Panorama

Tempolimit-Debatte: Emotionen sind nicht hilfreich - hier gibt's die Fakten!

Deutschland ist das letzte große Autoland, in dem auf vielen Autobahnabschnitten noch freie Fahrt für freie Bürger gilt - ein besonderes Privileg oder ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten? Klar ist: Das Thema Tempolimit und Tempo 130 polarisieren seit Jahrzehnten. Es gibt gute Argumente dafür und dagegen. Und möglicherweise gibt es eine bessere Lösung als Tempo 130.
18.01.2025 16:03
Aktualisiert: 01.01.2030 11:25
Lesezeit: 10 min

Deutschland, das Autoland - kaum ein Thema entzweit die Nation so sehr wie die Diskussion über ein Tempolimit. Während einige die freie Fahrt als Ausdruck von Freiheit und Fortschritt verteidigen, fordern andere mehr Sicherheit, weniger Umweltbelastung und eine klare Geschwindigkeitsbegrenzung. Aber warum ist diese Debatte so emotional, und könnte es zu Tempo 130 eine bessere Alternative geben?

Tempolimit in Deutschland und im Rest der Welt

Deutschland ist die einzige europäische Nation, in der auf Autobahnen kein generelles Tempolimit gilt. Damit ist Deutschland sogar weltweit eines der wenigen Länder in denen Autobahnen ohne grundsätzliche Geschwindigkeitsbegrenzung angedacht ist. Vergleichbares gibt es nur in einigen afrikanischen Staaten und in dem einen oder anderen asiatischen Land, zum Beispiel in Afghanistan, Somalia, Burundi, Nepal und Nordkorea. Allerdings sind in den meisten dieser Länder die Straßen nur unzureichend ausgebaut und in eher schlechtem Zustand. Hohe Geschwindigkeiten sind dort dann ohnehin nicht möglich.

Im Industrieland Deutschland ist das anders: Auch wenn es immer wieder Kritik an der Infrastruktur in Deutschland gibt, so ist das Straßennetz doch vergleichsweise gut ausgebaut - und erlaubt fast überall schnelles Fahren. Laut einer Erhebung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr umfasste das Gesamtnetz deutscher Autobahnen Ende 2023 insgesamt 13.210 Kilometer (in eine Fahrtrichtung). Auf etwa 70 Prozent der Bundesautobahnen gibt es keine Geschwindigkeitsbegrenzung, auf rund 9.300 Kilometern gilt also freie Fahrt für freie Bürger. Damit ist Deutschland eine weltweite Ausnahme!

Die internationale Perspektive: Was machen andere Länder in Europa beim Tempolimit?

Es gibt kein Land in der Welt, in dem es vergleichbar viele Strecken gibt, auf denen kein Tempolimit gilt. Ein Blick auf unsere europäischen Nachbarn zeigt, dass überall Tempolimits gelten, diese aber überall anders gehandhabt werden - ein Überblick:

  • In Österreich gilt auf Autobahnen ein Tempolimit von 130 km/h. Einige Pilotprojekte mit Tempo 140 haben gezeigt, dass die Unfallzahlen dadurch leicht steigen.
  • In den Niederlanden sind tagsüber 100 km/h erlaubt, 130 km/h in den Nachtstunden. Diese Regelung soll CO2-Emissionen reduzieren und wird von der Bevölkerung überwiegend akzeptiert.
  • In Frankreich dürfen maximal 130 km/h auf Autobahnen gefahren werden, bei Regen gilt eine Geschwindigkeitsbegrenzung von nur 110 km/h. Die strenge Einhaltung wird durch hohe Bußgelder gewährleistet, mehr dazu unten im Abschnitt Verkehrsstrafen und Bußgelder bei Geschwindigkeitsüberschreitung.
  • Schweiz: 120 km/h auf Autobahnen. In der Schweiz gelten strenge und flächendeckende Verkehrskontrollen. Auch die Bußgelder sind besonders hoch, selbst geringfügige Überschreitungen des Tempos werden richtig teuer - mehr dazu im Folgenden.

