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Markentreue im Wandel: Welche Automarken ihre Kunden halten können

Der deutsche Automobilmarkt steht vor einer grundlegenden Transformation. Während in den vergangenen Jahren stetig mehr Fahrzeuge zugelassen wurden und der Pkw-Bestand auf 48 Millionen Einheiten anwuchs, zeigt sich seit 2022 erstmals eine Stagnation. Neue Kundengewinnung erfolgt fast ausschließlich durch den Wettbewerb, während die Bindung bestehender Käufer von zentraler Bedeutung ist.
02.10.2024 11:00
Aktualisiert: 03.10.2024 09:50
Lesezeit: 4 min
Markentreue im Wandel: Welche Automarken ihre Kunden halten können
Die rumänische Marke Dacia überzeugt mit über 80% loyaler Kunden (Foto: dpa). Foto: Ian Langsdon

Der Absatzmarkt ist gesättigt, und für Automobilhersteller wird es zunehmend schwieriger, zu wachsen. Gleichzeitig steht die Branche vor enormen Herausforderungen: Der Umstieg auf Elektromobilität, neue Marktteilnehmer, strengere Emissionsvorgaben und sich ändernde Mobilitätskonzepte zwingen die Hersteller, ihre Strategien anzupassen und Innovationen voranzutreiben, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Wechselbereitschaft unter den Autofahrern nimmt zu und wird durch den Umstieg auf die Elektromobilität noch verschärft. Mittlerweile wechselt jeder zweite Kunde bei Autokauf die Marke. Das wird zur Herausforderung für die Automobilbauer.

Dacia als Spitzenreiter: Warum der rumänische Hersteller seine Kunden überzeugt

Wie sieht es daher mit der aktuellen Markentreue der deutschen Autokäufer aus? Eines steht fest, die Wechselbereitschaft ist so hoch wie nie, die durchschnittliche Kundentreue sank um 10 Prozent. An erster Stelle stand 2023 der rumänische Autobauer Dacia. Über 80 Prozent der Dacia-Fahrer entscheiden sich beim Kauf eines neues Autos wieder für die gleiche Marke. Was die Käufer zu überzeugen scheint, ist ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und die Robustheit und Zuverlässigkeit dieser Modelle. Außerdem ist die Produktpalette des Anbieters in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen, so dass verschiedene Zielgruppen angesprochen werden können. Durch die Nutzung bewährter Technologien und Plattformen des Mutterkonzerns Renault kann Dacia günstig produzieren und seine Modelle zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten. Die "No-frills"-Strategie des Anbieters scheint aufzugehen, sie zeichnet sich durch einfache, aber zuverlässige Fahrzeuge aus. Sie sind für Kunden attraktiv, welche auf unnötigen Luxus verzichten wollen und stattdessen praktische, kostengünstige Mobilität suchen.

Erst dann folgt mit 68,5 Prozent auf Platz zwei Mercedes und auf Platz drei mit rund 65 Prozent Mazda. Am schlechtesten schnitt mit 21,8 Prozent im vergangenen Jahr Fiat ab. Doch je nach Betrachtung der Daten von Dataforce kann auch ein anderes Bild gezeichnet werden. Denn während die oben genannten Platzierungen sich auf die relative Betrachtung (relativ zu den früheren bzw. aktuellen Neuzulassungen der Marke) der Loyalität. Hingegen betrachtet man die absolute Loyalität (wie viele Käufer*innen wurden insgesamt gehalten, respektive gewonnen), dann liegen ganz klar die Stuttgarter Mercedesbauer mit 9.340 gegenüber Dacia mit 2.327 loyalen Käufern ganz klar vorne. Hinzugewinnen konnte Dacia Käufer (10 Prozent), die zuvor VW oder Renault (9 Prozent) gefahren sind. Mercedes zog ehemalige Käufer (9 Prozent) aus dem VW-Konzern ab. Der drittplatzierte Mazda hat es in den letzten 12 Jahren geschafft, seine Kundentreue um 26 Prozentpunkte zu steigern. Besonders der Mazda CX-5 hat seine folgsame Anhängerschaft.

