Weltwirtschaft

Energiewende: Versteckte Kosten - droht Eigentümern eine schleichende Enteignung?

Lesezeit: 3 min
16.09.2024 13:00
Deutschlands Milliardeninvestitionen in die Energiewende setzen Eigentümer unter Druck: Von Zwangssanierungen bis zu Wertverlusten – entdecken Sie, welche Risiken drohen und wer wirklich profitiert.
Energiewende: Versteckte Kosten - droht Eigentümern eine schleichende Enteignung?
Zwangssanierungen und Wertverluste bedrohen Eigentümer – wer profitiert wirklich von der Energiewende? (Foto: dpa)
Foto: Marijan Murat

Benachrichtigung über neue Artikel:  

Deutschland plant, bis 2030 rund 721 Milliarden Euro in die Energiewende zu investieren. Doch was bedeutet das für die Bürger? Energieerzeugung, Stromnetze, Wasserstoffwirtschaft – all diese Bereiche müssen umfassend modernisiert werden. Und am Ende sind es die Hausbesitzer, die einen Großteil der finanziellen Last tragen.

Langfristige Vorteile oder doch nur kurzfristige Belastungen? Befürworter, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), versprechen: Ja, auf lange Sicht könnten wir alle profitieren – durch niedrigere Heizkosten und höhere Immobilienwerte. Umweltfreundliche Gebäude könnten sowohl beim Verkauf attraktiver sein als auch durch Energieeinsparungen die anfänglichen Investitionen über die Jahre ausgleichen. Doch für viele stellt sich die Frage: Wer kann sich diese Zukunft überhaupt leisten?

Energiewende als Kostenfalle: Eigentümer in finanzieller Not und eingeschränkter Entscheidungsfreiheit

Besonders für Haushalte mit geringem Einkommen stellt die Energiewende eine immense Herausforderung dar. Die Kosten für energetische Sanierungen sind für viele unerschwinglich, und staatliche Förderungen decken in der Regel nur einen Bruchteil der tatsächlichen Ausgaben. Insbesondere ältere Menschen haben häufig keine Möglichkeit, zusätzliche Kredite aufzunehmen – für sie ist die finanzielle Last schlicht zu groß.

Im schlimmsten Fall führt dies dazu, dass Eigentümer ihre Immobilien gezwungenermaßen unter Marktwert verkaufen müssen. Besonders hart trifft dies diejenigen, die ihre Immobilie als Altersvorsorge eingeplant hatten. Zusätzlich fühlen sich viele in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt, da die neuen Gesetze sie zwingen, ihre Energieversorgung umzustellen – oft gegen ihren Willen.

Zwangssanierungen und Wertverlust: Eine Bedrohung für Eigentümer

Seit Januar 2024 gelten verschärfte Anforderungen: Das novellierte Gebäudeenergiegesetz (GEG) schreibt vor, dass Neubauten mindestens 65-Prozent ihrer Heizenergie aus erneuerbaren Quellen beziehen müssen. Auch für Bestandsgebäude sind Anpassungen Pflicht. Zwar gibt es hier längere Übergangsfristen, doch auch diese Gebäude müssen schrittweise modernisiert werden, sonst drohen Strafen von bis zu 50.000 Euro.

Darüber hinaus verlangt die EU-Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie (EPBD), dass Altbauten bis 2033 mindestens die Energieeffizienzklasse "D" erreichen. Diese Regelung stellt Eigentümer vor enorme finanzielle Herausforderungen. Laut einer Studie des DIW belaufen sich die Sanierungskosten pro Quadratmeter auf 180 bis 360 Euro, abhängig von Größe und Umfang der nötigen Maßnahmen. Zwar gibt es Förderprogramme und zinsgünstige Kredite, aber auch diese müssen vollständig zurückgezahlt werden.

Sinkende Marktattraktivität: Die Folgen der Energiewende

Hinzu kommt, dass energetische Sanierungen nicht in jedem Fall sinnvoll oder wirtschaftlich praktikabel sind. Bei denkmalgeschützten Gebäuden oder in Regionen mit ohnehin niedrigen Immobilienwerten übersteigen die Sanierungskosten oft den möglichen Wertzuwachs.

Ein weiteres Problem ist der sinkende Marktwert von Immobilien, die nicht den neuen energetischen Standards entsprechen. Käufer kalkulieren die anfallenden Sanierungskosten bereits beim Kauf ein, was zu deutlichen Preisabschlägen führt. So lagen die Angebotspreise für Mehrfamilienhäuser der Energieklassen G und H laut dem Immobilien- und Investmentmanagementunternehmen JLL im ersten Quartal 2023 durchschnittlich 28-Prozent unter den Preisen für Immobilien der besten Energieklassen (A/A+).

Roman Heidrich, Lead Director Residential Valuation & Transaction Advisory bei JLL Germany, betont: Zum einen ist „bei energetisch schlechteren Immobilien mit geringeren Mieteinnahmen und einer schlechteren Marktgängigkeit zu rechnen“. Zum anderen hat die Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes eine breite Debatte über die „Zukunftsfähigkeit energetisch ineffizienter Bestandsobjekte“ entfacht.

