Unternehmen

Schock für Beschäftigte: Brillenhersteller Rodenstock verlagert heimische Stellen ins Ausland

Stellenabbau und Abwanderung: Das Münchner Traditionsunternehmen Rodenstock, weltweit bekannt für Brillengläser höchster Qualität, halbiert am Standort Regen die Zahl der Mitarbeiter – 260 Stellen wandern ins Ausland, nach Tschechien und Thailand. Die Mitarbeiter stehen unter Schock. Warum sind die Maßnahmen notwendig?
09.09.2024 17:05
Aktualisiert: 09.09.2024 17:15
Lesezeit: 3 min

Leise und still verlegt ein weiteres deutsches Traditionsunternehmen Arbeitsplätze ins kostengünstigere Ausland: Rodenstock aus Bayern, ein Qualitätsunternehmen deutscher Ingenieurskunst für hochwertige Brillengläser und Medizintechnik. Das 1877 gegründete Unternehmen ist am Standort Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig und greift zu rigorosen Maßnahmen.

Unternehmen will wettbewerbsfähig bleiben

Es war ein Schock für die Mitarbeiter des Regener Rodenstock-Werks, als am Donnerstag Werksleiter André Goller und Vorstandsmitglied Roland Dimbarth in einer Mitarbeiterversammlung verkündeten, dass von den rund 500 Stellen im Regener Werk die Hälfte gestrichen wird. Die komplette Fertigung wird vom Standort Regen abgezogen, die Mitarbeiterzahl soll von rund 500 auf 260 sinken.

Die Produktion von hochwertigen Brillengläsern wird in die Rodenstock-Werke nach Klattau (Tschechien) und Bangkok (Thailand) verlagert. Die Stimmung bei der Mitarbeiterversammlung sei sehr angespannt gewesen, sagt Betriebsratsvorsitzender Anton Weber gegenüber der Mediengruppe Bayern: „Es war mucksmäuschenstill.“

Stellenabbau am Standort Regen

In einer Pressemitteilung, die das Unternehmen am Donnerstag verschickt, heißt es: „Mit Blick auf eine weiterhin starke Innovationskraft und hohe Servicequalität soll die Fertigungsstruktur am Standort Regen in den kommenden Monaten angepasst werden.“ Diese Anpassung besteht darin, die Produktion vom Regener Werk komplett abzuziehen und ins rund 70 Kilometer entfernte Klattau (Tschechien) sowie nach Thailand zu verlagern. Das Regener Werk soll als reines Engineering Center weitergeführt werden.

Regen soll zukunftsorientiert aufgestellt

Werksleiter André Goller, der die Kompetenz der Ingenieure und Fachkräfte im Regener Werk in den höchsten Tönen lobt, dass die verbleibenden Mitarbeiter in Regen weiterhin in alle Phasen des Produktionsentwicklungsprozesses eingebunden sein werden. Sie sollen weiter im Unternehmen eine Schlüsselfunktion in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Technologietransfer und Prozessimplementierung einnehmen. Der bevorstehende Wandel des Standorts wird für alle Beteiligten ein herausfordernder Prozess“, sagt Werkleiter Goller, der aber überzeugt davon ist, dass die neue Rolle des Standortes Regen die beste Form sei, um den Standort zukunftsorientiert aufzustellen. In welchem Zeitraum die Umstellung erfolgen soll, sei noch nicht abzusehen, so Goller gegenüber dem Bayerwald-Boten.

Grund: Steigende Produktionskosten

Wie das Unternehmen in der Pressemitteilung informiert, gibt es im Markt der Brillengläser einen verstärkten Wettbewerb und steigende Produktionskosten. Die einschneidenden Maßnahmen in Regen seien nötig, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Vor Ort bei der Mitarbeiterversammlung in Regen war auch Roland Dimbath von der Unternehmensführung, der in der Weiterführung des Regener Werks als reines Engineering-Center eine Verbesserung der Ertrags- und Innovationskraft der Rodenstock-Gruppe sieht. „Wir erhalten auch weiterhin unsere Wettbewerbsfähigkeit im weltweiten Augenoptikmarkt“, wie Dimbath in der Pressemitteilung von Rodenstock zitiert wird.

Roland Dimbath, COO Rodenstock Gruppe, sagt: „Mit dem Umbau unserer Fertigungsstruktur und der Weiterführung des Standorts Regen als reines Engineering Center verbessern wir nachhaltig die Ertrags- und Innovationskraft der Rodenstock Gruppe und erhalten auch weiterhin unsere Wettbewerbsfähigkeit im weltweiten Augenoptikmarkt.“

André Goller, Werksleiter Regen ergänzt: „Der bevorstehende Wandel unseres Standortes von einer Fertigung zum Engineering Center wird für alle Beteiligten ein herausfordernder Prozess. Wir sind aber davon überzeugt, dass die neue Rolle des Standortes Regen und die damit verbundenen Aufgaben die beste Form ist, um den Standort zukunftsorientiert aufzustellen.“

