Bis 2036 gehen Deutschland mindestens 19,5 Millionen Arbeitskräfte verloren, denn die sogenannten Babyboomer-Jahrgänge werden den deutschen Arbeitsmarkt einer aktuellen Analyse zufolge in den kommenden zwölf Jahren verlassen. Die ersten „Babyboomer“, also die geburtenstarken Jahrgänge von ab 1954, erreichen bereits jetzt schon das gesetzliche Renteneintrittsalter.
Gleichzeitig kommen nur 12,5 Millionen jüngere Beschäftigte bis 2036 nach, wie eine Auswertung des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt.
Demografie: Eine tickende Zeitbombe
Das IW betrachtete für seine Untersuchung die Geburtenjahrgänge von 1954 bis 1969 und stützt sich dabei auf den Bevölkerungszensus von 2022, auf Daten des Statistischen Bundesamts und eigene Berechnungen. Demnach erreichten schon Ende 2022 etwa drei Millionen Babyboomer das Renteneintrittsalter. Bis 2036 sollen 16,5 Millionen weitere hinzukommen.
IW: Verteilungskonflikte drohen
Weil jedoch lediglich 12,5 Millionen erwerbsfähige Menschen auf dem Arbeitsmarkt nachkommen, habe die Entwicklung „empfindliche Folgen“: Kamen im Jahr 2022 auf 100 Menschen im erwerbsfähigen Alter knapp 30 über 67 Jahren, werden es den IW-Berechnungen zufolge im Jahr 2040 etwa 41 sein.
Trotz des erwarteten Bevölkerungszuwachses bis 2040 um etwa 2,3 Prozent auf 85 Millionen Menschen bleibe die Alterung der Gesellschaft in Deutschland somit die zentrale sozialpolitische Herausforderung, mahnte das Institut. „Die anstehende Welle der in Rente gehenden Babyboomer wird zu Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt führen“, erklärte IW-Forscher Holger Schäfer. Die Folgen seien nur schwer beherrschbar.
„Da das Arbeitskräftepotenzial im Zuge der Verrentung der Babyboomer stark sinkt, muss es entweder durch Zuwanderung vergrößert werden, oder das bestehende Potenzial muss besser ausgeschöpft werden“, erklärten die Ökonomen. Sollte das nicht gelingen, seien Wohlstandsverluste zu erwarten. „Somit drohen verschärfte Verteilungskonflikte – nicht zuletzt, weil der Anteil der nicht arbeitenden Bevölkerung deutlich zunimmt.“
IW-Lösungsvorschläge: Zuwanderung, längere Arbeitszeiten
Mit Blick auf die Zuwanderung von Fachkräften betonten die IW-Ökonomen, Erleichterungen im Aufenthaltsrecht seien zwar bereits auf den Weg gebracht worden. „Zurzeit gelingt es aber noch nicht, dies in verstärkte Fachkräftezuwanderung umzusetzen.“ Probleme gebe es bei langen Wartezeiten für die Vergabe von Visa, bei der zügigen Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse oder der Überlastung von Ausländerbehörden.
„Zudem sollte die Bundesregierung Anreize schaffen, damit mehr erwerbstätige Personen über das Renteneintrittsalter hinaus im Job bleiben“, forderte das Institut. Auch die individuelle Arbeitszeit von Erwerbstätigen solle erhöht werden, um das bestehende Potenzial „besser auszuschöpfen“
Babyboomer-Generation: Was wir vermissen werden
Auch wenn der Wertekonflikt zwischen jungen und älteren Generationen nicht zu leugnen ist, gibt es einige Schnittpunkte, die zeigen, dass die Existenz aller für den deutschen Arbeitsmarkt wichtig ist. Was die Generation der Babyboomer, die in den 50er- und 60er-Jahren geboren sind, ausmacht? Hier kommen die wichtigsten Punkte, die Arbeitgeber schmerzlich vermissen werden:
Hohe Arbeitsmoral
Arbeiten bis zum Umfallen wollen die jungen Menschen von heute nicht mehr. Die hohe Arbeitsmoral ist dennoch nicht zu verachten. Babyboomer sind bekannt dafür, ihre Arbeit gut machen zu wollen – und dafür geben sie alles. „Workaholic“ ist bekanntlich ihr zweiter Vorname. Durch sie ist die Arbeitslosenquote in Deutschland gesunken und der Wohlstand hat ein neues Gesicht bekommen. Jetzt wird es Zeit, in den verdienten Ruhestand zu gehen und Körper und Seele die Ruhe zu gönnen, die sie verdient haben.
Starke Frauen
Familie haben und den Wunsch danach, dennoch einem Job nachzugehen? Für die Zeit der Babyboomer-Frauen war das noch keine Selbstverständlichkeit. Und doch waren sie es, die den Weg für ihre Familien und Nachkommen geebnet haben, um eine emanzipierte, unabhängige, sichere Zukunft zu haben: Sie haben hohe Bildungsabschlüsse erworben – auch wenn sie oft dennoch nicht arbeiten konnten, wenn sie beispielsweise Mutter wurden.
Vieles, was Frauen heute haben, hatten sie nicht. In einer Zeit, in der die arbeitende Frau, vor allem in Westdeutschland, noch keine Normalität war, haben sie Tapferkeit bewiesen und damit einen wichtigen Grundstein für die heutige Zeit gelegt. Früher war eine Frau im Vertrieb nicht denkbar. Heute ist das nicht ungewöhnlich – auch wenn in vielen Berufen noch immer Männer dominieren. Auch wenn wir noch immer Verbesserungsbedarf haben, hat sich in dieser Hinsicht einiges getan.
Treue gegenüber Arbeitgeber
„Job-Hopping“ gehört heute zum New Normal. Für Babyboomer unvorstellbar, denn sie blieben teilweise mehrere Jahrzehnte in einem Unternehmen. Damit hatten Arbeitgeber besonders loyale Arbeitnehmer, die zuverlässig ihrer Beschäftigung im Betrieb nachgingen. Für Kunden und Geschäftspartner im Business ist dies ein Wert, den die meisten zu schätzen wissen. Diese Art von Treue vermittelt Sicherheit und Verbindlichkeit und sollte unbedingt im Zusammenhang mit der Babyboomer-Generation erwähnt werden. Denn sie gelten aufgrund ihrer Einstellung auch als echte Teamplayer und priorisieren alles, was das Unternehmen und ihr Team weiterbringt.
Ein Abschied, der den deutschen Arbeitsmarkt schon jetzt trifft
Der langsame Abschied von Arbeitnehmern, die sich entweder schon im Rentenalter befinden oder bald in den Ruhestand gehen werden, hinterlässt eine große Lücke, die kompensiert werden will. Erst die kommenden Jahre werden zeigen, welche Strategien helfen und wo es Probleme geben wird. Fest steht jedoch, dass es bereits jetzt, vor allem im sozialen Bereich, einen großen Personal- und Fachkräftemangel gibt, der sich in manchen Branchen verstärken wird – so lauten zumindest die gängigen Prognosen.
Zur Methodik: Die IW-Bevölkerungsprognose stellt die Entwicklung der Bevölkerung Deutschlands und seiner Bundesländer bis zum Jahr 2040 dar. Dazu wurden die demografischen Raten (Fertilitäts- und Mortalitätsraten) sowie der alters- und geschlechtsdifferenzierte Wanderungssaldo durch Zeitreihenmodelle analysiert und bis 2040 prognostiziert. Die Berechnungen basieren auf dem Zensus 2022 und somit auf den neusten statistischen Bevölkerungsdaten.