Heute tagen die Verkehrsminister in Duisburg zum zweiten Tag in Folge. Sie haben einiges zu besprechen. Denn die Probleme der deutschen Infrastruktur werden immer deutlicher - wie nicht nur die im September eingestürzte Carolabrücke in Dresden zeigt.
Wie schlimm es um die Verkehrswege bestellt ist, hat das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) untersucht - mit erschreckenden Erkenntnissen:
- Unternehmen haben Schwierigkeiten wegen der schlechten Infrastruktur: Acht von zehn Betrieben sehen sich nach einer Umfrage des IW aus dem vorletzten Jahr durch Infrastrukturprobleme in ihren Geschäften regelmäßig beeinträchtigt. 2013 waren es nur etwa sechs von zehn.
- Die Inflation schluckt die Investitionen: Zwar nimmt der Bund Geld in die Hand, um die Verkehrswege zu verbessern. Doch das Geld wird weniger wert. Selbst wenn die absoluten Zahlen im Vergleich zu 2015 um fast 70 Prozent gestiegen sind: Die Inflation der vergangenen Jahre hat alles wieder aufgefressen. Und der Investitionsbedarf wächst weiter.
- Dabei werden die Verkehrswege immer stärker beansprucht: 2022 war knapp 39 Prozent mehr Verkehr auf deutschen Straßen unterwegs als noch zwei Jahrzehnte zuvor. Noch größer ist der Sprung beim Schienenverkehr: Gegenüber dem Jahr 1992 stieg die Verkehrsleistung um mehr als 75 Prozent.
- Neue Schienen brauchen lange: Fast 23 Jahre dauert es im Schnitt vom Beginn der Vorplanung eines neuen Schienenwegs, bis der erste Zug über die Gleise rollt. Mehr Mittel allein sind nicht die Lösung. Das Geld muss auch genutzt werden, doch vor der Verwendung steht der lange Planungs- und Genehmigungsprozess. Die Verkehrsminister müssen laut IW unnötige Bürokratie kappen.
- Die Straßen verfallen: Bei den Bundesstraßen fielen bei einer amtlichen Untersuchung im Jahr 2019 etwa 21 Prozent der Straßen durch, bei den Autobahnen 2018 knapp elf Prozent. Den schlechtesten Zustand haben die Kommunalstraßen. Beispielsweise bekamen 36,4 Prozent der Landesstraßen in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2019 die Note 4,5 oder schlechter. In Rheinland-Pfalz waren es drei Jahre später 37 Prozent. Je niedriger die Ebene, desto schlechter die Straßen.
- Allein bis 2030 herrscht nach IW-Berechnungen ein Investitionsbedarf in die Verkehrsinfrastruktur von mehr als 100 Milliarden Euro jährlich. Besonders bei den Kommunen ist der Bedarf groß, sie brauchen Jahr für Jahr eigentlich über 60 Milliarden Euro.
Länder fordern Infrastrukturfonds
Die Länder machen Druck auf den Bund, rasch einen milliardenschweren Infrastrukturfonds zur Finanzierung der in die Jahre gekommenen Verkehrsinfrastruktur in Deutschland aufzulegen. „Nach dem Einsturz der Carolabrücke in Dresden kann es kein Weiter so geben”, sagte der NRW-Verkehrsminister und aktuelle VMK-Vorsitzende Oliver Krischer (Grüne). „Um weitere Schäden zu vermeiden, brauchen wir einen Strategiewechsel bei der Sanierung unserer Verkehrsinfrastruktur.” Wenn nicht jetzt massiv, längerfristig und planbar investiert werde, drohten weitere Verschlechterungen auf Kosten der nächsten Generation und des Standorts Deutschland. „Deshalb brauchen wir einen Infrastrukturfonds, und zwar noch vor der Bundestagswahl.”
Auch Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) betonte, es müsse alsbald eine Lösung her. Ein Infrastrukturfonds, also eine unabhängig vom jährlichen Haushalt planbare und verlässliche Finanzierung, sei der Schlüssel für eine zukunftsfeste Finanzierung. Auf der anstehenden Verkehrsministerkonferenz könne auf der Grundlage des Papiers des Vorsitzlandes Nordrhein-Westfalen ein Grundsatzbeschluss gefasst werden. „Das ständige Vor und Zurück bei der Verkehrsfinanzierung in Deutschland zeigt, dass wir bessere, tragfähigere Instrumente brauchen”, sagte Hermann. Die Schienen seen kaputtgespart, bei den Brücken räche sich jeder Tag, an dem nicht entschlossen gehandelt wird.
Wie soll der Fonds finanziert werden?
Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wissing hätten sich beide zu der Idee eines Fonds bekannt und diesen auch gefordert, sagte Krischer. Aber bisher sei nichts geschehen. Der Investitionsfonds für die Verkehrsinfrastruktur soll laut NRW-Beschlussvorschlag als Sondervermögen des Bundes über ein entsprechendes Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates aufgelegt werden. Zur Finanzierung vor allem der Schieneninfrastruktur sollten laut Beschlussvorlage verstärkt auch Mittel aus der CO2-Bepreisung im Verkehr eingesetzt werden. Empfohlen wird ebenfalls die Prüfung, ob und wie privates Kapital zur Finanzierung des Fonds aktiviert werden kann. Aus Sicht der Verkehrsministerkonferenz müsse es das gemeinsame Ziel sein, den politischen Entscheidungsträgern in der kommenden Legislaturperiode „ein ausgewogenes und zukunftsfestes Fondsmodell zur Beschlussfassung vorlegen zu können”, heißt es in der Vorlage.
Werden die aktuellen Pläne reichen? „Die Investitionen des Bundes in die Infrastruktur haben sich in den vergangenen Jahren ebenso beachtlich wie unzureichend entwickelt“, sagt Verkehrsexperte Thomas Puls vom IW. Der angedachte Verkehrsinfrastrukturfonds sei eine gute Idee. Infrastrukturprojekte bräuchten Planungssicherheit, mit dem Fonds ließen sich mehrjährige Finanzierungszusagen treffen.