Finanzen

Mezzanine-Blase: Wie fragwürdige Immobilien-Finanzierungen für Pensionskassen und Versorgungswerke zur Gefahr werden

Wenn Apotheker, Anwälte und Ärzte ihre Altersvorsorge organisieren, fließen regelmäßig Milliarden in fragwürdige Immobilienprojekte. Das hat schon Tradition. Schon in den 1980er-Jahren waren es sogenannte Bauherrenmodelle, bei denen es in erster Linie um Steuerabschreibungen ging. Ob die Bauprojekte ökonomisch sinnvoll sind, wird so oft zum Glücksspiel - nicht selten sind Verluste zu verbuchen. Droht jetzt eine Milliarden-Blase durch Mezzanine-Finanzierungen zu platzen?
12.12.2024 15:15
Lesezeit: 5 min
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Bei der Apothekerversorgung Schleswig-Holstein haben sich anno 2023 offenkundig über 50 Millionen Euro wegen riskanter Immobilieninvestments in Luft aufgelöst - das wären gut fünf Prozent des gesamten Anlagevermögens in nur einem Wirtschaftsjahr. Und womöglich wird noch teurer. Nach Berichten aus Kiel hört man, dass jetzt irgendwie Wirtschaftsberater die Bilanz zu stabilisieren sollen, heißt es angeblich in einem nicht öffentlichen Geschäftsbericht.

Experten und Banker reagieren alarmiert und aufgeschreckt. Nach den ersten Hiobsbotschaften wurde schon mal präventiv geschaut, welche institutionellen Immobilien-Investoren sonst noch Berichtigungen in der Bilanz vornehmen muss. Es heißt, die Verluste könnten sich könnten in Deutschland auf mehr als 20 Milliarden Euro addieren - verbranntes Geld. Als hätte niemand während der Finanzkrise 2008 etwas dazu gelernt - aus den Pleiten und faulen Immobilienkrediten von Lehman Brothers & Co.

Pfiffiges Finanzierungsmodell - mit extrem hohen Risiko, wie sich jetzt zeigt

Die findigen Projektentwickler haben mal wieder trickreich und hinterlistig eine Finanzierungsmodell ausgeheckt, um mangelnde Sicherheiten zu überbrücken und die Forderungen von Banken nach hinreichend Eigenkapital bei der Finanzierung von Immobilienfonds hintertrieben hat. Es handelt es um eine verheerende strukturelle Fehlentwicklung, die sich am Immobilienmarkt nur erst mit zeitlicher Verzögerung nach und nach entpuppen. Die Akteure spielen die drohende Krise herunter - alles halb so schlimm! Doch stimmt das wirklich? Sind sind in der Wahrheit sogar Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, die von Berufswegen sensibilisiert sein sollten, den wilden Versprechungen der Iniatoren auf den Leim gegangen?

Die Rede ist von sogenannten Mezzanine-Geschäften. Insider schätzen, dass acht von zehn Viele berufsständischen Versorgungswerke, Pensionskassen, Versicherungen und Family Offices in den Boom-Jahren am Immobilienmarkt massiv Geld in die die unsichere Finanzierungsmodelle gesteckt haben - in Immobilienfonds und Gewerbeobjekte, die nun notleidend werden könnten.

„Viele Investoren haben sich verleiten lassen und das Risiko, das damit einhergeht, falsch eingeschätzt“, sagte unlängst Jan Düdden, Managing Partner bei der Beratungsfirma Arcida. Er hat Erfahrungen bei der Restrukturierung fauler Immobilienkredite gesammelt und weiß genau, wie mit Mezzanine-Finanzierungen wacklige Immobilienprojekte aufgesetzt worden sind - blindlings, risikoreich, aber voll naiver Zuversicht. Wir doch gut gehen!

Hybrid-Konstruktion aus wenig Eigenpital und hohen Anlegersummen - wenig Rendite, null Sicherheit

Mezzanine-Finanzierungen sind eine neuartige Hybrid-Konstruktion, die sich aus wenig Eigenkapital und relativ viel Fremdkapital zusammensetzt, das lediglich über Rendite-Versprechungen eingeworben wurde und nicht den klassischen Investments entspricht - also über durch Pfandbriefe oder Hypotheken abgesicherte Bankkredite.