Verkehrsstrafen und Bußgelder bei Geschwindigkeitsüberschreitung

Wer die Verkehrsregeln nicht einhält, dem droht ein Verwarnungsgeld oder ein Bußgeld. Wie hoch dieses oder jenes ausfällt, ist in Deutschland im sogenannten Bußgeldkatalog des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr festgelegt. Entscheidend für die Höhe des zu zahlenden Betrags ist die Höhe der Geschwindigkeitsübertretung. Es wird von einem Verwarnungsgeld gesprochen, wenn die Strafe im Bereich zwischen fünf und 55 Euro liegt. Ab 60 Euro handelt es sich um ein Bußgeld, das mit einem formellen Bußgeldverfahren einhergeht. Hier fallen zusätzlich Verwaltungsgebühren von insgesamt 28,50 Euro an.

Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 20 km/h wird in Deutschland ein Bußgeld in Höhe von mindestens 100 Euro fällig - das gilt außerorts, also beispielsweise auf Bundestraßen und Autobahnen. Im europäischen Ausland weichen die Strafen teilweise dramatisch vom Bußgeldkatalog in Deutschland ab.

In Österreich kostet ein Geschwindigkeitsverstoß bei 20 km/h weniger als in Deutschland, nämlich lediglich 30 Euro. Ab dann kann es aber schnell unbezahlbar werden. Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 50 km/h können Geldstrafen von bis zu 2.180 Euro fällig werden. Frankreich reagiert strenger bei Geschwindigkeitsüberschreitungen. Bereits ab 20 km/h kommen auf den Fahrer Kosten in Höhe von 135 Euro zu. Geradezu dramatisch hoch geahndet werden Überschreitungen des Tempos in der Schweiz. Schon ab 20 km/h müssen Verkehrssünder 165 Euro zahlen, in Einzelfällen wurden schon mehrere tausend Euro festgesetzt.

Tipp: Wenn Sie im Ausland geblitzt werden oder bei einem anderen Verkehrsvergehen erwischt werden, können Sie in dem übersichtlichen ADAC-Artikel Strafzettel aus dem Ausland nicht ignorieren nachlesen, wie Sie sich als Autofahrer am besten verhalten.

Doch warum sind die Strafen in den europäischen Nachbarländern eigentlich so viel höher? Welchen Effekt haben Bußgelder überhaupt? Werden dadurch die Straßen sicherer?

Macht ein Tempolimit die Straßen sicherer? Jein!

Die Autobahnen gelten als die sichersten Straßen hierzulande. Dennoch gab es 2021 etwa 10 Prozent aller Verkehrstoten in Deutschland auf Autobahnen – das entspricht annähernd 1,44 Toten pro einer Milliarde Fahrzeugkilometer. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland damit im Mittelfeld. Denn trotz relativ strenger Geschwindigkeitsbegrenzungen stehen unter anderem Frankreich, Tschechien oder die USA nicht besser da. In der Schweiz, den Niederlanden und Österreich ist das Sicherheitsniveau dagegen höher, ein direkter Zusammenhang mit einem generellen Tempolimit ist allerdings nur schwer erkennbar.

  • Deutschland ist ohne generelles Tempolimit: 1,44 Tote/eine Milliarde Fahrzeugkilometer
  • In Frankreich gilt ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen: 1,61 Tote/eine Milliarde Fahrzeugkilometer
  • In Österreich ist die Geschwindigkeit auf 130 km/h auf Autobahnen begrenzt: 1,26 Tote/eine Milliarde Fahrzeugkilometer
  • Tschechien hat ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen: 1,69 Tote/eine Milliarde Fahrzeugkilometer
  • In den Niederlanden gilt tagsüber ein Tempolimit von 130 km/h, in der Nacht eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h: 0,9 Tote/eine Milliarde Fahrzeugkilometer
  • Die Schweiz hat auf Autobahnen ein Tempolimit von 120 km/h: 0,63 Tote/eine Milliarde Fahrzeugkilometer
  • In den USA gilt ein Tempolimit von 88 bis 136 km/h auf den Interstate Highways (oder kurz Interstates): 4,33 Tote/eine Milliarde Fahrzeugkilometer

Klar ist, dass nicht alleine ein Tempolimit eine Straße sicherer machen kann, viele Faktoren tragen zu weniger Unfällen und Verkehrstoten bei. Wichtig sind beispielsweise eine klare Beschilderung, die Ausstattung und die Größe der verunfallten Fahrzeuge, eine Anschnallpflicht sowie - wie bereits weiter oben beschrieben - der allgemeine Zustand der Straße. Deshalb sind die positiven Folgen eines generellen Tempolimits über Ländergrenzen hinweg mindestens schwer vergleichbar.