Betriebsratsvorsitzender kämpft mit den Tränen

Bei einer Betriebsversammlung haben die Mitarbeiter des Regener Rodenstock-Werks am Freitagnachmittag gegen den Abbau von rund 250 Arbeitsplätzen demonstriert. Presslufthupen, Pfeifen, Johlen am Rodenstock-Werkstor: Rund 250 Mitarbeiter des Optikunternehmens sind dem Aufruf des Betriebsrats gefolgt, gegen den Arbeitsplatzabbau zu protestieren. Wie nah die Entscheidung der Konzernleitung vielen Rodenstocklern geht, ist exemplarisch beim Betriebsratsvorsitzenden Anton Weber zu sehen. Mehrmals kämpft er während seiner Rede mit den Tränen.

Schlechten Stil, den Verrat der Werte, die sich Rodenstock selbst gegeben hat, warf Weber der Geschäftsführung vor. Die späte Information, obwohl es schon lange Gerüchte gab, das Verbot bei der Info am Donnerstag Fragen zu stellen, die gleichzeitige Information der Öffentlichkeit durch die Geschäftsführung – „Wo ist da der Respekt gegenüber den Mitarbeitern?“, fragte Weber und monierte, dass die Geschäftsführung die Leistungen der Regener Rodenstockler nicht würdigen würden: „Die Mehrarbeit und die Sonderschichten in den vergangenen Monaten, die sind schon lange vergessen – Pfui Teufel.“

Rodenstock – ein deutsches Markenunternehmen

Das 1877 gegründete Unternehmen, mit Hauptsitz in München, beschäftigt weltweit rund 5.000 Mitarbeiter und ist in mehr als 85 Ländern mit Vertriebsniederlassungen und Distributionspartnern vertreten. Rodenstock unterhält 6 zentrale Produktionszentren, um ein global verfügbares Angebot zu gewährleisten.

Im Bereich Brillengläser kann Rodenstock eine Reihe bahnbrechender Innovationen und marktführender Technologien vorweisen und steht mit der Philosophie B.I.G. VISION® FOR ALL für eine neue Generation individueller Brillengläser.

Für das Jahr 2023 legte Rodenstock noch ein „solides Geschäftsergebnis“ vor: Laut Geschäftsbericht der Rodenstock Gruppe konnte der Umsatz um 0,2 Prozent und das EBITDA um 0,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr leicht gesteigert werden. Das Unternehmen erzielte nach eigenen Angaben einen Nettoumsatz von 506,1 Millionen Euro (2022: 505,3 Millionen Euro) und ein EBITDA von 122,3 Millionen Euro „in einem weiterhin schwierigen makroökonomischen Umfeld“ und „trotz anhaltendem Inflationsdruck“.

 

Mirell Bellmann

Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

DWN
Finanzen
Finanzen Aktien Ukraine-Wiederaufbau: Diese Unternehmen warten auf ein Ende des Krieges
28.12.2025

Die Märkte reagieren überraschend empfindlich auf jede Erwartung eines Waffenstillstands und verschieben Kapital von Rüstungswerten hin...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschland am Wendepunkt: Wie die wirtschaftliche Neuordnung gelingt
28.12.2025

Deutschland steht vor einer tiefgreifenden wirtschaftlichen Neuordnung, in der Investitionen und geopolitische Risiken zugleich bewältigt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Teamführung 2026: Was Führungskräfte jetzt wirklich brauchen
28.12.2025

Viele Führungskräfte starten 2026 mit neuen Vorsätzen – doch der Alltag frisst schnell jede Veränderung. Welche Self- und...

DWN
Immobilien
Immobilien Über den Wolken: Sky City 1000 – eine Zukunftsvision gegen Wohnraummangel
28.12.2025

Die japanische Hauptstadt Tokio wächst – schneller als die Stadt es verkraftet. Allein 2024 kamen zehntausende Menschen hinzu, im...

DWN
Technologie
Technologie Batteriespeicher: Warum RWE den Takt für Europas Netze vorgibt
28.12.2025

Ein deutscher Energiekonzern baut in Wales den größten Batteriespeicher Großbritanniens und verschiebt damit die Kräfteverhältnisse in...

DWN
Panorama
Panorama DWN-Wochenrückblick KW 52: Die wichtigsten Analysen der Woche
28.12.2025

Im DWN Wochenrückblick KW 52 fassen wir die zentralen wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen der vergangenen Woche zusammen....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Jahreswagen, Vorführwagen, Tageszulassung: So sparen Sie beim Autokauf
28.12.2025

Wer beim Auto kaufen sparen will, muss nicht zwingend zum alten Gebrauchten greifen. Jahreswagen, Vorführwagen und Tageszulassung wirken...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Föderale Modernisierungsagenda: 200-Punkte-Programm für Bürokratieabbau – ist das der große Wurf?
28.12.2025

Bund und Länder haben ein Paket beschlossen, das den Staat schlanker und schneller machen soll. Über 200 Maßnahmen zielen auf Bürger,...