Zum Jahreswechsel erreicht die Arbeitslosigkeit üblicherweise ihren saisonalen Höhepunkt. Doch dieses Mal prägen zusätzlich rückläufige Einstellungsbereitschaft und wirtschaftliche Unsicherheiten die Situation auf dem Arbeitsmarkt. Insgesamt betrachtet schrieben Unternehmen 2024 deutlich weniger Stellen aus: Allein im zweiten Quartal wurden rund 400.000 freie Stellen weniger gemeldet als im Vorjahreszeitraum. Diese Entwicklung signalisiert, dass der Bedarf an Arbeitskräften bundesweit sinkt – womöglich auch aufgrund wirtschaftlicher Eingrenzungen und mit möglichen weitreichenden Folgen für die Arbeitslosenquote.
Ifo-Institut: Stellenabbau und Einstellungsstopp
Die Unternehmen treten bei der Personalplanung auf die Bremse und beantragen immer mehr Kurzarbeit. Das bestätigt auch das aktuelle ifo-Beschäftigungsbarometer, das im November auf 93,4 Punkte, nach 93,6 Punkten im Oktober sank. „Die Industrie versucht, der Krise mit einer Mischung aus Kurzarbeit und Arbeitsplatzabbau zu begegnen“, sagt Klaus Wohlrabe, Leiter der ifo-Umfragen.
Insbesondere die Industrieunternehmen planen verstärkt, ihre Belegschaft zu verkleinern. Ähnliches gilt für den Handel, obwohl dort der Indikator leicht gestiegen ist. Die Dienstleister hatten über lange Zeit mehr Personal eingestellt – nun gehen sie eher von einer konstanten Entwicklung aus. Im Baugewerbe gibt es aber wenig Bewegung bei der Personalplanung. „Immer mehr Unternehmen stoppen Neueinstellungen“, sagt Wohlrabe. „Zudem diskutieren sie immer häufiger über einen Abbau von Arbeitsplätzen.“
Ifo-Institut: steigende Kurzarbeit
Gleichzeitig steigt die Kurzarbeit in der Industrie. Im November setzten 17,8 Prozent der befragten Firmen in der Industrie auf Kurzarbeit, nach 14,3 Prozent im August. Für die kommenden drei Monate erwarten dies 28 Prozent, nach 23 Prozent im August. Im Vergleich zu vergangenen Krisen sind diese Anteile an Kurzarbeit noch gering. Im Frühjahr 2000, in der Corona-Pandemie, nutzten das Instrument laut den ifo Umfragen 59 Prozent der Industriefirmen.
Über Kurzarbeit federn nach eigenen Angaben vor allem Unternehmen in der Metallerzeugung die Krise ab (41,7 Prozent), gefolgt von den Möbelherstellern (33,7 Prozent), der Autobranche (27,2 Prozent), den Herstellern elektrischer Ausrüstungen (26,9 Prozent), sowie dem Maschinenbau (21,4 Prozent). In der Chemie hingegen wurde von keiner nennenswerten Kurzarbeit berichtet.
BA: 2.774.000 Arbeitslose im November
Auch die aktuellen Zahlen der Bundesagentur der Arbeit bestätigen den Negativtrend der deutschen Wirtschaft – bis hin zu einer zunehmenden Arbeitslosigkeit der Bundesbürger: „Die Wirtschaftsschwäche belastet weiterhin den Arbeitsmarkt. Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung haben im November zwar abgenommen; die Rückgänge waren aber – wie schon im Vormonat – gering“, sagte die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Andrea Nahles.
Die Arbeitslosigkeit ist im November 2024 zwar um 17.000 auf 2.774.000 gesunken. Doch schaut man saisonbereinigt, hat die Zahl der Arbeitslosen gegenüber dem Vormonat um 7.000 zugenommen. Verglichen mit dem November des vorigen Jahres liegt die Arbeitslosenzahl um 168.000 höher. Die Arbeitslosenquote sank um 0,1 Prozentpunkte auf 5,9 Prozent. Gegenüber dem Vorjahresmonat hat sich die Quote um 0,3 Prozentpunkte erhöht.
