Unternehmen

Fachkräftemangel: Weg frei für Fachkräfte aus Kenia – eine „Win-win-Situation“?

Lesezeit: 2 min
17.09.2024 10:25  Aktualisiert: 01.01.2030 09:00
Mit der Begründung, dass Deutschland Fachkräfte am Arbeitsmarkt fehlen, hat die Bundesregierung ein Anwerbungsabkommen mit Kenia unterzeichnet. Auch Remote-Arbeitsplätze für kenianische IT-Fachkräfte sind möglich. Die Rückführung von Kenianern ohne Bleiberecht wird ebenfalls erleichtert, betrifft das Land aber kaum. Sind Migrationsabkommen der richtige Weg, um die deutsche Wirtschaft anzukurbeln?
Fachkräftemangel: Weg frei für Fachkräfte aus Kenia – eine „Win-win-Situation“?
Bundeskanzler Olaf Scholz (r, SPD) und William Samoei Ruto, Präsident von Kenia, unterzeichnen ein Migrationsabkommen. Das Abkommen soll die Anwerbung von Fachkräften aus Kenia fördern. (Foto: dpa)
Foto: Kay Nietfeld

Benachrichtigung über neue Artikel:  

Deutschland und Kenia wollen auch bei der Steuerung der Migration aus dem ostafrikanischen Land künftig enger kooperieren. Während des Besuchs des kenianischen Präsidenten William Ruto bei Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin unterzeichneten Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und der kenianische Außenminister Musalia Mudavadi dazu ein Abkommen. Es soll die Anwerbung von Fachkräften fördern und die Rückführung von Kenianern ohne Bleiberecht in Deutschland in ihr Heimatland erleichtern.

Migrationsabkommen für Fachkräfte aus Afrika

Den offiziellen Anstoß für das Migrationsabkommen mit Kenia gab der Bundeskanzler in Nairobi vor mehr als einem Jahr. Olaf Scholz sah „in Kenia ein großes Potenzial für die Fachkräftemigration in vielen Bereichen unserer Wirtschaft“. Ein Abkommen solle sowohl reguläre – also legale – Arbeitszuwanderung nach Deutschland ermöglichen, als auch die Rückführung abgelehnter Asylbewerber erleichtern. Kenia schreibt der Sonderbevollmächtigte für Migrationsabkommen, Joachim Stamp (FDP), „geopolitisch große Bedeutung“ zu.

Geringe Rückführung

Bei der Rückführung von ausreisepflichtigen Kenianern geht es nur um 818 Personen. Für 738 davon ist nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge die Abschiebung allerdings vorübergehend ausgesetzt, sie sind also in Deutschland geduldet. Insgesamt sind knapp 15.000 Kenianer in Deutschland registriert.

Das ostafrikanische Land, das an Somalia, Äthiopien, Südsudan, Uganda und Tansania grenzt, ist selbst Aufnahmeland von knapp 800.000 Geflüchteten und Asylsuchenden – neben Somalia vor allem aus Burundi und Kongo.

IT-Fachkräften mit Remote-Arbeitsplätzen

Am Tag der Unterzeichnung des Migrationsabkommens durch Innenministerin Nancy Faeser und Kenias Außenminister Musalia Mudavadi schloss dessen Ministerium noch eine weitere Absichtserklärung: für die Anwerbung von IT-Fachkräften mit Remote-Arbeitsplätzen in Kenia. Unter der Ägide der Hamburger Handelskammer und der liberalen Friedrich-Naumann-Stiftung (FSF) sollen so deutsche Unternehmen mit IT-Dienstleistern etwa zur Softwareentwicklung oder dem Kunden-Support zusammengebracht werden. Neben der bekannteren Silikon-Savannah in Nairobi tut sich dafür das County Nakuru mit einer hohen Konzentration von Tech-Arbeitern hervor.

Win-win-Situation: IT-Expertise aus Kenia

Kenia hat viel in die innovative Digitalwirtschaft investiert, betonte Staatschef Ruto bei der Zeremonie in Berlin. Sie sei zentral für die Entwicklung der Volkswirtschaft und bereit für Gelegenheiten von Win-Win-Kooperationen und Partnerschaften. „Kenias Humankapital gehört zu den besten der Welt.“ Vor kurzem habe er mit Microsoft den Bau des ersten grünen Datenzentrums in Kenia vereinbart.