Es ist nahezu unmöglich, aktuelle Zahlen zur Geschwindigkeitsbegrenzung und damit in Zusammenhang stehenden Verkehrsunfällen zu finden. Aus dem Jahr 2006 stammt die letzte detaillierte Auswertung des Statistischen Bundesamtes. Der Studie zufolge sind 42 Prozent der tödlichen Unfälle auf Autobahnen sogenannte "Geschwindigkeitsunfälle". Die überwiegende Zahl, nämlich 70 Prozent aller tödlichen Unfälle, ereignen sich auf Autobahnabschnitten ohne Geschwindigkeitsbeschränkung. Dennoch bleibt die Frage: Warum gibt es überhaupt ein Tempolimit?

Tempolimit: Warum gibt es in Deutschland (k)eine Maximalgeschwindigkeit?

In Nazideutschland herrschte ein ziemlich strenges Tempolimit. Ab Oktober 1939 durfte in der Stadt nur 40 km/h gefahren werden, überall sonst 80 km/h fahren. Die Nazis gaben dafür auch eine offizielle Begründung: die Verkehrssicherheit. Tatsächlich sollten die Deutschen mit ihrer gezügelten Fahrweise Benzin sparen für die Wehrmacht, denn am 1. September 1939 hatte der Zweite Weltkrieg mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen begonnen. Sicherheitsaspekte oder gar Umweltschutzgründe dürften bei der Geschwindigkeitsbegrenzung der Nazis jedenfalls kaum eine Rolle gespielt haben.

Deutsches Wirtschaftswunder: Das Aus für ein Tempolimit

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gab es keinen Grund mehr, die Geschwindigkeit zu begrenzen: Für das Militär musste kein Treibstoff gespart werden, die Ölkrise Anfang der 1970er Jahre lag noch in weiter Ferne, immer mehr Menschen wollten sich schnell von A nach B bewegen und Umweltschutzaspekte spielten selbstverständlich noch keine Rolle. Folglich - und aus damaliger Sicht logischerweise - schaffte der Deutsche Bundestag im Dezember 1952 sämtliche Tempolimits für Pkw und Motorräder plötzlich ab. Entscheidend dafür, so ist es überliefert, war das deutsche Wirtschaftswunder. In der technikbegeisterten Wirtschaftswunderzeit galt auf allen Straßen nun „freie Fahrt für freie Bürger“. Selbst innerorts durfte gerast werden - mit den entsprechenden Folgen.

Immer mehr Tote und der Ruf nach einem Tempolimit

Ein Deutschland komplett ohne Tempolimit gab es nicht besonders lang, weil immer mehr Menschen auf Deutschlands Straßen tödlich verunglückten. Im Jahr 1955 starben beispielsweise insgesamt mehr als 12.000 Personen im deutschen Verkehr, zum Vergleich: 2023 kamen laut des Statistischen Bundesamts auf deutschen Straßen 2.839 Menschen ums Leben, obwohl das Verkehrsaufkommen in der Gegenwart deutlich größer ist als in den 1950er Jahren. Die Wiedereinführung eines Tempolimits kam bei den damaligen Zeitgenossen überhaupt nicht gut an. in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung beispielsweise echauffierte man sich und beklagte einen „Rückfall in antiquierte Zeiten“ - der Nutzen von Tempolimits wurde grundsätzlich angezweifelt, obwohl ein Zusammenhang zwischen gefahrener Geschwindigkeit und Zahl der Verkehrstoten nicht von der Hand zu weisen ist.

Geschwindigkeitsbegrenzung: Was macht die Politik?