Das geliehene Geld nutzen die Projektentwickler dabei wie tatsächliches Eigenkapital, räumen den Geldgebern aber die Rechte eines normalen Eigenkapitalinvestors ein, zum Beispiel in Form von Stimmrechten. Anders als Banken, die im Ernstfall auf das Grundstück oder die Immobilie zugreifen können, gibt es für Mezzanine-Geld keinerlei Sicherheiten. Wobei die Finanzierungsmodalitäten nach außen einigermaßen nebulös und intransparent erscheinen.

Der Reiz für Anleger lag in den Renditen, die zwar gar nicht üppig ausfielen, aber (während der zinslosen Jahre) nirgendwo sonst zu erwirtschaften waren. Durch die Null-Zins-Politik der EZB standen dem Immobilienmarkt Kredite satt zur Verfügung - wenn denn wenigstens die Basel-III-Kriterien beim Eigenkapital berücksichtigt wurden. Doch bei vielen sehr optimistisch kalkulierten Objekten fehlte es genau daran, weshalb wieder mal „Stupid German Money“ beansprucht wurde, um die Zahlen zusammenzubringen.

Die Mezzanine-Rendite waren es jedenfalls, mit denen die institutionellen Investoren in den Nullzinszeiten gelockt wurden. Sie mussten ihren Anlegern ja eine gewisse Mindestverzinsung (Zinsgarantien wie bei Lebensversicherungen) offerieren, um nicht völlig am Finanzmarkt mit Nichtbeachtung abgestraft zu werden. „Der Mezzanine-Markt war in den Boom-Jahren fest in der Hand deutscher Geldgeber“, weiß Dominik Rüger, Leiter der Kreditberatung des Immobilien-Dienstleisters JLL. Für Anleger aus den USA oder England war dies indessen eher nichts. Sie konnten ja wenigstens noch bei Staatsanleihen einen ordentlichen Schnitt machen.

„Stupid German Money“ nennen es Finanzexperten in den USA, wenn die Gier den Verstand frisst

Finanzberater Düdden erinnert noch mal an den einfachen Grund: „Die Zinsen beziehungsweise die Renditen der Staatsanleihen waren in Deutschland mit Abstand die niedrigsten.“ So fielen die Renditen im Mezzanine-Markt immerhin höher aus als bei sonstigen Anlageprodukten. Freilich nicht so hoch, um wirklich Anleger und ihr Geld aus dem Ausland anzulocken.

Das inhärente Risiko entpuppt sich erst jetzt allmählich, nachdem EZB-Chefin Christine Lagarde und die Fed in den USA die Zinsen hochschraubten, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Die Geldgeber stehen jetzt tatsächlich ohne Sicherheiten da - und weitgehend nackt. „In der Finanzkrise haben die Banken die Verluste getragen, in der aktuellen Immobilienkrise sind es die Mezzanine- und Eigenkapitalgeber“, gab Matthias Heimann von der Finanzierungsberatung 777 Financial Advisors zu Protokoll.

Wohlgemerkt, früher gab es die sogenannten Mezzanine gar nicht, weil die Banken das Geschäft mit den Immoblienkrediten aggressiv selbst vorantriewben. Erst nach dem Crash bei Lehman und den Rettungsbemühungen bei der Hypo Real Estate in Deutschland, haben sich pfiffige Buchhalter was Neues einfallen lassen, um die Spargroschen am Bau einsammeln und einsetzen zu können. „Bis 2008/2009 waren die Banken viel aggressiver in der Beleihung“, weiß Düdden. Kredite von mehr als 90 Prozent des Immobilienwertes seien gang und gäbe gewesen. Das restliche Geld konnten Projektentwickler zumeist aus eigenen Mitteln aufbringen.

