Für Deutschland sei das kein guter Tag, sagt Michael Hüther, Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft. In unruhigen und volatilen Zeiten bräuchten die Unternehmen vor allem Verlässlichkeit. „Sie ist staatspolitischer Auftrag einer jeden Regierung. Die Ampel ist diesem Anspruch schon lange nicht mehr gerecht geworden, ihr Aus ist folgerichtig“, sagt Hüther. Was Deutschland bis zum Jahresende brauche, seien Instrumente, die die Wirtschaft kurzfristig stabilisierten. Hüther begrüßt die aktuellen Vorschläge des Noch-Bundeskanzlers Olaf Scholz, die dieser gestern in seiner Rede zum Ampel-Aus nannte, darunter die überfällige Reform der Netzentgelte, eine Verbesserung der Abschreibungsmöglichkeiten auf Investitionen und ein Paket für die angeschlagene Autoindustrie. Diese seien richtig.
IW-Direktor Hüther: Ukraine-Hilfe rechtfertigt Lockerung der Schuldenkrise
„Allerdings hat der gestrige Tag mit der Wiederwahl von Donald Trump die sicherheitspolitischen Dringlichkeiten noch erhöht“, führt Hüther weiter aus. Deutschland müsse mehr für die Ukraine und die eigene Verteidigungsfähigkeit tun. Dafür müsse das Bundeswehr-Sondervermögen noch in dieser Legislaturperiode deutlich – etwa auf 300 Milliarden Euro – aufgestockt werden, schon weil zu befürchten sei, dass im nächsten Deutschen Bundestag eine Sperrminorität populistischer Parteien bestehen könne. „Dann wäre Deutschland sicherheitspolitisch handlungsunfähig. Die Ukrainehilfe jetzt angesichts der Wiederwahl von Donald Trump deutlich aufzustocken – um 20 Milliarden Euro – rechtfertigt allemal, wie es die Bundesregierung selbst vorgesehen hatte, die Notlagenklausel der Schuldenbremse zu ziehen. Man kann nicht fordern, die sicherheitspolitischen Herausforderungen anzunehmen, ohne die fiskalischen Voraussetzungen dafür zu schaffen.“ Es bleibe zu hoffen, dass sich die verbleibenden Teile der Ampel und die Opposition bis zu den Neuwahlen ihrer Verantwortung gerecht werden und die Handlungserfordernisse erkennen. „Das Land steht im Vordergrund“, sagt Hüther.
BDI-Präsident Russwurm: „Wir brauchen eine neue, handlungsfähige Regierung“
„Die Regierungsparteien sind in den vergangenen Monaten ihrer gemeinsamen Verantwortung für die Sicherung der Zukunft des Landes immer weniger gerecht geworden. Das Ende der Koalition ist ein konsequentes Ergebnis dieser Entwicklung“, sagt Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Angesichts der weltpolitischen Lage und der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung des Standorts Deutschland bräuchen wir jetzt so schnell wie möglich eine neue, handlungsfähige Regierung mit eigener parlamentarischer Mehrheit. Anhaltende Unsicherheit, wer Deutschland mit welchem Programm regiere, schade dem Land und dem Wirtschaftsstandort. „Stabilität, Planungssicherheit und entschiedenes gemeinsames Handeln für einen wettbewerbs- und zukunftsfähigen Standort sind jetzt dringend nötig“, sagt Russwurm. Die schwierige wirtschaftliche Lage, die Transformationsaufgaben und die geopolitisch instabile Situation forderten die Wirtschaft derzeit ohnehin schon besonders heraus. Mit dem Antritt der neuen US-Regierung Anfang 2025 werde sich die Unsicherheit voraussichtlich erhöhen. Russwurm weiter: „Die politischen Akteure der demokratischen Mitte sind jetzt gefordert, staatspolitisch verantwortlich zu handeln, um schnell für stabile Verhältnisse zu sorgen. Eine künftige Bundesregierung muss sich vorrangig darum kümmern, den Wirtschaftsstandort Deutschland wieder in die Erfolgsspur zu führen. Wir brauchen dafür eine Regierung, die geeint eine entschlossene Wachstumspolitik aufsetzt.“
DIHK-Präsident Adrian: „Wir brauchen Vertrauen in wirtschaftspolitischen Kurs“
“Die Unsicherheiten für die Unternehmen sind mit dem Bruch der Regierungskoalition noch größer geworden“ klagt der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer Peter Adrian. „Nichts braucht unsere Wirtschaft derzeit mehr als das Vertrauen in einen wirtschaftspolitischen Kurs, der die Bedingungen für Investitionen und Wachstum endlich wieder verbessert. Wir hoffen deshalb auf eine kurze Übergangsphase“, sagt Adrian. Denn in Zeiten vielfacher Herausforderungen in Deutschland, Europa und der Welt könne nur eine handlungsfähige Regierung mit einer Mehrheit im Parlament die erforderlichen Entscheidungen treffen. Adrian: „Jetzt zählt der Blick nach vorne. Dabei muss die Stabilisierung unserer Wirtschaft ganz oben auf der Prioritätenliste stehen: Energiekosten runter, Steuern investitionsfreundlich gestalten, Auflagen und vielfältige Berichtspflichten müssen gestrichen, Planungs- und Genehmigungsverfahren schnell vereinfacht werden. Ohne eine Erholung unserer schwer in die Krise geratenen Wirtschaft wird vieles nichts.“ Denn nur mit Wachstum könnten wir dauerhaft entsprechende Staatsausgaben finanzieren. Das gelte für die innere und äußere Sicherheit ebenso wie für unsere Sozialsysteme sowie einen ambitionierten Klimaschutz.