Panorama

Jubiläum: Erst das große Ampel-Aus - und jetzt die 100-Jahr-Feier der allerersten Ampel in Berlin

Gerade ist der Begriff "Ampel-Aus" zum (Un)-Wort des Jahres gewählt und ordentlich abgefeiert worden dafür - als Akt der politischen Erleichterung. Trefflich, dass am heutigen Tag auch das 100-jährige Ampel-Jubiläum am Potsdamer Platz zu zelebrieren ist - die echte Ampel in Deutschland, die erste Europas sogar. Als technische Neuerung war es ein Zeichen des Aufbruchs inmitten der Wirren der Weimarer Republik. Die Goldenen Zwanziger Jahre begannen damals. Diesmal vielleicht auch? Obwohl die Ampel längst (von der EU verordnet) vom Kreisverkehr verdrängt wird!
15.12.2024 17:12
Aktualisiert: 15.12.2024 17:12
Lesezeit: 2 min
Jubiläum: Erst das große Ampel-Aus - und jetzt die 100-Jahr-Feier der allerersten Ampel in Berlin
Der Nachbau des Ampelturms steht seit 1997 am Potsdamer Platz. Im Vordergrund zeigt eine moderne Ampel für die Fußgänger rot. Der Turm wurde 1924 errichtet und war eine der ersten Lichtanlagen zur Verkehrsregelung in Europa. (Fotos: dpa) Foto: Monika Skolimowska

Rot, gelb und grün - im satten Licht der neuen Elektrizität und bei voller Aufmerksamkeit der noch ungeübten Kraftfahrer und anderen Verkehrsteilnehmer. Am Potsdamer Platz wurden am 15. Dezember 1924 Zeichen gesetzt mitten in Berlin - das gebeutelte Deutschland schüttelte die Kriegserinnerungen gerade ab und machte sich voller Elan auf in eine neue Zeit. Vor genau 100 Jahren war das, und die Deutschen Wirtschaftsnachrichten finden: dass ist eine Erinnerung wert. Nicht alle Ampeln haben ihren Sinn verloren, möchte man aus aktuellem Anlass anfügen. Die erste Ampel steht sogar wieder an Ort und Stelle!

In Wirklichkeit war es ein Verkehrsturm, der da an der Schnittstelle des alten zum neuen West-Berlin errichtet worden war. Aus fünf Straßen mündete der Verkehr auf den einst verkehrsreichsten Platz Europas. Deshalb erhielt der Turm auch fünf Anssichtsseiten. In jeder Richtung leuchteten drei Lampen waagerecht nebeneinander. Seit dem Mauerfall und dem Neubau der Blocks rund um den Potsdamer Platz ist der Verkehrsturm wieder präsent im Berliner Gewusel - wenn auch nur als Sehenswürdigkeit und Fußnote der technischen Geschichte des Landes. Der Architekt Jean Krämer, einst in leitender Stellung beim großen Baumeister Peter Behrens und die AEG tätig, hatte den Lichtturm entworfen - für den Siemens-Konzern. Eine Gedenktafel am Fuße des Ampelturms erinnert heute noch an Krämer.

Noch sehenswerter muss damals der "Schupo" gewesen sein, der ihm überantwortete neue Technik noch händisch umgeschaltet hat. Immerhin sparte die Berliner Verkehrspolizei dadurch richtig Personal ein, dass zuvor mit Trillerpfeife und, wild gestikulierend, noch mit Handzeichen den Andrang in geregelte Bahnen gelenkt hat. Sparen war schon immer eine der größten Antriebsfedern der deutschen Hauptstadt - damals wie heute.

Und auch vor 100 Jahren mokierte sich die stets um Aufmerksamkeit und Wichtigkeit konkurrierende Hansestadt in Hamburg, dass in Wahrheit ja am Stephansplatz die erste Ampel installiert hatte - wenn auch zunächst nur für den Straßenbahnverkehr. Eine deutsche Erfindung war die Ampel freilich ohnehin nicht: Schon 1868 war die erste Gas-Ampel am Parliament Square in London entzündet worden.

Auch der Stau war zu allererst eine englische Unpässlichkeit auf den Straßen von London. Weshalb der Bahnmanager John Peake Knight die Idee hatte, auch den Autoverkehr wie die Eisenbahnen mit Signalzeichen zu regeln und zu schützen - sie soll nur förmlich explodiert sein, wie die britische BBC in den Annalen herausgefunden hat. Deswegen gilt als erste elektrisch betriebene Ampel der Welt eine 1914 installierte Anlage in der US-Stadt Cleveland. "Stop" and "Go" - so geht es seither im geschäftigen Amerika hin und her.

Und tatsächlich wird die Sache mit dem knalligen Gelb auf den amerikanischen Ampeln bei weitem nicht so ernst genommen wie bei uns - weder im Straßenverkehr noch scheinbar in politischen Fragen. Die gelbe Gefahr ist vielmehr Ausfruck der deutschen Ängstlichkeit, möchte man meinen. Mithin der drohende Finger des Schutzmanns, doch, bitte schön, endlich in die Pötte zu kommen." Wobei wir uns seit der Deutschen Einheit eigentlich vielmehr über die süssen Ampelmännchen aus der Verkehrsordnung der DDR gefreut haben. Sie sind komischerweise nur noch ein Souvenir - nicht mal der grüne Pfeil (zum zeitsparenden) Rechts-Abbiegen hat überlebt.

Von Vorfahrt kann keine Rede sein. Geduld ist gefragt! Abwarten, bis endlich wieder freie Fahrt gilt.

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Peter Schubert

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.

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