mehrere Jahrzehnte aufgebaut wurde an Lieferketten, an Gemeinschaftsunternehmen oder anderen Konstruktionen, das lässt sich nicht innerhalb von wenigen Jahren rückabwickeln. Das ist einfach unmöglich. Man finde oftmals in der Weltwirtschaft gar keine Alternativen.“

Verfassungsschutz-Vizepräsident Selen sagte, man müsse auch nicht die Mauern gegenüber China hochziehen und damit Kooperation und Handel einstellen. „Es geht schlichtweg darum, nicht nur die Chancen zu sehen, sondern auch die Risiken. Man muss den Partner China so einordnen, wie er nun mal ist.“ Es gebe eine enge Verzahnung staatlicher Institutionen mit den jeweiligen Partnern vor Ort. „Und daraus entstehen gewisse Risiken.“

Grundlage der Angaben ist eine Umfrage, die Bitkom Research im Auftrag des Digitalverband Bitkom durchgeführt hat. Dabei wurden 1.003 Unternehmen ab 10 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von mindestens 1 Mio. Euro in Deutschland telefonisch befragt. Die Umfrage ist repräsentativ.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Abwanderung von Fachkräften: Immer mehr deutsche Arbeitnehmer verlassen ihr Heimatland
21.08.2025

Immer mehr Deutsche sagen Adieu und wandern aus: 2024 waren es 270.000 Ausreisewillige, 2025 wird ein neuer Rekordwert erwartet. Doch wer...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Freiwillige vor: Neuer Bahnchef gesucht
21.08.2025

Die Deutsche Bahn steckt in ihrer tiefsten Krise, doch der Verkehrsminister drängt auf schnellen Wechsel an der Spitze. Während geeignete...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Stellenanzeigen: Firmen verschenken Potenzial mit fehlender Familienfreundlichkeit
21.08.2025

Deutsche Unternehmen reden gern über Familienfreundlichkeit, doch in den Stellenanzeigen bleibt davon wenig übrig. Eine neue Analyse...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft US-Importzoll auf Autos aus EU soll rückwirkend sinken
21.08.2025

Washington senkt seine Importzölle auf Autos aus der EU – rückwirkend und überraschend deutlich. Für Europas Autobauer ist das zwar...

DWN
Panorama
Panorama Nord-Stream-Anschlag: Carabinieri verhaften Ukrainer wegen Sprengstoff-Operation
21.08.2025

Seit zwei Jahren ermittelt die Bundesanwaltschaft im Fall der gesprengten Nord-Stream-Pipelines. Nun gerät ein Ukrainer ins Visier, den...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Homeoffice auf Rezept? Ärztliches Attest bedeutet keinen Anspruch aufs Homeoffice – was zu beachten ist
21.08.2025

Ärztliche Homeoffice-Atteste liefern Hinweise, sind aber kein automatischer Freifahrtschein. Fehlen verbindliche Regeln und ein...

DWN
Politik
Politik Russland erklärt, in die Sicherheitsgarantien für die Ukraine „einbezogen“ werden zu wollen
21.08.2025

Russland will bei den Sicherheitsgarantien für die Ukraine mitreden – und verlangt ein Vetorecht. Experten warnen: Damit droht Moskau,...

DWN
Finanzen
Finanzen Millionen PayPal-Zugangsdaten im Umlauf – das sollten Nutzer jetzt tun
21.08.2025

Millionen PayPal-Zugangsdaten sollen im Darknet zum Verkauf stehen – zu einem erstaunlich niedrigen Preis. Ob es sich um aktuelle Daten...