Immobilien

Wohnungskrise: Probleme nicht gelöst, aber immer neue Ansprüche an das Gemeinwohl

Lesezeit: 3 min
12.09.2024 06:00
Die Wohnungswirtschaft hat sich wieder einmal in Berlin auf der Jahrestagung der Deutschen Verbandes (DV) für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung versammelt. Auf dem Podium machte es den Eindruck, als hätte Deutschland seine Wohnungsnot bereits überwunden. Überraschend ging es thematisch um „Die Wohnungswirtschaft als soziales Fundament unserer Gesellschaft“. Das Wünsch-Dir-was geht munter weiter. Wer die Ansprüche bezahlen soll, blieb am Ende des Tages weitgehend offen.
Wohnungskrise: Probleme nicht gelöst, aber immer neue Ansprüche an das Gemeinwohl
Mehr Gemeinwohl wagen: In Bremen probt Iryna aus der Ukraine für das Nachbarschaftsfest „Singende Balkone“ im 11. Stock der Siedlung Osterholz-Tenever. (Foto: dpa)
Foto: Carmen Jaspersen

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Der Auftritt der parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesbauministerium, Elisabeth Kaiser (SPD) aus Thüringen, wird vielen Branchenvertretern noch lange in Erinnerung bleiben. Ein knappes Grußwort für den neu gewählten Verbandspräsidenten Guido Beermann, kurz die mageren Ergebnisse der Ampel-Beschlüsse für den angeblichen Bau-Turbo aufgezählt und schnell wieder weg - zu den Haushaltsberatungen im Bundestag, die zehn Milliarden im Etat des Ministeriums gegen etwaige Begehrlichkeiten der Kollegen verteidigen.

Zur Misere am Immobilienmarkt kein weiteres Wort. Die Koalition glaubt offenbar, mit dem Minimalkonsens an Veränderungen im Baugesetzbuch die Arbeit erledigt zu haben. „Die privaten Hauseigentümer werden von der Staatssekretärin nicht mit einen einzigen Wort erwähnt“, schäumte Kai. H. Warnecke von Haus & Grund Deutschland. Er wähnte sich im falschen Film, als ihm dann auch noch die freche Frage gestellt wurde, was denn eigentlich die privaten Eigentümer zum Gemeinwohl in Deutschland beitragen - also alle jene, denen 93,8 Prozent sämtlicher Gebäude im Land gehören.

Seine Antwort fiel knapp, aber überzeugend aus: „Sie vermieten Wohnungen und sorgen dafür, dass Menschen ein Dach über ihrem Kopf haben - das ist Gemeinnutz!“ Die den Impulsverträgen lauschenden Branchenvertreter indessen scheinen das Thema Wohnungsmisere bereits im Rückspiegel zu betrachten und hinter sich gelassen zu haben. Jutta Allmendinger, Soziologin und Professorin an FU und Humboldt-Universität in Berlin, gab stattdessen nicht nur ihre „megakrassen Beobachtungen“ aus Los Angeles zum besten, sondern auch ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse der Post-Corona-Zeit als Thema vor.

„Die soziale Interaktion geht futsch“, sagte die streitbare Sozialwissenschaftlerin. Und: „Das Fachpersonal wird aus den Innenstädten verdrängt.“ Ergo müsse Deutschland in Zukunft nicht nur die Klimakrise durch neue Heizungen und mehr Dämmung an den Fassaden in Griff kriegen, sondern bald auch neue Aufenthaltsorte im Sinne des Gemeinwesens vorhalten. „Die Segregation erhöht sich ganz maßgeblich“, so Allmendingers Analyse. „Das ist schlecht für die Demokratie.“ Begrünte Dachgärten sind deshalb eine dieser beliebten neuen Anforderungen der Stadtplanungsämter. Allmendinger hat als frühere Direktorin des Wissenschaftszentrums in Berlin (WZB) extra Wintergärten anflanschen lassen, bekannte sie, für den produktiven Diskurs. Im Büro finde der ja nicht mehr statt - und zuhause zu ihrer „großen Überraschung“ auch nicht.