Große Marken wie Audi oder BMW haben ein anderes Problem. Hier wechseln die Käufer gerne mal zwischen den Konzernmarken. Wichtig ist, die Kunden überhaupt im Konzern zu behalten und Käufer von anderen Marken hinzuzugewinnen. Audi gelingt das gut, vor allem mit dem e-tron-Modellen. 55 Prozent der Kundschaft kommt von der Konkurrenz, unter anderem 14 Prozent von BMW oder Mercedes. Dafür hat der Autobauer auch einiges getan. Seit Anfang 2023 haben Audi-Kunden europaweit Zugang zu mehr als 400.000 öffentlichen Ladepunkten sowie zum Schnellladenetzwerk IONITY. Auch in China und den USA arbeitet Audi mit Partnerunternehmen am Ausbau der Ladeinfrastruktur. Zusätzlich etabliert Audi mit den Audi Charging Hubs moderne Schnellladestationen mit einem optional angeschlossenen Loungebereich. Damit wollen die Ingolstädter Akzente für ein Premiumladeerlebnis setzen. Das Fahrzeug ist beliebt. In Norwegen war es 2020 der meistverkaufte Pkw. In den USA wurde der Audi e-tron mit dem „Best car to buy“ ausgezeichnet. Ein Autokauf ist heutzutage weit mehr als es noch vor 30 oder 40 Jahren war. Es ist nicht mehr der einfache Gang ins Autohaus, um ein Fahrzeug Probe zu fahren und letztendlich die Kaufentscheidung zu treffen. Durch das Internet beginnen die meisten Käufer heutzutage mit einer eigenen Suchrecherche. Sie lesen Bewertungen und vergleichen Modelle. Online-Optionen wie Angebote werden unter die Lupe genommen, zudem reale Probefahrten gemacht. Es ist ein Mix der Informationskanäle.

Neue Strategien der Automobilhersteller: So soll die Markentreue gesteigert werden

Die Autobauer reagieren auf die veränderten Ansprüche ihrer Kunden, vor allem, um die jüngeren Zielgruppen besser abzuholen, denen viele auch andere Themen wie Umwelt- und Klimaschutz wichtig sind. Innovative Marketingkampagnen zeigen zum Beispiel Seat oder Mercedes. Ersterer nutzt Riesenposter, die zugleich aus einem innovativen Material bestehen, um die Luft zu reinigen, um darauf ihre Werbebotschaften zu drucken. In Verbindung mit dem Begriff „urbanmoves“ präsentiert sich Seat auf diesen Flächen als klimafreundlicher Autobauer. Zudem bot die Marke Livestream Events auf YouTube an, bei denen Fans die Möglichkeit hatten, den Markenbotschafter und bekannten deutschen Musiker sowie Produzenten (Mike Foster) im Live Chat oder digital zu treffen.

Mercedes ging bereits 2017 neue Wege und ließ bei der „Grow up“-Kampagne großflächige Häuserwände mit den Motiven der Kampagne bemalen. Im Mittelpunkt der Kampagne standen Personen, die zwischen Erwachsenwerden und Spießigkeit das einzigartige Lebensgefühl der neuen Kompaktwagen verkörpern. Um noch einmal auf Audi zurückzukommen, auch sie versuchen der jüngeren Zielgruppe näher zu kommen. Instagram Nutzer können über die App den eigenen e-tron basteln, doch auch mittels Bastelbögen „Bau deinen Audi“ können Interessenten das eigene Fahrzeug nachbauen.

Der Weg in die Innenstadt der Luxusmarken

Um den Bedürfnissen der Kunden weiterhin gerecht zu werden und näher an sie heranzukommen ist auch ein Trend der City-Stores bzw. der Pop-up-Formate immer mehr zu beobachten. Innenstadtformate ergänzen mehr und mehr die klassische Autohäuser im Industriegebiet. Besonders Luxusmarken ziehen in die Innenstädte. Hier wird mit Lounges, Cafés und privaten Beratungsräumen versucht den zahlungswilligen Kunden eine Wohlfühlatmosphäre anzubieten, um ein möglichst exklusives Kundenerlebnis zu schaffen. Auch nach dem Kauf soll die Kundenbindung stärker gepflegt werden: Leistungen wie Home Check-ins, SmartVideo Communication, Hol- und Bringservices, mobile Serviceteams oder Drop-Off-Stationen halten den Kontakt zum Käufer aufrecht. Anfang 2023 launchte BMW und Mini in Südflorida das neue Showroom-Konzept mit der Bezeichnung „Retail Next“. Auch in Deutschland hielt es gegen Ende des Jahres in Südbayern Einzug. Im Mittelpunkt steht noch mehr das Kauf- und Beratungserlebnis. Bis 2028 soll „Retail Next“ auch in bestehenden Betrieben alle bisherigen Konzepte „Future Retail“ von 2017 ablösen. Im neuen Konzept ist auch ein stärkerer Online-Vertrieb vorgesehen. BMW will ab 2025 jedes vierte Fahrzeug über das Internet verkaufen.

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Sofia Delgado

                                                                            ***

Sofia Delgado ist freie Journalistin und arbeitet seit 2021 in Stuttgart, nachdem sie viereinhalb Jahre lang in Peking gelebt hat. Sie widmet sich gesellschaftskritischen Themen und schreibt für verschiedene Auftraggeber. Persönlich priorisiert sie die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit, als dringendste Herausforderung für die Menschheit.

 

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