Rund 500.000 IT-Kräfte stünden – hoch qualifiziert und ehrgeizig – in den Startlöchern, um anspruchsvolle Jobs anzunehmen, ergänzte FSF-Vorstand Karl-Heinz Paqué, der auch den Kostenvorteil Kenias unterstrich. Eine IT-Kraft gehöre mit 300 Dollar im Monat zur (unteren) Mittelschicht.

Bundeskanzler Scholz war voll des Lobs für kenianische Talente: Die in den USA entwickelten Large Language Modelle zum Einsatz in der künstlichen Intelligenz wären ohne unglaublich viele IT-Experten mit großer beruflicher Expertise aus Kenia nicht so vorangekommen. „Da ist sehr viel Manpower hineingeflossen.“

Zukunftsmodell für Migrationspolitik?

Abkommen mit einzelnen Herkunftsländern sind ein zentraler Bestandteil der Migrationspolitik der Ampel-Regierung. Mit Indien, Georgien und Marokko gibt es sie schon, auch mit Kolumbien hat die Bundesregierung eine engere Kooperation bei der Migrationssteuerung vereinbart. Mit Usbekistan soll während einer Zentralasien-Reise von Kanzler Scholz ein weiteres Abkommen unterzeichnet werden und mit Kirgistan spätestens nächstes Jahr. Mit Moldau sind die Verhandlungen weit fortgeschritten, und auch mit den Philippinen und Ghana laufen Gespräche. Alle Abkommen haben zwei zentrale Bestandteile: Förderung des Zuzugs von Fachkräften und Kooperation bei der Rückkehr ausreisepflichtiger Asylbewerber.

Für die Rückführung von Ausreisepflichtigen aus Deutschland erscheinen indes die wenigsten dieser Länder relevant. Als Herkunftsländer von Asylbewerbern spielen sie nur eine untergeordnete Rolle. In diesem Jahr wurden bis August 160.140 Erstanträge für Asyl gezählt, davon der Löwenanteil von mehr als 100.000 von Staatsangehörigen Afghanistans, Syriens und der Türkei.

 

                                                                            ***

Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.



Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Zu Weihnachten Zukunft schenken

Gerade zu Weihnachten wünschen sich viele Menschen, etwas von ihrem Glück zu teilen und sich für diejenigen zu engagieren, die es nicht...

DWN
Immobilien
Immobilien Haus & Grund rät zu Geduld: Bei Grundsteuer auf neuen Bescheid warten
21.12.2024

Im Durchschnitt sollte es nicht teurer werden, das war das Versprechen der Grundsteuer-Reform. Doch noch immer wissen viele nicht, wie viel...

DWN
Immobilien
Immobilien Grundsteuer 2025: Alles rund um die Neuerung
21.12.2024

Ab Januar 2025 kommt die neue Grundsteuer in Deutschland zum Einsatz. Viele Hausbesitzer und künftige Käufer sind besorgt. Und das...

DWN
Immobilien
Immobilien Förderung jetzt auch für Kauf denkmalgeschützter Häuser
21.12.2024

Wer ein altes Haus kauft und klimafreundlich saniert, bekommt oft Hilfe vom Staat. Das gilt künftig auch für Denkmäler.

DWN
Politik
Politik So wollen die Schweiz und die EU enger zusammenarbeiten
21.12.2024

Die Schweiz ist nicht in der EU, aber es gibt etliche Abkommen. Doch die sind teils veraltet. Das soll sich nun ändern. Was bedeutet das...

DWN
Panorama
Panorama Magdeburg: Anschlag auf Weihnachtsmarkt - fünf Tote, 200 Verletzte - Verdächtiger ist verwirrter Islam-Gegner
21.12.2024

Einen Tag nach der tödlichen Attacke auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg sitzt der Schock tief. Erste Details zum Tatverdächtigen werden...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Eine Erinnerung an ausreichend Risikokontrolle
21.12.2024

Die vergangene Woche brachte einen deutlichen Ausverkauf an den Aktienmärkten, der von Experten als gesunde Entwicklung gewertet wird....

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Kampf gegen Monopole: Europas Schlüsselrolle im Kampf gegen Big Tech und für den Klimaschutz
21.12.2024

Teresa Ribera steht vor einer gewaltigen Herausforderung. Die sozialistische Vizepremierministerin Spaniens wurde im September von der...

DWN
Finanzen
Finanzen Nach Trumps missglücktem Finanztrick: Stillstand der US-Regierung doch noch abgewendet
21.12.2024

Der US-Kongress hat einen drohenden Stillstand der Regierungsgeschäfte im letzten Moment abgewendet. Nach dem Repräsentantenhaus...