Werkschliessungen bei Volkswagen, Stellenabbau bei BASF und die Aufspaltung von ThyssenKrupp: Kaum eine Woche vergeht mittlerweile, ohne dass neue schlechte Nachrichten aus der Wirtschaft bekanntwerden. Und es kommt noch eine weitere dazu: Die aktuelle desaströse Lage der Wirtschaft zeichnet sich jetzt auch sichtbar in den Herbstprognosen für Konjunktur ab. Die Ökonomen korrigieren ihre Erwartungen gravierend noch unten.
Heute stellte das Ifo-Institut seine Konjunkturprognose Herbst 2024 vor und gibt zu, sich verschätzt zu haben: Die Deutsche Wirtschaft steckt fester in der Krise als gedacht. Die Indikatoren Produktivitätssteigerung und Investitionen wurden zuletzt überbewertet. Dennoch hofft das Institut perspektivisch auf steigende Löhne und mehr Kaufkraft.
Ifo: „Wirtschaft dümpelt in einer Flaute“
Das Ifo-Institut hat seine Wachstumsprognose für das laufende Jahr zurückgenommen. Es rechnet nun mit null Wachstum statt wie bislang mit 0,4 Prozent. Auch für das kommende Jahr senkte das Institut seine Schätzung, auf 0,9 Prozent statt 1,5 Prozent. Erst 2026 soll die Wirtschaft nun um 1,5 Prozent wachsen. „Die deutsche Wirtschaft steckt fest, und sie dümpelt in einer Flaute, während andere Länder den Aufwind spüren“, sagt ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser.
Er fügt hinzu: „Wir haben eine strukturelle Krise. Es werden zu wenig Investitionen insbesondere in der Industrie getätigt und die Produktivität tritt seit Jahren auf der Stelle. Außerdem haben wir eine konjunkturelle Krise. Die Auftragslage ist schlecht, und die Kaufkraftgewinne führen nicht zu steigendem Konsum, sondern zu höherer Ersparnis, weil die Leute verunsichert sind.“
Lichtblick: Rückgang Inflationsrate
Die Sparquote beträgt nunmehr 11,3 Prozent, deutlich mehr als der Zehnjahresschnitt von 10,1 Prozent vor Corona. Ein Lichtblick, immerhin: Die Inflationsrate wird weiter zurückgehen von durchschnittlich 5,9 Prozent im vergangenen Jahr auf 2,2 Prozent in diesem. Anschließend wird sie sinken auf 2,0 Prozent und dann je 1,9 in den beiden kommenden Jahren.
Rückschritt: Arbeitslosenquote wird steigen
Die Arbeitslosenquote wird steigen von 5,7 Prozent im vergangenen Jahr auf 6,0 Prozent. Im kommenden wird sie dann sinken auf 5,8 und schließlich 5,3 Prozent erreichen. Das Defizit im Staatshaushalt dürfte in diesem Jahr 2,0 Prozent der Wirtschaftsleistung erreichen und in den kommenden beiden Jahren fallen auf 1,3 bzw. 0,9 Prozent.
Auftragsflaute in allen Bereichen
Besonders belastend sind in diesem Jahr das Baugewerbe, dessen Leistung um 3,1 Prozent schrumpfen dürfte, und die Industrie, die um 2,0 Prozent zurückgeht. „Dekarbonisierung, Digitalisierung, demografischer Wandel, Corona-Pandemie, Energiepreisschock und eine veränderte Rolle Chinas in der Weltwirtschaft setzen etablierte Geschäftsmodelle unter Druck und zwingen Unternehmen, ihre Produktionsstrukturen anzupassen“, sagt Wollmershäuser.
Investionsflaute
Daher herrscht eine Investitionsflaute vor allem in der Industrie, die in Deutschland einen deutlich höheren Anteil an der Wirtschaftsleistung habe als anderswo. „Und die Bevölkerung wird schneller altern, immer weniger Menschen stehen in Arbeit. Verschiebungen vom Industrie- zum Dienstleistungssektor erklären größtenteils den Produktivitätsstillstand der vergangenen Jahre“, ergänzt er.
IfW Kiel sieht eine Fortsetzung einer Rezession
Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel (IfW) korrigierte ebenfalls seine Konjunkturprognose nach unten. Die Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik sinkt. Das Institut spricht von einer technischen Rezession und drüben Aussichten. Der private Konsum sei trotz steigender Realeinkommen schwach, Industrie und Bauwirtschaft steckten tief in einer Rezession.
IfW-Chef: Deutsche Wirtschaft in echter Krise
Das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) hat in seiner jüngsten Konjunkturprognose eine Fortsetzung der Rezession vorausgesagt. 2024 dürfte das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands demnach um 0,1 Prozent zurückgehen. Im Sommer war noch ein Wachstum von 0,2 Prozent prognostiziert worden. „Die Aufwärtssignale, die die Frühindikatoren noch im Sommer sendeten, haben sich nicht verfestigt“, erklärte IfW-Konjunkturchef Stefan Kooths.
Demnach haben vor allem die „staatlich stark beeinflussten“ Dienstleistungsbranchen zugelegt. Dagegen sei die Wirtschaftsleistung der Industrie und der Bauwirtschaft mit einem Verlust von 2,7 Prozent beziehungsweise 4,3 Prozent überdurchschnittlich gesunken.
Erst 2025 soll die Wirtschaftsleistung wieder um 0,5 Prozent steigen. Erwartet wurde zuvor ein Wachstum von 1,1 Prozent. „Insgesamt stottert die deutsche Wirtschaft in eine blutleere Erholung, auch weil die Wirtschaftspolitik keine verlässlichen Weichenstellungen vorzunehmen vermag“, merkte Kooths an.
IfW-Präsident sieht strukturelle Probleme
IfW-Präsident Moritz Schularick beklagte zudem das immer kleinere Wachstumspotential. „Die deutsche Wirtschaft steckt zunehmend in einer Krise, die nicht nur konjunktureller, sondern auch struktureller Natur ist“, mahnte er. Als Gründe dafür nannte er nicht nur die EZB-Zinspolitik und die „Veränderungsresistenz der alten Kernindustrien“, sondern auch, dass die Asyldebatte den Dialog über die „wirtschaftlich notwendige“ Gewinnung von „Fachkräften aus dem Ausland“ vergifte.
Den Unternehmen des Landes steht noch eine lange Durststrecke bevor. Wirtschaftsexperten rechnen jetzt erst ab 2026 mit einem nennenswerten Wachstum.