Nach dem mutmaßlichen Terroranschlag eines Österreichers auf das israelische Generalkonsulat in München befürchtet der Terrorismusexperte Peter Neumann eine kommende islamistische Anschlagswelle in Europa. Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk warnte er vor einer "dramatisch gestiegenen Anzahl solcher Vorfälle".
"Wir haben in den letzten zehn Monaten 21 versuchte Anschläge in Westeuropa und sieben vollzogene Anschläge erlebt", erklärte er. Dies bedeutet eine Vervierfachung im Vergleich zu 2022. "Die Vorfälle nehmen zu, sie kommen näher. Das deutet darauf hin, dass sich etwas zusammenbraut."
Deshalb fordert er eine europäische Gefährderdatei. "Es ist uns bislang nicht gelungen, eine europäische Datei zu schaffen, die all diese Personen erfasst, sodass - wenn beispielsweise dieser Attentäter bei einer Verkehrskontrolle in Bayern aufgefallen wäre - sofort ein Treffer angezeigt wird", sagte Neumann.
"Probleme bei der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden"
"Wir haben nach wie vor Probleme bei der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden", kritisierte Neumann. "Es sollte eigentlich selbstverständlich sein, dass die bayerischen und deutschen Behörden wissen, wer die österreichischen Gefährder sind und wer mit einem Waffenverbot belegt ist."
Am Donnerstagmorgen kam es vor dem israelischen Generalkonsulat in München zu einem Schusswechsel zwischen einem Bewaffneten und der Polizei. Der Mann wurde erschossen und starb noch am Ort des Geschehens. Die Ermittler vermuten einen Terroranschlag auf das Konsulat. Am Donnerstag jährte sich der Anschlag auf die israelische Olympiamannschaft bei den Münchener Spielen 1972 zum 52. Mal.
Neumann kritisiert "riesige Sicherheitslücke"
Es wurde mittlerweile bekannt, dass gegen den toten Schützen wegen des Verdachts ermittelt wurde, er könnte sich religiös radikalisiert haben. Der Mann aus dem Salzburger Land mit bosnischen Wurzeln hatte zudem ein Waffenverbot, das frühestens 2028 enden würde, wie die Salzburger Polizei mitteilte.
Neumann sprach von einer "riesigen Sicherheitslücke" und bemängelte, "dass die bayerischen Behörden anscheinend nicht einmal wussten, wer diese Person ist, obwohl sie nur eine Stunde Autofahrt von München entfernt lebte". Die Münchner Polizei antwortete zunächst nicht auf eine Anfrage, ob der Mann den bayerischen Behörden bekannt war.