Die Ergebnisse ergeben sich aus einer detaillierten Auswertung des Zensus von 2022, den die Wissenschaftler des Kölner Instituts ausgewertet und analysiert haben. Zunächst einmal deckt sich die Vergleichsspanne des Zensus ziemlich genau mit dem lange anhaltenden Immobilienboom in Deutschland. Umso drastischer fällt der Kontrast aus und veranlasst die Autoren der Studie zu der Aussage, dass das Land beim Wohnen generativ geradezu unversöhnlich auseinanderdriftet. Während es sich die Boomer in ihrem geräumigen Häuschen gemütlich machen, müssen die Nachzügler auch immer kleineren Flächen ausharren, selbst wenn Nachwuchs ins Haus steht - ungemütliche Zeiten brechen dann an und drücken auf die Stimmung.
Aus den Daten geht hervor, dass 2022 demnach 44 Prozent aller Wohnungen von Eigentümern bewohnt wurden. 2011 waren es 0,9 Prozentpunkte mehr. In allen westdeutschen Bundesländern geht der Anteil spürbar zurück. Im Norden, in Bremen und Schleswig-Holstein, sank der Anteil mit jeweils knapp drei Prozentpunkten am stärksten. Im Osten stieg er hingegen in allen Bundesländern an - in Sachsen am stärksten um 1,6 Prozent. Die Forscher führen diese gegenläufige Entwicklung in Ost und West auf Nachholeffekte nach der Wiedervereinigung zurück - und darauf, dass in den östlichen Ländern immer noch Leerstand besteht und Alternativen am Immobilienmarkt bestehen, die es in den westlichen Groß- und Mittelstädten so beim Wohnungsangebot nicht mehr gibt.
Junge Menschen besonders betroffen
Die Besorgnis erregende Zahl bezieht sich auf die Haushalte der unter 50-Jährigen - sie ist im selben Zeitraum um vier Prozent auf eine Wohneigentumsquote von 30,4 Prozent zurückgegangen. Unter den älteren Bürgern, und das ist der Knackpunkt, ist sie mit 57 Prozent mittlerweile beinahe doppelt so hoch. Die aktuell jüngere Generation, von den stark gestiegenen Immobilienpreisen gebeutelt und den Eigenkapital-Anforderungen der Banken überfordert, hat kaum noch Chancen, ihren eigenen Traum vom Eigenheim zu realisieren. Politischer Sprengstoff für das gesellschaftliche Zusammenleben.
Wohneigentum in Deutschland zu teuer
Für die Wohnungsbaupolitik sollte das also klare Implikationen haben, heißt es in Köln. Doch Bauministerin Klara Geywitz (SPD) versteht es entweder nicht oder hat in ihrer Verzweiflung bereits aufgegeben, die Weichen zu stellen und für Entlastung zu sorgen. Der Teufelskreis nimmt jedenfalls immer bedrohlichere Ausmaße an, was offenbar im Ministerium übersehen wird: Denn wenn sich weniger Menschen überhaupt Eigentum leisten können, sind sie geradezu gezwungen, auf den Mietmarkt auszuweichen. Angesichts der enormen Engpässe durch den Flüchtlingsansturm und den Zuzug ausländischer Fachkräfte werden die Mietpreise dort freilich immer weiter angefeuert.
Die Studie zeigt deshalb deutliche Handlungsoptionen auf: Alles, was die Kaufpreise senkt, stärke die Wohneigentumsbildung und entlaste den Mietmarkt, so das Fazit. Dazu zählen unter anderem die Absenkung der Grunderwerbssteuer, vereinfachte Baustandards oder der Ausbau staatlicher Förderprogramme. Doch was passiert ausgerechnet in Berlin, wo der Markt schon jetzt besonders angespannt ist? Der Berliner Senat will die Grunderwerbssteuer anheben, weil der Finanzsenator blank ist und Milliarden für den Haushalt auftreiben muss. Genau das Falsche, wenn man den Wissenschaftler argumentativ folgt.
Interessant, wie steuerliche Anreize und Förderungen nur sehr beschränkt und nach politischem Gusto verteilt werden. Insbesondere das "Jung kauft alt"-Programm lenkt Zuschüsse in ländliche Regionen, während die Verantwortlichen in den Großstädten im wahrsten Sinne des Worts in Kopf in den märkischen Sand stecken. Zu einer KfW-Intiative, die den Mittelstand aus den zu engen Wohnungen ins Eigentum bringt, fehlt selbst in der FDP offensichtlich der Mut. Das Festhalten an der Schuldenbremse überstrahlt alles, selbst das Interesse des Mittelstands, den die FDP doch eigentlich gewinnen will.
