Unternehmen

Zwischen Hoffen und Bangen: Die Zukunft der zehn VW-Standorte in Deutschland

VW steht vor großen Herausforderungen. Inmitten einer Zeit des Wandels und der wirtschaftlichen Unsicherheiten denkt der Konzern offen über Werksschließungen nach. Besonders betroffen sind die zehn Produktionsstandorte in Deutschland, an denen Tausende Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze bangen.
29.09.2024 14:40
Lesezeit: 3 min
Zwischen Hoffen und Bangen: Die Zukunft der zehn VW-Standorte in Deutschland
Was die Werkschließungen für die Standorte in Deutschland bedeuten (Foto: dpa). Foto: Hauke-Christian Dittrich

Seit der Corona-Pandemie und der darauffolgenden Chip-Krise hat sich die Lage bei Volkswagen deutlich zugespitzt. Zum ersten Mal seit 30 Jahren könnte es zu betriebsbedingten Kündigungen kommen. Doch wie ist der aktuelle Stand der Werke? Welche Umstrukturierungen gibt es, und wie sind die Standorte für die Zukunft aufgestellt? Ein Überblick über die zehn wichtigsten VW-Werke in Deutschland:

1. Wolfsburg: Das Herzstück des VW-Konzerns

Das Stammwerk in Wolfsburg ist das größte zusammenhängende Automobilwerk der Welt. Auf 6,5 Quadratkilometern arbeiten rund 62.000 Mitarbeiter. Hier werden vor allem Modelle wie der Golf, der Tiguan und der Touran produziert. Trotz seiner Größe und Bedeutung für VW ist das Werk nur zu 50 Prozent ausgelastet. Der geplante Bau eines neuen Werks für Elektrofahrzeuge wurde 2023 gestoppt, was die Unsicherheiten für die Belegschaft verstärkte. Mit einer Jahresproduktion von rund 500.000 Fahrzeugen bleibt Wolfsburg das Aushängeschild des Konzerns, jedoch ohne klare Zukunftsperspektive in der Elektro-Revolution.

2. Hannover: Vom Bulli zum Elektro-Transporter

Hannover ist der traditionsreiche Standort für die Produktion des VW Transporters, auch bekannt als Bulli. Mit 14.700 Mitarbeitern gehört das Werk zu den wichtigen Standorten des Konzerns. Nachdem der Bulli jahrzehntelang das Hauptmodell war, hat die Umstellung auf Elektromobilität auch hier Einzug gehalten. Seit 2022 wird in Hannover der vollelektrische ID. Buzz produziert. Trotzdem wird weiterhin Personal abgebaut, vor allem durch das Nicht-Nachbesetzen freier Stellen. Der Trend zeigt, dass sich das Werk auf die veränderten Marktbedingungen einstellt, dennoch bleibt die Unsicherheit groß.

3. Emden: Der neue Elektro-Hub

Das Werk in Emden hat sich in den letzten Jahren vollständig auf die Elektromobilität umgestellt. Mehr als eine Milliarde Euro wurden investiert, um das Werk zu einem reinen Elektro-Standort umzubauen. Modelle wie der ID.4 und der ID.7 laufen hier vom Band. Mit seinen 8.600 Mitarbeitern ist Emden gut aufgestellt, doch die schwächelnde Nachfrage nach Elektroautos führte bereits zu vorübergehenden Produktionsstopps. Ein Vorbote für weitere Herausforderungen?

4. Kassel (Baunatal): Komponenten für die Zukunft

Das Volkswagenwerk in Kassel, genauer gesagt im benachbarten Baunatal, ist das größte Komponentenwerk des Konzerns. Hier arbeiten 16.800 Menschen an der Herstellung von Getrieben und Abgasanlagen für Verbrennungsmotoren sowie E-Motoren für Elektroautos. Besonders wichtig ist der Standort auch durch das größte Ersatzteillager Europas. Während sich der Automarkt immer weiter Richtung Elektromobilität bewegt, bleibt Kassel ein essenzieller Bestandteil der Wertschöpfungskette des Konzerns.

5. Braunschweig: Tradition trifft Innovation

Das Werk in Braunschweig hat eine lange Geschichte und ist eines der ältesten im Konzern. Mit rund 7.200 Mitarbeitern werden hier Achsen, Lenkungen und Batteriesysteme für Elektrofahrzeuge hergestellt. Das Werk spielt eine Schlüsselrolle in der Transformation zur Elektromobilität, was seine Relevanz für den Konzern in den kommenden Jahren sichern könnte.

6. Salzgitter: Vom Motorenwerk zur Batteriezellfabrik

In Salzgitter entstehen derzeit die größten Bauprojekte des Konzerns. Neben dem bestehenden Motorenwerk wird die erste eigene Batteriezellfabrik von VW errichtet. Ab 2025 sollen hier die Batteriezellen für die Elektroflotte produziert werden. Mit 6.350 Mitarbeitern befindet sich der Standort mitten in einem Transformationsprozess. Salzgitter soll sich vom „Leitwerk Motor“ zum „Leitwerk Zelle“ entwickeln, ein klares Zeichen für die Zukunftsorientierung des Standorts.