Nach 2008 hatten die Hypothekenbanken ihre Finanzierungen teilweise bis nur noch 65 Prozent heruntergeschraubt. Alternativen mussten dringlichst her. Pionier und vorübergehend sogar Marktführer auf diesem Gebiet war die Helvetic Financial Services AG. Die Schweizer steckten dabei auch als maßgebliche Finanziers hinter der ins Schlingern geratenen Adler-Gruppe. Aus heutiger Sicht verweisen die Beteiligten achselzuckend darauf, dass die Geschäfte doch fast acht Jahre bestens funktionierten. Es hat sich gelohnt, die Deals waren lukrativ.

Bis der Missbrauch einsetzte. Immobilienexperten verweisen auf die Praxis der Immobilienbranche, ständig Grundstücke zu verkaufen und weiter durch zu handeln, bevor sie überhaupt (oder auch auch jemals) bebaut worden. Sprudelnde Gewinne wie im Kasino, ohne dass sich nur ein Bauarbeiter die Finger schmutzig gemacht hat. Ein Spiel mit Kalkulationsansätzen, sprich Fantasie-Mieten, die in Excel-Tabellen den vermeintlichen Wert der Immobilien wundersam anstiegen ließen. Investoren hatten Immobilien oft einfach Jahre liegen lassen, um sie nach und nach mit Gewinn weiter zu verkaufen. Eine Schneeballsystem, das nun für die unzureichend gesicherten Anleger zu schmelzen und nun - im grellen Spotlight - einfach abzufließen droht. Experten befürchten, dass in allen großen Städten noch über Jahre leerstehende Investitionsruinen von den Scheinbuchungen künden werden. In Berlin etwa der Steglitzer Kreisel der Adler-Gruppe.

Keine Melde- und Offenlegungspflichten für das nachrangige, nicht gesicherte Fremdkapital

Anders als im Bankenverkehr verliefen die Deals dabei häufig im Geheimen. Kaum jemand hat einen Überblick, wie tief der Graben ist, der unter dem Mezzanine-Geschoss ausgehoben wurde. Die Bankenaufsicht ahnt nur die Abgründe, kennt aber keine Zahlen „Die Branche ist sehr intransparent, weil es keinerlei Melde- oder Offenlegungspflichten für die Akteure gibt“, sagt Düdden. Nur, wer als Anleger die Geschäftsberichte studiert, könnte wenigstens stutzig werden und beginnen, Fragen zu stellen - bei den Pensionskassen und Versorgungswerken. Die Finanzexperten argwöhnen, sie seien von Immobilienhaien „nach allen Regeln der Kunst hinters Licht geführt“ worden. Sie verweisen auf die problematische Konstruktion, dass die Fonds, in das Investoren ihr Geld steckten, zumeist in Luxemburg oder Schweiz beheimatet waren, selbst wenn als Initiatoren institutionelle Investoren aus Deutschland dahinter standen. Ein Kenner spricht von einer „Industrie aus Finanz-Boutiquen“, die den Kassen immer wider ein neues passendes Finanzprodukt aufgequatscht hätten.

Und wie groß war das Volumen der Mezzanine-Geschäfte wirklich? In einer jährlichen Marktumfrage hat das Beratungsunternehmen FAP das jährliche Neugeschäft für Mezzanine- oder Nachrang-Finanzierungen abgefragt. Lag das Volumen anno 2015 bei lediglich 900 Millionen Euro Neugeschäft, summiert es sich in den Boom-Jahren 2019 bis 2022 auf 18,8 Milliarden Euro. Seither ist das Geschäft zum Erliegen gekommen - es werden die Miesen gezählt.

Düdden befürchtet: „Das heutige ausstehende Volumen ist in Deutschland somit insgesamt 15 bis 20 Milliarden Euro groß.“ Öffentlich zu hören, ist von dem Problem nur wenig. Es werden derzeit Schulden umstrukturiert und Verluste abgeschrieben - sehr diskret natürlich. Eine gewisse Expertise ist hierbei nötig, über die viele Betroffene gar nicht verfügen. Geld anlegen ist Vertrauenssache!

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Peter Schubert

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.

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