Auf allen Straßen in Deutschland - mit Ausnahme der Autobahnen - gilt deshalb inzwischen eine Höchstgeschwindigkeit, die Verkehrstoten konnten so im Laufe der Jahre aufgrund weiterer Maßnahmen immer weiter gesenkt werden. Dennoch besteht nach wie vor Skepsis gegenüber einem grundsätzlichen Tempolimit. In großen Teilen der Bevölkerung wird weiterhin der Nutzen eines Tempolimits angezweifelt - vor allem in Bezug auf die Reduktion der Verkehrstoten. Und in der Politik fehlen Mut, Wille und Entschlossenheit, ein generelles Tempolimit in Deutschland auch wegen anderer Gründe durchzusetzen.

Vor allem die FDP spricht sich besonders emotional gegen ein Tempolimit aus. Auf der Homepage der Liberalen heißt es: Technologieoffenheit statt Symbolpolitik – gegen ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen. Die Partei führt ähnliche Argumente an, die auch hier bereits besprochen wurden. Es ließe sich im internationalen Vergleich "kein Zusammenhang zwischen einem generellen Tempolimit und einem erhöhten Sicherheitsniveau auf Autobahnen feststellen". Die FDP plädiert für "Innovationen und Technologieoffenheit" sowie für "intelligente Leitsysteme", die die Gefahren auf den Straßen reduzieren sollen, zum Beispiel indem automatisch Staus umfahren werden.

Mehrheit der Deutschen für ein Tempolimit

Mit Sicherheit ist es keine schlechte Idee, Technik zur Reduktion von CO2 und zur Verhinderung von Unfällen einzusetzen. Leider ist die technische Entwicklung dafür noch nicht weit genug fortgeschritten, zumindest nicht im großen Maßstab. Was auf Teststrecken sehr gut funktioniert, ist aufgrund der verschiedenen Systeme in Autos verschiedener Hersteller derzeit nicht möglich. Ebenso gelingt keine Kommunikation zwischen Autos, die dann zum Beispiel Ausweichstrecken vorschlagen oder Unfällen automatisch ausweichen.

Bis dahin könnte die Politik mehr Mut zeigen und zumindest für einen gewissen Zeitraum ein Tempolimit einführen. Die Menschen sind vermutlich weiter als die Politik denken mag, wie eine Umfrage des ADAC zeigt: 55 Prozent der Club-Mitglieder stimmten im Januar 2024 für ein Tempolimit. Weil die Umfrage bei Mitgliedern eines Automobilclubs durchgeführt wurde, ist besonders bemerkenswert, dass auch Umweltschutzgründe bei den Befragten eine Rolle spielten.

Tempo 130 oder Tempo 120 helfen beim Umweltschutz

Seit einem im Januar 2023 vom Umweltbundesamt (UBA) veröffentlichten Gutachten ist nun endlich auch klar: Je niedriger die Geschwindigkeit, desto geringer ist auch der Kraftstoffverbrauch, was einen geringeren CO2-Ausstoß zur Folge hat. In dem Gutachten gehen die Autorinnen und Autoren von 4,7 Millionen Tonnen weniger CO2 pro Jahr durch ein generelles Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen aus. Würden auch Verhaltensänderungen einbezogen, gingen die Emissionen dem UBA zufolge sogar um 6,7 Millionen Tonnen CO2 zurück. Das Bundesamt erwartet nämlich, dass Autobahnen durch ein Tempolimit an Attraktivität verlieren könnten und Autofahrende auf andere Verkehrsmittel wechseln würden.

6,7 Millionen Tonnen CO2 - das sei keine Kleinigkeit, sagt auch UBA-Präsident Dirk Messner. Um die gleiche Menge CO2 anderweitig einzusparen, müssten beispielsweise drei Millionen Elektrofahrzeuge zusätzlich auf deutschen Straßen unterwegs sein. Wenn die Käufer der E-Autos dabei vom Umweltbonus profitiert hätten, wären dadurch mehr als 13 Milliarden Euro Kosten beim Staat entstanden. Ein Tempolimit kostet nichts. Doch gerade Elektroautos sind es, die die Spielregeln verändern (könnten).

Elektroautos: Teil der Lösung oder Teil des Problems?

Der Energieverbrauch von Elektroautos steigt bei hohen Geschwindigkeiten deutlich an, was die Reichweite drastisch reduziert. Ein Tempolimit könnte somit gerade für E-Fahrer von Vorteil sein, da es die Effizienz erhöht und Ladepausen reduziert. Gleichzeitig verursachen Elektroautos weniger CO2 als Verbrenner, was ihre Umweltbilanz verbessert. Für Elektroautos wäre ein Tempolimit also ein klarer Vorteil.

