Finanzen

Russische Wirtschaft vor dem Kollaps? Russischer Rubel weniger wert als Euro-Cents

Orthodoxes Weihnachtsfest und Neujahr stehen vor der Tür. Russland möchte feiern, doch die Importe in Moskaus noblen Warenhaus Gum können sich fast nur noch die Oligarchen und Putins Kreml-Kamarilla leisten. Die Leitwährung schmiert immer mehr ab - die Inflation trifft die Ärmsten der Armen mit Wucht.
03.12.2024 06:00
Lesezeit: 3 min

Russischer Rubel schmiert ab

Der Rubel, die russische Landeswährung, verliert deutlich an Wert. Dass den Kreml das nicht schert, ist leicht dahin gesagt. Die Versorgungslage ist selbst in Moskau und Sankt Petersburg spürbar schlechter geworden - wie es in der russischen Taiga ausschaut will man sich gar nicht ausmalen. Putin sollte sich Sorgen machen, doch er markiert im TV den harten Hund, gibt sich unnachgiebig.

Witzig, dass im Stadtbild der russischen Hauptstadt inzwischen sogar die Umrechnungskurse an den Wechselstuben entlang des Kutusowski-Prospekts abgeschraubt wurden. Propaganda! Fake News! Der mies gemachte Rubelkurs könnte von den „Gopniki“ im Lande als schlechte Nachrichten gedeutet werden und missinterpretiert - die größte Gefahr für eine Implosion.

Nur das, was die Massenmedien Russlands kann wahr sein. Der russische Sarkasmus ist legendär. Doch wie es um den Rubelkurs steht, kann man nicht geheim halten. Seit dem Sommer hat die russische Währung zum Dollar 24 Prozent eingebüßt. In der vergangenen Woche hat der Rubel jetzt sogar von einem auf den anderen Tag 8,5 Prozent eingebüßt. Die Zentralbank, die den Wechselkurs mittlerweile diktiert, setzte am Mittwoch 113 Rubel pro Dollar fest - der niedrigste Wert seit dem „panischen März“, gleich nach dem Überfall auf die Ukraine im Februar 2022.

Russische Wirtschaft: Ein Rübenwinter droht - selbst Kartoffeln sind doppelt so teuer wie 2023

Der Kreml hat längst aufgegeben, den Verfall mit Schminke zu kaschieren. Putins Sprechpuppe Dmitri Peskow hält den Vergleich mit der Leitwährung der Welt, dem US-Dollar, schlicht für ein „Rudiment aus der Vergangenheit“, so der Kreml-Sprecher zum wiederholten Mal. Wirtschaftsminister Maxim Reschetnikow sagte, der drastische Absturz in der Wertschätzung der Rubelscheine sei mit der „übermäßigen emotionalen Komponente von Marktteilnehmern“ zu erklären. Während Finanzminister Anton Siluanow zynisch darauf hinwies, wie sich der Rubelkurs für die russischen Exporteure „sehr, sehr günstig“ auswirkt - als ob Russland noch irgend etwas anderes zu exportieren hätte, in Zeiten immer schärferer Sanktionen und Einschränkungen beim Verkauf von Öl, Gas sowie vielleicht Waffen und Munition.

Die russische Wirtschaft steht offenbar vor dem Kollaps und die russische Bevölkerung ächzt unter der steigenden Inflation, die mittlerweile bei knapp acht Prozent liegt - und weiter steigen dürfte. Manche Produkte, zum Beispiel Kartoffeln, kosten fast doppelt so viel wie noch 2023. Butter wird geklaut - Supermärkte verschließen deshalb mittlerweile die Päckchen in Plastikbehältern und händigen sie nur auf Nachfrage aus. Unvorstellbar, dass Butter aus den Vereinigten Arabischen Emiraten importiert werden muss. Es scheint, als könnte die EU der unkontrollierten Ausfuhr doch Riegel vorzuschieben.

Neue US-Sanktionen gegen die Gazprom-Bank heizen Inflation in Russland weiter an

Und jetzt hat die russische Zentralbank verkündet, jegliche Devisenkäufe auszusetzen. Das stützt zwar vordergründig den russischen Rubel, allerdings auch nicht so sehr, dass er nicht noch weiter abschmiert über den Jahreswechsel. Der immer schneller werdende Währungsverfall ist Folge der jüngsten Sanktionen der USA gegen russische Banken. Vor allem geht es jetzt auch um die Gazprom-Bank, die lange verschont blieb, um noch weiter Zahlungen für russisches Gas abwickeln zu können. Darauf wird keine Rücksicht mehr genommen. Wer jetzt noch glaubt, die russische Wirtschaft sei immun gegen wirtschaftlichen Druck aus dem Ausland, ist ein Träumer.

Jüngst hat das US-Finanzministerium Gazprom eine Sonderlizenz für weitere Transaktionen verweigert. Das führt dazu, dass es zunehmend weniger Fremdwährungen auf dem russischen Markt gibt und die Nachfrage nach Devisen entsprechend steigt. Dass der Ölpreise seit Trumps Ankündigungen „zu fracken und zu bohren, Baby“, was die Bohrtürme hochpumpen können, ist der Dollar stetig fester geworden und der Ölpreis derweil dramatisch gesunken. Russisches Rohöl der Sorte Urals Oil notiert aktuell bei nur noch 67 Dollar, im Frühjahr waren es noch 80 Dollar. Obendrein kommt Russland an das durch den Verkauf verdiente Geld nicht heran - der Cashflow stockt. Sollte dies 2025 so weiter gehen, steht wohl ein Kollaps bevor.

Der Lebensstandard der Russen wird immer schlechter. Der Sold der Truppen ändert daran genau so wenig wie die Schichtarbeit in den Rüstungsbetrieben. Alexander Kriwoluzky vom Deutschen Institut für Wirtschaft (DIW) weiß: „Der Verfall des Rubels deckt das grundlegende Problem der russischen Wirtschaft auf: Sie ist nicht nachhaltig zu finanzieren.“ Nur der Leitzins ist noch ein halbwegs ehrlicher Indikator – der liegt bei 21 Prozent und damit sogar höher als nach dem Kriegsbeginn 2022.

Was hilft? Ein deutscher Pass, ein Visa für Amerika, eine Reise in die Türkei! Woanders leben, so lange es noch Ersparnisse gibt, unter der Matratze im Datschen-Versteck.

avtor1
Peter Schubert

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.

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