Viele deutsche Mittelständler haben die US-Wahl eng verfolgt, auch weil sie dort bereits produzieren oder planen, ihre Produktion nach Amerika zu verlegen. Der Standort USA dürfte nach der Wahl Donald Trumps attraktiver werden, sagt auch ZEW-Ökonom Achim Wambach. Wie deutsche Firmen vor Ort davon profitieren könnten.
Mittelstand: Immer mehr deutsche Firmen produzieren in den USA
In wenigen Wochen werden in Alabama die ersten Backöfen des Premium-Hausgeräteherstellers Miele vom Band laufen – anderthalb Jahre nachdem das Gütersloher Familienunternehmen die Entscheidung für einen US-Standort gefällt hatte. Insgesamt 150 Beschäftigte sollen dort bis Ende 2025 arbeiten. Der Kettensägenhersteller Stihl ist bereits seit 50 Jahren in Nordamerika aktiv – mit eigener Produktion nur wenige Jahre später. Auch der Laserspezialist Trumpf fertigt seit Langem in den USA.
Miele, Stihl, Trumpf: Mit einem Umsatz von etwa fünf Milliarden Euro gehören sie alle zu den großen deutschen Familienunternehmen mit Produktionsstätten in den Vereinigten Staaten. Zuletzt wagten sich nun auch kleinere Familienunternehmen in die USA, um eigene Produktionen dort aufzubauen.
Nach US-Wahl: Zukunftsgeschäft Amerika
Viele deutsche Mittelständler sind mit der Globalisierung jahrzehntelang gut gewachsen: Sie exportierten ihre Maschinen, Anlagen, Präzisionswerkzeuge oder Haushaltsgeräte made in Germany. Inzwischen planen sie häufiger, in den USA auch zu produzieren. 40 Prozent der von der deutsch-amerikanischen Handelskammer im Februar 2024 befragten Unternehmen haben eine Produktionsstätte in den USA; weitere zwölf Prozent planen, eine solche in den nächsten drei Jahren zu errichten. Seit den US-Wahlen am 6. November wohl erst recht.
Trump: „Ich will, dass sie ihre Fabriken hier bauen.“
Bereits im Wahlkampf sprach Donald Trump davon, auch deutsche Autobauer mit Steuerversprechen in die USA locken: „Ich will, dass deutsche Autokonzerne zu amerikanischen Autokonzernen werden“, sagte er bei einem Wahlkampfauftritt im Bundesstaat Georgia. „Ich will, dass sie ihre Fabriken hier bauen.“
Die Konzerne sollen etwa in Sonderwirtschaftszonen „die niedrigsten Steuern, die niedrigsten Energiekosten, die geringste Regulierungslast und freien Zugang zum besten und größten Markt der Welt“ bekommen. Allerdings unter der Voraussetzung, dass sie in den USA produzierten und US-Amerikaner anstellten. Entschieden sich Unternehmen dagegen, sollen diese nach Trumps Willen hohe Einfuhrzölle bezahlen. Ein Industrie-Botschafter solle ausländische Unternehmen in aller Welt davon überzeugen, in die USA umzusiedeln.
Chancen und Risiken unter Trump
Sorgen macht dem Präsidenten des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) die Wahl Trumps. Der designierte US-Präsident hat neue Zölle von 10 bis 20 Prozent auf Importe aus Europa angekündigt. Für Waren aus China sprach Trump sogar von 60 Prozent, Europa wäre also im Vorteil. Gleichwohl würden deutsche Exporte durch die Zölle in den USA, ihrem wichtigsten Absatzmarkt, teurer. Ökonomen fürchten einen Handelskrieg zwischen EU und USA. Das träfe wichtige deutsche Industriebranchen, sagt Wambach. „Die Chemie- und Pharmabranche sowie der Maschinenbau exportieren stark in die USA.“
Für deutsche Konzerne, die bereits in den USA produzierten, ergäben sich aber Chancen. „Trump wird wahrscheinlich nicht nur Zölle erhöhen, sondern auch die Unternehmenssteuern senken. Für manche deutsche Firmen vor Ort ist die Wahl von Trump eine Good News.“ Schon im vergangenen Jahr haben Unternehmen, etwa aus der Pharma- und Chemieindustrie, verstärkt in den USA investiert, angelockt von niedrigen Energiepreisen und einem milliardenschweren Subventionsprogramm. Und deutsche Autobauer haben seit Jahren große Werke in den Vereinigten Staaten.
Noch mehr Druck auf Standort Deutschland
Die Wahl von Trump dürfte den Standort USA noch attraktiver machen, meint Wambach. „Unternehmen werden darauf reagieren und noch stärker vor Ort produzieren.“ Für die Bundesrepublik seien das schlechte Nachrichten. „Der Standort Deutschland läuft Gefahr, Produktion und Forschung und damit Patente noch stärker an die USA zu verlieren. Das ist ein großes Problem für die Arbeitsplätze hierzulande.“
Deutschland brauche daher umso mehr Reformen, zum Beispiel Bürokratieabbau. Auch die EU müsse „selbst auferlegte Fesseln ablegen“, mahnt Wambach mit Blick auf komplexe Regelwerke wie das EU-Lieferkettengesetz und Datenschutzgrundverordnung.
In Sachen Wirtschaftsreformen in Deutschland erwartet Wambach allerdings politischen Stillstand. Zwar gebe es einige Vorschläge wie Hilfen für die Autoindustrie und eine Reform der Netzentgelte. „Dafür müssten Bundesregierung und Opposition aber zusammenarbeiten und ein Gesamtkonzept erarbeiten. Es ist schwer vorstellbar, dass ausgerechnet jetzt der gordische Knoten platzt.“
Image des Wirtschaftsstandortes Deutschland bröckelt
Der Wirtschaftsstandort Deutschland hat weltweit an Anziehungskraft eingebüßt. Das ist das Ergebnis einer Befragung internationaler Unternehmen durch die deutschen Auslandshandelskammern (AHKs) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Danach hat sich Deutschlands internationales Image als Top-Wirtschaftsstandort in den vergangenen fünf Jahren deutlich eingetrübt.
Die deutschen Unternehmen in den USA haben insgesamt 318.000 Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe geschaffen. Über ein Drittel der Beschäftigten deutscher Tochterunternehmen arbeiten im Industriebereich. Besonders stark vertreten sind die Sektoren Automobil/ Transport, Chemie, Elektronik und Maschinenbau.
„Die Ampel-Koalition war kaum noch handlungsfähig und die politische Unsicherheit in Deutschland ohnehin sehr hoch. Mit Neuwahlen besteht die Chance auf einen Befreiungsschlag“, meint ZEW-Ökonom Wambach.