Es stimmt aber auch, dass die Hauptemissionen von Elektroautos aus der Batterieproduktion stammen und durch ein Tempolimit nur bedingt beeinflusst werden.

Vorteile eines Tempolimits: Sicherheit und Umweltschutz

Befürworter eines Tempolimits argumentieren mit klaren Vorteilen: mehr Sicherheit, weniger Umweltbelastung und niedrigere Kosten. Doch wie genau sehen diese Vorteile aus, und welche langfristigen Auswirkungen könnten sie haben?

Mehr Sicherheit auf der Straße

Autobahnen gelten als die sichersten Straßen Deutschlands. Studien zeigen, dass ein Tempolimit von 130 km/h die Zahl der Unfälle reduzieren könnte. Laut Experten könnten jährlich bis zu 140 Menschenleben gerettet werden. Die Einführung eines Tempolimits würde nicht nur die Zahl schwerer Unfälle verringern, sondern auch die Schwere der Verletzungen deutlich reduzieren. Gegner argumentieren jedoch, dass auf etwa 30 Prozent der Autobahnen, die bereits heute begrenzt sind, das Unfallrisiko nicht signifikant niedriger ist.

Umwelt- und Klimaschutz

Ein Tempolimit hätte auch einen positiven Effekt auf die Umwelt. Laut Umweltbundesamt würde ein Tempolimit viele Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einsparen - ein wichtiger Schritt in Richtung der Erreichung der Klimaziele. Zudem könnten Lärm und Feinstaubbelastung in Autobahnnähe verringert werden, was die Lebensqualität der Anwohner erheblich steigert. Auch der Gummiabrieb von Reifen wird bei geringerer Geschwindigkeit reduziert.

Weniger Kosten für Autofahrer

Ein Tempolimit kann auch aus finanzieller Sicht attraktiv sein. Weniger Geschwindigkeit bedeutet weniger Spritverbrauch, was Autofahrern in Zeiten hoher Energiepreise spürbare Einsparungen bringen könnte. Studien zeigen, dass der Kraftstoffverbrauch bei Geschwindigkeiten über 130 km/h exponentiell steigt. Neben den direkten Einsparungen könnten auch die Kosten für die Instandhaltung der Straßen sinken, da hohe Geschwindigkeiten den Asphalt stärker belasten. Diese Argumente könnten besonders für Vielfahrer und Logistikunternehmen relevant sein.

Nachteile eines Tempolimits: Freiheit und Wirtschaft

Einschränkung der Freiheit

All den guten Argumenten zum Trotz, steht die ungezügelte Fahrt auf der Autobahn für viele Deutsche symbolisch für Freiheit und Eigenverantwortung. Der Staat dürfe den Bürgern nicht vorschreiben, wie schnell sie fahren dürfen, sagen Gegner eines Tempolimits. Gerade in einer Gesellschaft, die Individualität und persönliche Entscheidungsfreiheit hoch schätzt, ist dies ein gern genutztes Argument.

Fragwürdige Effekte auf die Verkehrssicherheit

Ein Blick auf internationale Vergleiche zeigt gemischte Ergebnisse. Länder wie Frankreich oder die USA, die generelle Tempolimits haben, schneiden in Sachen Verkehrssicherheit nicht zwangsläufig besser ab als Deutschland. Dies könnte jedoch an unterschiedlichen Faktoren wie Infrastruktur, Verkehrsdichte oder Durchsetzung von Verkehrsregeln liegen. Kritiker eines Tempolimits verweisen darauf, dass die Unfallzahlen in Deutschland trotz unlimitierter Abschnitte vergleichsweise niedrig sind.