Deshalb sollten „Thought places“ geschaffen werden, so Allmendingers neuer Lieblingsbegriff. Also etwa Co-Working-Spaces, nur nicht als private Veranstaltung und zur Miete, sondern öffentlich auf Kosten der Steuerzahler - oder im Endeffekt wohl doch der Mieter in Form von Mieterhöhungen. Geht notfalls auch in günstig, glaubt sie. Durch „mehr Tische an der frischen Luft“, auf denen „man seinen Kaffee abstellen“ kann - oder seinen Laptop. Der „Trend zum Home-Office“ lasse sich nicht mehr zurückdrehen. Entsprechend sollten Bauwirtschaft und Stadtplaner umdenken und anders bauen. Dass das alles Wohnen und Bauen noch teurer macht, ist eine Erkenntnis, die zwar offenkundig alle teilten im Saal und per Akklamation zu erkennen gaben, gleichwohl pragmatisch ausklammern. Die Karawane zieht einfach weiter.

Comedy-Einlagen aus der Sozialwissenschaft

Allmendingers Darbietung wurde endgültig zur Comedy, als sie dann noch den Moderator ablöste und den Experten selbst die wirklich wichtigen Fragen auf dem Podium zu stellen begann. Die „singenden Balkonen“ in Osterholz-Tenever, von denen Christian Jaeger von der Bremer Wohnungsbaugesellschaft Gewoba zu berichten, war so eine Sache, die ihr Wohlwollen fand. Oder Robin Mohrs Erfolge bei den überwiegend idealistischen Projekten des Wohnbunds in Frankfurt am Main. Nach dem Motto: Das Problem ist hinlänglich beschrieben, aber auf die Schnelle lässt sich (angesichts der inflationären Preisentwicklung am Bau, den dem spekulativen Grundstücksmarkt und den erhöhten Kreditzinsen) da nichts machen. Deshalb weiter im Text - die neuen Herausforderungen im sozialen Umfeld erfordern mehr Aufmerksamkeit - und auch neues Geld.

Natürlich hätte auch der Präsident von Haus & Grund brauchbare Ideen für mehr bürgerliches Engagement in Stadtquartieren auf Lager. „Die haben wir im Bauministerium auch vorgelegt“, sagte er und bedauerte zutiefst, dass Ministerin Klara Geywitz die „leider eingespart“ habe - wie viele andere gute Entbürokratisierungs-Vorschläge auch.

Eigeninitiative, Eigenverantwortung, Eigenheim“

Warneckes Dreiklang „Eigeninitiative, Eigenverantwortung, Eigenheim“ kommt halt weder bei der SPD noch den Grünen gut an. Während Sandra Weeser, die Vorsitzende des Bundesausschusses für Wohnungswesen von der FDP, deutlich machte, dass da in der Ampel kein Durchkommen war und es deshalb beim Klein-Klein der Koalition geblieben ist.

Und wie wird die Lage in zehn Jahren aussehen? Die grüne Bundestagsabgeordnete Hanna Steinmüller, die die wahren Probleme „wie die zweite Miete“ (also der Mietnebenkosten) aus ihrem Wahlkreis Berlin-Mitte zu kennen glaubt, hofft, dass „mehr Gemeinnützigkeit als Eigentumsform“ die Probleme langfristig lösen kann. Bis dahin durchhalten und politisch auf Kurs bleiben.

Sandra Weeser, sichtlich ernüchtert von der Realitätsverweigerung, riet hingegen allen Zuhörern nur eins: „Im Prinzip müssen wir bauen!“ Der Bund habe getan, was möglich war. Jetzt sei es Aufgabe der Kommunen, zu handeln.

                                                                            ***

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.


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