Der zunehmende Fachkräftemangel war lange Zeit durch eine hohe Nachfrage am Arbeitsmarkt getragen, die sich jetzt leicht abgeschwächt hat durch die ungünstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Unternehmen in Deutschland und auch durch die Unsicherheiten durch die Krisenherde. Obwohl die Zahl offener Stellen bis Mitte 2024 um 4,2 Prozent zurückging und die Arbeitslosigkeit um 8,9 Prozent angestiegen ist, bleibt der Fachkräftemangel ein großes Problem und die Unternehmen suchen weiterhin oft vergeblich qualifizierte Mitarbeiter.
Gesundheits-, Sozial- und Elektrobranchen sowie das Handwerk leiden besonders
Bereits seit vielen Jahren ist insbesondere die Situation in den Gesundheits- und Sozialberufen, in den Elektro- und Technikbranchen und im Handwerk stark angespannt. Außerdem fehlen auch Verkäufer. Und nicht nur die betroffenen Branchen leiden, der Fachkräftemangel ist auch mittlerweile für die Menschen im Alltag spürbar. Insgesamt 30 Prozent aller fehlenden Fachkräfte fehlen allein in den gerade genannten Branchen, wie aus einer Studie des Instituts für Wirtschaft (IW) hervorgeht.
Kinderbetreuung und -erziehung in Not
Angeführt wird die Liste der fehlenden Fachkräfte vom Notstand in der Kinderbetreuung und -erziehung. Im Mittel konnten in den Jahren 2023 und 2024 21.000 Stellen in diesen Berufen nicht besetzt werden. Deshalb fehlen auch ca. 300.000 Kitaplätze für die ganz Kleinen unter drei Jahren.
Die Folgen sind fatal – auch für den Arbeitsmarkt. Insbesondere in Westdeutschland müssen Eltern die Betreuung häufig privat organisieren und ihre Arbeitszeit reduzieren, um sich selbst um den Nachwuchs zu kümmern. In Ostdeutschland ist die Betreuungssituation besser, sodass viele Eltern mit kleinen Kindern trotzdem in Vollzeit arbeiten können.
Bei Sozialarbeit und –pädagogik sieht es nicht besser aus
18.000 Stellen blieben auch zuletzt im Bereich Sozialarbeit und Sozialpädagogik unbesetzt. Fast dreiviertel aller offenen Stellen konnten nicht Arbeitssuchenden, die eine entsprechende Qualifikation besaßen, besetzt werden. Die Fachkräfte fehlen in Kinder- und Jugendheimen, bei der schulischen Sozialarbeit und bei der Begleitung in den Berufseinstieg.
Die Unterstützung von jungen Menschen in Schule Ausbildung und Einstieg ins Erwerbsleben bleibt also auf der Strecke. Das zeigt sich auch in den Qualifikationen der Jugend - 2,86 Millionen junge Menschen unter 35 Jahre hatten 2002 keine berufliche Qualifikation – ein neuer Höchststand.
Gesundheitsberufe, Kranken- und Altenpflege sowie Physiotherapie auch unterbesetzt
Auch in den Gesundheitsberufen und in der Pflege fehlt es hinten und vorne an Fachkräften. Das ist insbesondere vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung in Deutschland alarmierend. Von den offenen Stellen in der Physiotherapie konnten neun von zehn Stellen zuletzt nicht besetzt werden.
Elektronikbranchen und Handwerk suchen händeringend
In der Elektrobranche sieht es ebenfalls düster aus. Alleine in der Bauelektrik fehlen im Jahresdurchschnitt 18.000 Fachkräfte, die eine spezifische Berufsausbildung haben – und das trotz der miserablen Lage der Bauwirtschaft zur Zeit. Acht von zehn Stellen blieben unbesetzt. Der Fachkräftemangel in diesem Bereich verschärft die Wohnungsmarktlage zusätzlich, da sich Bauvorhaben auch durch den Fachkräftemangel verzögern. In Deutschland werden jährlich an die 300.000 neue Wohnungen benötigt.
Ähnlich dramatisch ist die Lage im Maschinenbau, trotz der aktuell schwierigen Wirtschaftssituation und Auftragslage. Im Bereich der elektrischen Betriebstechnik sind 14.000 Stellen für Fachkräfte unbesetzt. In der Maschinenbautechnik zusätzlich 12.500.
Auch im Verkauf und in der Kraftfahrzeugtechnik fehlt qualifiziertes Personal. Das zeigt sich auch auf Verbraucherebene in Form von fehlender Fachberatung und längeren Wartezeiten bei Autoreparaturen.
Qualifizierung ist der Schlüssel
In Deutschland gibt es ein großes Potenzial bei ungelernten Kräften – hier übersteigt das Arbeitsangebot die Nachfrage am Arbeitsmarkt deutlich. Über bildungspolitische Maßnahmen könnten viele von ihnen über Qualifizierungen nach und nach zu Fachkräften ausgebildet werden. Gerade die fast 3 Millionen jungen Menschen ohne berufliche Qualifikation sollten hierbei in den Fokus rücken.
Aber auch ein späteres Renteneintrittsalter hilft bei der Sicherung der Fachkräfte. Hierzu gibt es eine Reihe von attraktiven Arbeitsmodellen, in denen Rente und Arbeiten miteinander verbunden werden können. Auch eine bessere Betreuungsinfrastruktur für junge Familien hilft dabei, Eltern wieder gemeinsam in die Vollzeitarbeit zu bringen. Daran muss gearbeitet werden.
Letztendlich soll auch das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz helfen, ausländische Fachleute anzuwerben, was bei der allgemeinen demografischen Entwicklung in Deutschland ebenfalls eine wichtige Maßnahme ist.