BA: 268.000 Beschäftigte erhielten Kurzarbeitergeld
Vor Beginn von Kurzarbeit müssen Betriebe eine Anzeige über den voraussichtlichen Arbeitsausfall erstatten. Nach aktuellen Daten wurde vom 1. bis einschließlich 25. November für 64.000 Personen konjunkturelle Kurzarbeit angezeigt. Aktuelle Daten zur tatsächlichen Inanspruchnahme stehen nur bis September 2024 zur Verfügung: So wurde nach vorläufigen hochgerechneten Daten der BA in diesem Monat für insgesamt 268.000 Beschäftigte konjunkturelles Kurzarbeitergeld gezahlt, nach 175.000 im August und 194.000 im Juli.
Arbeitslosenquote wächst bundesweit: Prognose der Bundesländer
Die aktuelle regionale IAB-Arbeitsmarktprognose sagt für alle 16 Bundesländer im kommenden Jahr einen durchschnittlichen Anstieg der Arbeitslosenzahlen um +2,2 Prozent voraus. Die Ergebnisse zeigen aber deutliche regionale Unterschiede – sowohl in der aktuellen Situation als auch bei den langfristigen Prognosen:
Bremen mit höchster Arbeitslosenquote
Im November 2024 betrug die Arbeitslosenquote in Bremen elf Prozent. Deutschlandweit lag die Arbeitslosenquote im selben Monat bei 5,9 Prozent. Im Vergleich unter den Bundesländern hat der Stadtstaat Bremen eine der höchsten Arbeitslosenquoten. Im Jahr 2023 waren dort 564,55 Personen pro 10.000 Einwohner arbeitslos. Bis Ende 2025 wird dieser Wert voraussichtlich leicht auf 573,43 steigen, auch langfristig bleibt die Arbeitslosigkeit in Bremen bis 2030 auf hohem Niveau.
Stärkster Anstieg in Hamburg
In Hamburg liegt die Arbeitslosenquote aktuell bei 8 Prozent. Die Zahl der Arbeitslosen ist demnach in den vergangenen zehn Jahren von 71.560 (2013) auf 80.806 (2023) angestiegen. Für 2025 wird eine Quote von 369 Arbeitslosen je 10.000 Einwohner prognostiziert, während langfristig ein Rückgang auf 353,93 bis 2030 erwartet wird. Das entspricht einem Minus von 19 Prozent.
Während Bremen und Hamburg mit einer hohen Arbeitslosigkeit kämpfen, zeigt Brandenburg besonders starke Rückgänge. In Brandenburg liegt die Arbeitslosenquote momentan bei 6,1 Prozent. Prognosen zeigen aber, dass das östliche Bundesland bis 2030 seine Arbeitslosigkeit um 35 Prozent senken könnte, von 305,99 (2023) auf 142,94 Arbeitslose pro 10.000 Einwohner. Für Ostdeutschland insgesamt wird hingegen eine deutlich höhere Arbeitslosenquote von 7,6 Prozent und ein Anstieg um +0,2 Prozentpunkte erwartet.
Ausblick: Jobschwund seit sieben Quartalen in Folge
Im dritten Quartal 2024 gab es bundesweit noch 1,28 Millionen offene Stellen. Das sind bereits 58.100 Stellen weniger als im Vorquartal. Im Vergleich zum dritten Quartal 2023 fällt der Rückgang mit einem Minus von 446.500 oder rund 26 Prozent noch stärker aus. Damit ging die Zahl der offenen Stellen das siebte Quartal in Folge zurück. Das geht aus der aktuellen IAB-Stellenerhebung hervor, einer regelmäßigen Betriebsbefragung des IAB.
Fazit: Die rückläufige Nachfrage nach Personal deutet darauf hin, dass neben der Konjunkturflaute auch strukturelle Herausforderungen wie Digitalisierung und demografische Veränderungen, durch den Wegfall der 20 Millionen „Babyboomer“ bis 2036, die Dynamik zusätzlich beeinflussen. Für Arbeitnehmer und Unternehmen bedeutet das zukünftig, eine gewisse Flexibilität und die Fähigkeit, sich auf diese Veränderungen einzustellen, zum Beispiel durch Weiterbildung, Umschulungen, Umzüge und mögliche Quereinstiege.