Politik

Scholz telefoniert erstmals seit zwei Jahren mit Putin und fordert Abzug aus Ukraine

Seit Monaten signalisiert Kanzler Scholz, dass er grundsätzlich zu einem Telefonat mit Kremlchef Putin bereit sei. Man müsse nur den richtigen Zeitpunkt finden. Jetzt ist er da.
15.11.2024 16:06
Lesezeit: 3 min
Scholz telefoniert erstmals seit zwei Jahren mit Putin und fordert Abzug aus Ukraine
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Telefon: Erstes Gespräch mit Putin nach zwei Jahren - gestern war es endlich so weit! (Foto: dpa) Foto: Steffen Kugler/Bundesregierung

Nach fast zwei Jahren Funkstille hat Bundeskanzler Olaf Scholz wieder mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert. Das Gespräch habe eine Stunde gedauert, hieß es. Scholz hat Russlands Präsidenten Wladimir Putin in dem Telefonat zum Abzug seiner Truppen aus der Ukraine aufgefordert. "Der Bundeskanzler drängte auf eine Bereitschaft Russlands zu Verhandlungen mit der Ukraine mit dem Ziel eines gerechten und dauerhaften Friedens", teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit mit. Scholz habe auch die unverbrüchliche Entschlossenheit Deutschlands bekräftigt, die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen die russische Aggression so lange wie nötig zu unterstützen.

Zuletzt hatten Scholz und Putin am 2. Dezember 2022 eine Stunde lang telefoniert. Der Kanzler bemüht sich aktuell um eine zweite Ukraine-Friedenskonferenz nach einem Gipfel in der Schweiz im vergangenen Sommer, an dem dann auch Russland teilnehmen könnte. Bisher ist dafür aber kein Termin in Sicht.

Der Westen hat wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine, der im Februar 2022 begann, die Gesprächskanäle nach Moskau weitgehend stillgelegt.

Letzte persönliche Begegnung kurz vor der Invasion

Zum letzten Mal hatte Scholz Putin gut eine Woche vor dem russischen Angriff auf die Ukraine bei seinem Antrittsbesuch in Moskau persönlich getroffen. Wegen Corona saßen beide im Kreml an einem riesigen ovalen Tisch meterweit voneinander entfernt. Nach der Invasion gab es noch einzelne Telefonate, die dann aber abbrachen. Das hatte vor allem mit der russischen Kriegführung in der Ukraine und fehlender Aussicht auf konkrete Ergebnisse zu tun.

Scholz: "Ich mache das nicht im Alleingang"

Scholz hatte in den vergangenen Monaten immer wieder gesagt, dass er zu einem Gespräch mit Putin bereit sei. Er wolle nur den richtigen Zeitpunkt finden. In der ARD erklärte der Kanzler am Sonntag, dass dieser Zeitpunkt «demnächst» gekommen sein könnte. "Ja, ich habe mir vorgenommen, mit dem russischen Präsidenten zur richtigen Zeit zu sprechen. Aber ich bin ein verantwortlicher Politiker, ich mache das nicht im Alleingang." Ein Gespräch mit Putin setze viele Kontakte und Gespräche mit sehr vielen anderen voraus.

G20-Gipfel dürfte Anlass des Gesprächs sein

Der Zeitpunkt des Gesprächs dürfte mit dem bevorstehenden G20-Gipfel im brasilianischen Rio de Janeiro zusammenhängen, zu dem Scholz am Sonntag aufbricht. Dort wird auch der russischen Außenminister Sergej Lawrow erwartet.

Putin selbst hatte am 18. Oktober seine Teilnahme am Gipfel abgesagt, um nicht «die normale Arbeit des Forums zu stören», das andere Themen habe. Gegen Putin liegt ein internationaler Haftbefehl des Weltstrafgerichts in Den Haag vor wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine. Er würde in Brasilien eine Festnahme riskieren.

Die G20 der führenden Wirtschaftsmächte aller Kontinente ist das einzige Gesprächsformat, in dem Russland und die Nato-Staaten noch hochrangig an einem Tisch sitzen. Scholz plant dort kein Gespräch mit Lawrow. Nach Angaben aus seinem Umfeld wird er aber mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping über den Ukraine-Krieg sprechen, der als wichtigster Verbündeter Putins gilt.

Scholz telefonierte vorher auch mit Selenskyj

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist nicht zum G20-Gipfel eingeladen. Scholz telefonierte am Mittwochabend mit ihm, um über die militärische und humanitäre Lage in der Ukraine zu sprechen. Gut möglich, dass der Kanzler Selenskyj in dem Gespräch auf das Telefonat mit Putin vorbereitet hat.

"Der Bundeskanzler bekräftigte die anhaltende und unverbrüchliche Solidarität mit der Ukraine angesichts der seit nunmehr fast 1.000 Tagen anhaltenden Aggression Russlands", teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit anschließend mit. "Er versicherte, dass Deutschland die Unterstützung für die Ukraine auch im militärischen Bereich in enger Abstimmung mit europäischen und internationalen Partnern fortführen werde."

Kurz zuvor hatte Scholz aber im Bundestag bekräftigt, dass Deutschland die von der Ukraine gewünschten Marschflugkörper Taurus mit einer Reichweite von 500 Kilometern nicht an die Ukraine liefern werde.

Kreml sieht Nervosität im Westen nach Trumps Sieg

Russland hatte nach dem Sieg von Donald Trump bei der US-Präsidentenwahl erneut grundsätzliche Bereitschaft zum Dialog über die Ukraine signalisiert - auch mit Scholz. Moskau sieht im Westen Nervosität mit Blick auf die Ukraine. Es sei voreilig, nun über Veränderungen der Positionen bei den Europäern zu sprechen, hieß es. "Aber es gibt offizielle Erklärungen von europäischen Vertretern, die von der Fortsetzung ihrer allgemeinen Linie sprechen, alle Arten von Unterstützung zu leisten. Und auf Russisch heißt das, Waffen in die Ukraine zu pumpen, um diesen Krieg bis zum Ende fortzusetzen", sagte Peskow.

Trump hatte im Wahlkampf angekündigt, er werde den Ukraine-Krieg binnen kürzester Zeit durch einen Deal mit Russland beenden. Details nannte er nicht. Putin gratulierte Trump vorige Woche zum Wahlsieg und zeigte sich nach außen hin offen für einen Dialog. Zugleich betonte er, dass Trump unberechenbar sei und daher abzuwarten bleibe, was auf seine Ankündigungen folgt.

Moskau dementierte Gespräch zwischen Putin und Trump

Am Montag wies Kemlsprecher Peskow einen Bericht der "Washington Post" zurück, nach dem Putin und Trump nach der US-Wahl telefoniert haben sollen. "Es gab kein Gespräch", sagte Peskow. "Es ist reine Fiktion, es sind einfach falsche Informationen." Russland sei weiter offen für Gespräche. Putin wollte aber nicht als Erster anrufen, weil nicht Russland, sondern der Westen den Kontakt abgebrochen habe.

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