Die Auswirkungen eines Tempolimits auf die Automobilindustrie

Deutschland ist eines der letzten Länder ohne generelles Tempolimit, was von vielen als Vorteil für die heimische Automobilindustrie gesehen wird. Leistungsstarke Fahrzeuge sind ein Markenzeichen deutscher Hersteller - und ein Tempolimit könnte die Nachfrage nach solchen Autos reduzieren. Dies könnte wirtschaftliche Auswirkungen auf einen der wichtigsten Industriezweige Deutschlands haben, die nicht ignoriert werden dürfen. Marken wie BMW, Mercedes oder Porsche haben sich einen weltweiten Ruf als Hersteller leistungsstarker Fahrzeuge erarbeitet, deren Attraktivität durch ein generelles Tempolimit beeinträchtigt werden könnte.

Allerdings muss sich die Branche ohnehin in Richtung nachhaltigerer und effizienterer Modelle entwickeln, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Schwere und große SUVs, die schwerer einen Parkplatz finden, mehr CO2 ausstoßen und mehr Treibstoff verbrauchen, sind keine realitätsnahe Zukunftsvision.

Nicht zuletzt der Fall von VW zeigt, dass die deutsche Autoindustrie seit Jahren die falsche Strategie verfolgt: Die Umsätze brechen ein, drei Volkswagen-Werke stehen auf der Kippe und Zehntausende Stellen sind bedroht, für große Teile der deutschen Öffentlichkeit war diese Meldung ein Schock (lesen Sie, wie die Einigung von VW mit der Gewerkschaft aussieht). Ein Strategiewechsel hin zu günstigen Elektrofahrzeugen könnte die deutsche Autobranche in die Zukunft führen - spät, aber noch nicht zu spät. Ein Tempolimit auf deutschen Straßen dürfte diesem Wandel einen initialen Anschub verleihen.

Tempo 130: Nur gut gemeint?

Doch muss es unbedingt ein Tempolimit von 130 km/h sein? Tempo 130 (auch Tempo 120) steht oft im Zentrum der Tempolimit-Debatte - und die Vorteile liegen auf der Hand: Weniger CO2, geringere Unfallgefahr und harmonischeres Fahren. Dennoch empfinden viele Autofahrer diese Geschwindigkeit als zu langsam für die deutsche Autobahn. Aber warum kann es nicht auch Tempo 150 sein?

Ein Tempolimit von 150 km/h könnte eine Brücke schlagen. Es würde immer noch gewisse Umwelt- und Sicherheitsvorteile bringen, während es die Freiheit der Autofahrer weniger stark einschränkt. Studien zeigen, dass ein solcher Kompromiss insbesondere bei Vielfahrern und Berufspendlern auf größere Akzeptanz stoßen könnte.

Es bleibt jedoch fraglich, ob die ökologischen Vorteile bei einer solchen Regelung noch signifikant wären. Während bei Tempo 120 - wie bereits oben beschrieben - bis zu 6,7 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden könnten, sind es bei Tempo 130 etwa 3 bis 5 Millionen Tonnen CO2 und bei Tempo 150 lediglich 2 Millionen Tonnen. In Zeiten des Klimawandels ist das natürlich kein historischer Turnaround und schon gar nicht ist das ausreichend, aber möglicherweise wäre dies ein starker und innovativer Kompromiss mit großen Chancen auf weitreichende Akzeptanz in der Bevölkerung. Einziger Wermutstropfen: Die Zahl der Verkehrstoten würde dadurch nur unmerklich sinken.

Wir müssen uns also entscheiden, was uns wichtiger ist: weniger Verkehrstote und weniger CO2-Ausstoß oder die sprichwörtliche freie Fahrt für freie Bürger. Ist es nicht an der Zeit, ein neues Kapitel zu schreiben – eines, das den Mut hat, Visionen für eine bessere Zukunft zu verfolgen?

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Markus Gentner

Zum Autor:

Markus Gentner ist seit 1. Januar 2024 Chefredakteur bei den Deutschen Wirtschaftsnachrichten. Zuvor war er zwölf Jahre lang für Deutschlands größtes Börsenportal finanzen.net tätig, unter anderem als Redaktionsleiter des Ratgeber-Bereichs sowie als Online-Redakteur in der News-Redaktion. Er arbeitete außerdem für das Deutsche Anlegerfernsehen (DAF), für die Tageszeitung Rheinpfalz und für die Burda-Tochter Stegenwaller, bei der er auch volontierte. Markus Gentner ist studierter Journalist und besitzt einen Master-Abschluss in Germanistik.

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