Die Sache mit den vereinfachten Baustandards indessen hatte sich wiederum die Bundesregierung auf die Fahnen geschrieben und die Ministerin dafür eigens den reißerischen Namen „Bauturbo“ in die Debatte befördert. Die jetzt von Klara Geywitz vorgelegten Veränderungen sind indessen marginal und werden nach übereinstimmenden Einschätzungen der Bauwirtschaft und Immobilien-Verbände nicht wirklich zu günstigeren Baupreisen führen und deshalb auch nicht für sonderlich mehr Bautätigkeit im Wohnungsbereich sorgen.
Gebaut werden wegen des Zuzugs immer mehr Wohnungen
Die IW-Analyse hat aber auch noch weitere Ergebnisse zutage gefördert. So besteht ein enger Zusammenhang zwischen der regionalen Eigentumsquote, der Siedlungsentwicklung und Beschaffenheit des Wohnungsbestands. Parallel zur Wohneigentumsquote ging in den meisten west-deutschen Regionen der Anteil der Ein- und Zweifamilienhaus-Wohnungen im Bestand zurück, Es wurden verstärkt mehr Mietwohnungen in Mehrfamilienhäusern gebaut, da es zu einem starken Zuzug in die Städte gekommen und die Zahl der Single-Haushalte angewachsen ist. Anders die Lage im Osten: Dort ist der Anteil der Ein- und Zweifamilienhaus-Wohnungen sogar gestiegen.
Wenig verwunderlich: Die Bedeutung des privaten Haushalts-Einkommens für die Chance auf Wohneigentum hat ganz erheblich zugenommen. Parallel zum Anstieg der Preise für Eigenheime wird auch eine wachsende Kluft zwischen den Wohneigentumsquoten älterer und jüngerer Haushalte sichtbar. Dies stützt nach Angaben der Autoren die Vermutung, dass die rückläufige Entwicklung der Wohneigentumsquote auf eine verringerte Erschwinglichkeit von Wohneigentum hindeutet.
Die Forderung an die Politik ist vordringlich: „Angesichts der großen Bedeutung des Wohneigentums für eine funktionsfähige und sozial gerechte Marktwirtschaft bedarf es daher vor allem einer grundsätzlichen Aufwertung des Wohneigentums in der wohnungs- und gesellschaftspolitischen Debatte“, sagen die drei verantwortlichen Autoren Norbert Hiller, Oliver Lerbs und Christian Oberst.
Die regionale Betrachtung der Studie ist aufschlussreich
„Die Wohneigentumsquote ist regional höchst unterschiedlich. Die Spannweite reicht im Jahr 2022 von knapp 14 Prozent in der Stadt Leipzig bis gut 72 Prozent im Landkreis Südwestpfalz“, heißt es explizit in der IW-Studie. "Das Wohneigentum sei insbesondere in den ländlicheren Regionen Süd- und Mitteldeutschlands sowie in Teilen Niedersachsens und Schleswig-Holsteins die überwiegend vorherrschende Wohnform. In Ostdeutschland, dem Ruhrgebiet, der Region Köln-Bonn, dem Rhein-Main-Gebiet sowie der Region um München lebt dagegen ein besonders hoher Anteil der Haushalte zur Miete. Ausnahmen im Osten mit mittlerweile etwas höheren Wohneigentumsquoten sind einige ländliche Landkreise in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Bundesweit stechen die Städte mit besonders niedrigen Wohneigentumsquoten hervor, umgeben von Umlandland-Kreisen mit vergleichsweise hohen Quoten.“
Man stelle sich den Ballungsraum Berlin vor, in dem es immer enger wird, während immer mehr Bewohner in den Speckgürtel ziehen und auch dort allmählich die Presse steigen. In der Analyse heißt es dazu wörtlich: „Bei der Erklärung dieser regionalen Unterschiede spielen neben städtebaulichen und demografischen Faktoren die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und regionalen Wohnungspreise eine wichtige Rolle. Am deutlichsten gesunken ist die Eigentumsquote im äußersten Nordwesten Deutschlands sowie dem südwestlichen Hamburger Umland. Im Gegensatz dazu stieg die Eigentumsquote unter anderem im Landkreis Rostock, im Kreis Vorpommern-Greifswald (jeweils Mecklenburg-Vorpommern) sowie in weiten Teilen Sachsens am stärksten. Insgesamt ging die Eigentumsquote tendenziell stärker in Regionen zurück, die zu Beginn des Booms vergleichsweise hohe Wohneigentumsquoten hatten.“