Politische Entscheidungen und ihre Auswirkungen auf das Vermögen

Die Energiewende ist zweifellos notwendig, um die gesteckten Klimaziele zu erreichen. Doch für viele Eigentümer bedeuten die neuen Anforderungen erhebliche finanzielle Verluste. Politische Entscheidungen haben somit einen massiven Einfluss auf das Vermögen der Bürger. Es bedarf einer intensiven Diskussion darüber, wie Eigentümer besser geschützt und entlastet werden können, ohne ihre Existenzgrundlage zu verlieren.

Bisherige Unterstützungsmaßnahmen wie die KfW-Förderprogramme sind zwar ein Schritt in die richtige Richtung, reichen aber insbesondere für einkommensschwache Haushalte nicht aus, um ihr Eigentum zu sichern und Wertverluste zu verhindern. Zudem sind diese Förderungen an verfügbare Haushaltsmittel gebunden und somit nicht garantiert. Was wirklich gebraucht wird, sind zusätzliche freiwillige Anreize, verstärkte finanzielle Hilfen sowie mehr direkte Zuschüsse und umfassendere Förderungen. Nur so kann die Modernisierung von Immobilien im Einklang mit den Klimazielen erreicht werden, ohne auf Zwangsmaßnahmen und Sanktionen zurückzugreifen.

Wer profitiert wirklich von der Energiewende?

Die klaren Gewinner sind vor allem Großinvestoren und Baukonzerne. Durch die strengen gesetzlichen Vorgaben zur Durchführung energetischer Sanierungen profitiert das Bauwesen von der gesteigerten Nachfrage. Große Unternehmen, insbesondere im Bereich der erneuerbaren Energien und der Bauwirtschaft, verfügen über die notwendigen Ressourcen, um umfangreiche Energiewende-Projekte umzusetzen.

Der Staat bietet zudem hohe Subventionen und Förderprogramme für Investitionen in erneuerbare Energien, energetische Sanierungen und grüne Technologien. Der Bau von Windkraftanlagen, Solarfeldern und anderen erneuerbaren Energiequellen wird durch staatliche Gelder massiv unterstützt. Diese Förderungen ermöglichen es großen Konzernen, ihre Geschäftstätigkeit auszubauen und neue Märkte zu erschließen.

Währenddessen trägt der Mittelstand einen Großteil der finanziellen Belastungen, was die soziale Ungleichheit weiter verstärkt. Es gilt, Lösungen zu finden, die soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz miteinander in Einklang bringen, um eine ausgewogene und nachhaltige Zukunft für alle zu gewährleisten.



DWN
Politik
Politik Erdgas: Preis der Energiewende viel zu hoch - warnt Gazprom
15.11.2024

Während die Welt auf erneuerbare Energien setzt, geht Gazprom einen anderen Weg: Der russische Energieriese glaubt, dass Erdgas der...

DWN
Politik
Politik CDU und SPD für neuen Konsultationsmechanismus - BSW will in Sachsen konstruktiv sein
15.11.2024

In Sachsen wollen CDU und SPD als Minderheitsregierung einen «Koalitionsmechanismus» einführen, um eine Mehrheit für ihre Vorhaben zu...

DWN
Politik
Politik Scholz telefoniert erstmals seit zwei Jahren mit Putin und fordert Abzug aus Ukraine
15.11.2024

Seit Monaten signalisiert Kanzler Scholz, dass er grundsätzlich zu einem Telefonat mit Kremlchef Putin bereit sei. Man müsse nur den...

DWN
Politik
Politik Nach Ampel-Aus: Bundestag streicht Sitzungswoche
15.11.2024

Die kommende Sitzungswoche im Bundestag war für Haushaltsberatungen reserviert. Nach dem Ampel-Bruch gibt es keinen Haushalt und die Woche...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Party der Öl-Industrie? 1.700 Lobbyisten auf Klimagipfel
15.11.2024

Worum es Baku beim Klimagipfel geht - darüber scheint es sehr unterschiedliche Ansichten geben. Umweltaktivisten sehen sich mit 1700...

DWN
Finanzen
Finanzen EU-Kommission senkt Konjunkturprognose für Deutschland
15.11.2024

Hohe Unsicherheit, Arbeitskräftemangel und sparsame Verbraucher - was alles die Stimmung drückt in Deutschland.: Auch Brüssel zeichnet...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis: Nicht jeder Anleger ist von Trump-Aktienrally überzeugt - was nun wichtig ist!
15.11.2024

Seit der Wiederwahl von Donald Trump steigen die Aktienkurse an den US-Börsen kräftig. Aktien von Unternehmen wie Tesla oder Anbieter aus...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Inflationsausgleichsprämie 2024: Was kommt danach? Lösungen für eine nachhaltige Mitarbeitermotivation
15.11.2024

Letzte Chance für die Inflationsausgleichsprämie, auch kurz als Inflationsprämie bezeichnet: Bis Ende 2024 können Arbeitgeber bis zu...