7. Osnabrück: Klein, aber traditionsreich

Osnabrück steht für mehr als 100 Jahre Automobiltradition. Mit 2.300 Mitarbeitern werden hier Fahrzeuge für Porsche, wie der Boxster und der Cayman, gefertigt. Obwohl die VW-Produktion hier weniger umfangreich ist, bleibt der Standort ein wichtiger Teil der VW-Familie. Die Zukunft könnte jedoch herausfordernd werden, da 2025 das letzte VW-Cabrio, der offene T-Roc, auslaufen wird.

8. Zwickau: Die Speerspitze der E-Mobilität

Zwickau hat sich zu einem Leitwerk für die Elektromobilität im VW-Konzern entwickelt. Mit einer Investition von 1,2 Milliarden Euro wurde das Werk komplett auf die Produktion von Elektrofahrzeugen umgestellt. Rund 9.500 Mitarbeiter arbeiten hier an Modellen wie dem ID.3 und dem ID.4. Dennoch spürt der Standort die schwache Nachfrage nach E-Autos. Die Streichung von Schichten und das Nicht-Verlängern befristeter Verträge sind erste Anzeichen für die Herausforderungen, die vor Zwickau liegen.

9. Chemnitz: Ein Standort im Wandel

In Chemnitz begann die Zusammenarbeit mit Volkswagen bereits vor der Wiedervereinigung, als hier Viertaktmotoren für DDR-Modelle hergestellt wurden. Heute ist das Werk vollständig auf die Produktion von Benzinmotoren ausgerichtet. Mit 1.800 Mitarbeitern produzierte Chemnitz im vergangenen Jahr 690.000 Motoren, doch die Abhängigkeit vom Verbrenner könnte den Standort in der Zukunft vor Probleme stellen.

10. Dresden: Die gläserne Manufaktur

Die „Gläserne Manufaktur“ in Dresden ist das jüngste und kleinste Werk im VW-Konzern. Ursprünglich als Prestigeprojekt für den Oberklasse-Phaeton gedacht, wird hier seit 2021 der ID.3 in geringen Stückzahlen montiert. Mit nur 340 Mitarbeitern steht Dresden vor einer ungewissen Zukunft. VW überlegt, die Fahrzeugproduktion ganz einzustellen und die Manufaktur zu einem Auslieferungszentrum umzuwandeln.

Fazit: Eine ungewisse Zukunft

Die zehn VW-Standorte in Deutschland stehen vor einem großen Wandel. Die Elektromobilität und die Herausforderungen auf dem globalen Markt führen zu Unsicherheiten und Umstrukturierungen. Während einige Werke, wie Salzgitter und Zwickau, gut für die Zukunft gerüstet scheinen, kämpfen andere, wie Wolfsburg und Dresden, um ihre Bedeutung im Konzern. Eines ist klar: VW steht vor einer Phase des Wandels, die auch den deutschen Standorten einiges abverlangen wird. Die nächsten Jahre werden zeigen, welche Werke gestärkt aus der Krise hervorgehen und welche möglicherweise ihre Tore schließen müssen.

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Berkshire Hathaway-Aktie: Warren Buffetts Abgang belastet – wie viel Substanz bleibt?
22.06.2025

Berkshire Hathaway verliert nach Buffetts Rückzug an Kurswert. Die Aktie steht unter Druck – und der Markt stellt die Zukunft des...

DWN
Technologie
Technologie Lebensmittel aus dem 3D-Drucker: Revolution am Esstisch und in der Lebensmittelproduktion?
22.06.2025

Gedrucktes Essen statt Herd und Pfanne? Der 3D-Lebensmitteldruck wächst rasant – zwischen nachhaltiger Vision, Gastronomietrend und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Die Deutschen und ihr Bargeld: Wie sich das Bezahlverhalten entwickelt
22.06.2025

Obwohl die Deutschen nach eigenen Aussagen ihr Bargeld lieben, gewinnt das bargeldlose Bezahlen auch hierzulande an Bedeutung. Das...

DWN
Technologie
Technologie Schwedische Innovation soll Wasserkrise in der Ukraine lösen
21.06.2025

Während Europa über Hilfspakete debattiert, liefern schwedische Firmen sauberes Wasser in eine vom Krieg verwüstete Region. Ist Hightech...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Afrikas Migrationspotenzial: Die globale Ordnung steht vor einer tektonischen Verschiebung
21.06.2025

Afrikas Bevölkerung wächst, während der Westen altert. Millionen gut ausgebildeter Migranten verändern schon heute globale...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschlands stille Stärke: Wie Rechtsstaat und Verwaltung zum unterschätzten Standortvorteil werden
21.06.2025

Als Max Weber 1922 mit seiner Bürokratie-Theorie die Basis für die deutsche Verwaltung legte, galt sie weltweit als innovatives Vorbild....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Rückschlag für Elektroautos – kommt das Ende wie vor 100 Jahren?
21.06.2025

Vor 100 Jahren verschwanden Elektroautos wegen politischer Entscheidungen von den Straßen. Heute wiederholt sich die Geschichte: Donald...

DWN
Politik
Politik Wie der Westen seine Werte in der Wüste verrät: Big Tech versteckt die Probleme unter glänzenden Fassaden
21.06.2025

Big Tech hofiert autoritäre Regime vom Golf – im Tausch gegen Milliarden, Macht und Rechenzentren. Doch hinter der glitzernden Fassade...