Wirtschaft

Lebensmittelkennzeichnung: Warum und wie Verbraucher oft in die Irre geführt werden

Die Kennzeichnung von Lebensmitteln in der EU steht in der Kritik: Der Europäische Rechnungshof bemängelt fehlende Standards, unzureichende Kontrollen und irreführende Labels. Verbraucher fühlen sich oft überfordert oder getäuscht. Besonders freiwillige Lebensmittelkennzeichnungen wie Nachhaltigkeitslabels geraten wegen Greenwashing-Vorwürfen ins Visier.
26.11.2024 12:13
Aktualisiert: 27.11.2024 06:03
Lesezeit: 2 min

Lebensmittelkennzeichnung in der EU: Viele Infos, wenig Klarheit

In der EU sind Lebensmittelverpackungen mit zahlreichen Angaben versehen – einige davon gesetzlich vorgeschrieben, andere freiwillig. Die Fülle an Informationen überfordere viele Verbraucher, kritisiert der Europäische Rechnungshof in deutlichen Worten. Eine Vielzahl von Logos, Slogans und Gütesiegeln: Kennzeichen von Lebensmitteln können Verbraucherinnen und Verbraucher nach Ansicht des Rechnungshofs in die Irre führen. Ursache dafür seien Lücken in den rechtlichen Regelungen sowie Schwächen bei Kontrolle und Sanktionen.

Die EU-Vorschriften garantieren nach Einschätzung der Prüfer zwar grundlegende Angaben auf den Etiketten. Dennoch seien rechtliche Defizite teils so gravierend, dass sie "der Täuschung der Verbraucher Vorschub leisten", teilte der Rechnungshof mit. So sei es selbst bei Produkten mit hohem Zucker-, Salz- oder Fettgehalt möglich, gesundheitliche Vorteile oder positive Nährwerte hervorzuheben.

"Unternehmen zeigen bei den Angaben auf Verpackungen große Kreativität", sagte Keit Pentus-Rosimannus vom Rechnungshof. "Die EU-Vorschriften halten jedoch nicht Schritt mit dem sich ständig wandelnden Markt, sodass rund 450 Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher irreführenden Botschaften ausgesetzt sind."

Fehlende Standards für Kennzeichnung von Lebensmitteln

Die Prüfer bemängeln, dass es innerhalb der EU hunderte verschiedene Kennzeichen gebe. Angaben wie der in Deutschland genutzte Nutri-Score seien nicht EU-weit einheitlich geregelt. Zudem fehlten klare Definitionen für Labels zu Inhaltsstoffen, etwa für Begriffe wie "vegan" oder "vegetarisch". Auch die Kennzeichnung der Allergene, die für Allergiker problematisch sein können, seien uneinheitlich.

Ein weiteres Problem seien laut Rechnungshof zahlreiche freiwillige Kennzeichen auf Lebensmitteln, die den Kauf fördern sollen. Darunter fallen oft Labels zu Nachhaltigkeit oder Qualität eines Produkts. Viele dieser Kennzeichen entsprächen Greenwashing, also der unzulässigen Vermarktung eines Produkts als umweltfreundlich.

Ein Sprecher der EU-Kommission erklärte, EU-Recht stelle sicher, dass Informationen zu Lebensmitteln wissenschaftlich fundiert und nicht irreführend seien. Jedoch räumte er ein: "Bei der Durchsetzung könnten Lücken bestehen, wenn irreführende Kennzeichen auf den Markt kommen."

Lebensmittelkennzeichnung: Pflichtangaben irreführend und Bußgelder zu niedrig

Freiwillige Angaben auf Verpackungen würden laut den Prüfern selten überprüft. Insbesondere der Online-Verkauf von Lebensmitteln, der seit der Corona-Pandemie deutlich zugenommen habe, sei schwer kontrollierbar. Selbst bei festgestellten Verstößen seien die verhängten Bußgelder oft so gering, dass sie Unternehmen nicht abschreckten.

Zudem stelle die EU zu wenig Mittel bereit, um Verbraucher über die Kennzeichen auf Lebensmitteln aufzuklären. Zwischen 2021 und 2025 seien lediglich 5,5 Millionen Euro für entsprechende Kampagnen eingeplant – eine Summe, die der Rechnungshof als unzureichend kritisiert.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Steuern, Deutschlandticket, Musterung – die Änderungen 2026 im Überblick
27.12.2025

2026 bringt spürbare Änderungen bei Lohn, Rente, Steuern und Alltag. Manche Neuerungen entlasten, andere verteuern Mobilität oder...

DWN
Panorama
Panorama Keine Monster, keine Aliens: Prophezeiungen für 2025 erneut widerlegt
27.12.2025

Düstere Visionen und spektakuläre Vorhersagen sorgen jedes Jahr für Schlagzeilen – doch mit der Realität haben sie meist wenig zu...

DWN
Unternehmen
Unternehmen E-Mail-Betrug im Mittelstand: Die unterschätzte Gefahr im Posteingang – und welche Maßnahmen schützen
27.12.2025

E-Mail-Betrug verursacht im Mittelstand mehr Schäden als Ransomware. Stoïk, ein auf Cybersecurity spezialisiertes Unternehmen, zeigt,...

DWN
Technologie
Technologie China überholt Europa: Wie europäische Energieprojekte den Aufstieg befeuerten
27.12.2025

Europa hat in den vergangenen Jahrzehnten erheblich zum Aufbau der chinesischen Industrie beigetragen, ohne die langfristigen Folgen zu...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Hoffnung auf den Aufschwung: Kann 2026 die Wirtschaftswende bringen?
27.12.2025

Nach mehreren Jahren der Stagnation und anhaltend schlechter Stimmung in vielen Branchen richtet sich der Blick der deutschen Wirtschaft...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Handelspolitik ist von Unsicherheit geprägt: Experten erwarten weniger Investitionen
27.12.2025

Die Unsicherheiten in der Handelspolitik lassen die Investitionen schrumpfen und führen zu Wachstumsverlusten. Zölle schaden der...

DWN
Finanzen
Finanzen KI-Blase: Warum der Hype um die Nvidia und Co. gefährlich werden könnte
27.12.2025

Die weltweite Euphorie rund um künstliche Intelligenz treibt Aktien wie Nvidia und Microsoft in immer neue Höhen und heizt die Diskussion...

DWN
Finanzen
Finanzen Inflationskrise USA: Warum 2026 zum gefährlichsten Jahr werden könnte
26.12.2025

Die Warnung eines führenden Ökonomen zeichnet ein düsteres Bild für die USA. Die Rückkehr einer hartnäckigen Inflationswelle könnte...