Der Ausgleich der kalten Progression in der Einkommensteuer sowie weitere Entlastungen und Belastungen bei Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen gehören zum Jahreswechsel zur eingespielten Routine. Doch diesmal könnte es zum 1. Januar 2025 anders kommen: Während der Bundesrat der von der Bundesregierung verabschiedeten Verordnung zur Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenzen in der Sozialversicherung zugestimmt hat, und auch die Erhöhung der Beitragssätze beschlossene Sache ist, steht ein Beschluss zum Ausgleich der kalten Progression einschließlich einer Anpassung von Kindergeld und Kinderfreibetrag noch aus.
Steuerzahler bezahlen für Nachlässigkeit der Ampel
Die Bundesregierung aus SPD, Bündnis90/Die Grünen und SPD hatte den Ausgleich als Teil des Steuerfortentwicklungsgesetzes vorgesehen, nach dem Ende der Koalition ist jedoch der Ausgang offen. In dieser Woche könnte Bundestag den Ausgleich der kalten Progression noch beschließen. Doch ob die Entlastungspläne auch im Bundesrat eine Chance haben, ist fraglich. Damit sie dort eine Mehrheit bekommen, ist auch die Zustimmung der Union nötig. Außerdem müssten die Länder auf Einnahmen verzichten.
Sollte es nicht zu einer Einigung zwischen Regierung und Opposition kommen, wirken zum 1. Januar 2025 zunächst nur höhere Belastungen für die Nettoeinkommen. Das bedeutet, im kommenden Jahr müssen die Steuerzahler in Deutschland noch mehr zahlen als 2024.
Zudem hat Finanzminister Jörg Kukies (SPD) bereits angekündigt, dass die Gesetzgebung voraussichtlich in diesem Jahr nicht mehr abgeschlossen werden könne, weil die letzte Bundesratssitzung am 20. Dezember nicht erreicht werden könne. Die Ländervertretung könne aber spätestens im Februar zustimmen, womit die Entlastungen und die Kindergelderhöhung rückwirkend ab Jahresanfang gelten würden.
Mehrheit der Steuerzahler zahlt 2025 mehr
Das Zeigen auch die Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die am Sonntag veröffentlicht wurden.
Besonders Topverdiener spüren demnach die Änderungen: Unterm Strich zahlt ein Single mit einem jährlichen Bruttoeinkommen von 100.000 Euro auf das Jahr gerechnet 863 Euro mehr Steuern und Abgaben.
Eine Familie mit zwei Kindern und einem gemeinsamen Einkommen von 130.000 Euro hat am Ende des Jahres 731 Euro weniger in der Tasche. Alleinerziehende mit einem Jahresbruttoeinkommen von 70.000 Euro müssen auf 568 Euro verzichten.
Ampel-Entlastungspaket: Taktik statt Steuersenkungen
Sollten der geplante Ausgleich der kalten Progression sowie die Kindergelderhöhung noch kommen, profitieren laut IW besonders Familien mit zwei Kindern. Familien mit einem gemeinsamen Bruttojahreseinkommen von bis zu 90.000 Euro können dann am Ende des Jahres ein Plus von 40 bis zu 50 Euro verzeichnen.
Einzig Topverdiener mit einem gemeinsamen Bruttojahreseinkommen von 130.000 Euro hätten trotz Entlastungen 227 Euro weniger im Portemonnaie.
Selbst für den Fall, dass die Beschlüsse kommen: Eine spürbare Entlastung wäre auch das wohl nicht, unterm Strich hätten die meisten Steuerzahler dem Institut zufolge weniger im Portemonnaie als noch 2024.
„Die Bundesregierung sollte dringend die Mehrbelastungen der kalten Progression ausgleichen und auch einkommensschwache Haushalte entlasten“, sagte IW-Steuerexperte Martin Beznoska. „Dafür wäre das versprochene Klimageld der richtige Weg.“
IW fordert Ausgleich der kalten Progression: Was auf private Haushalte zukommt
Für die Steuerzahler wäre der Ausgleich der kalten Progression wichtig, um die Belastungseffekte zumindest abzumildern. Denn auf der Belastungsseite kommt einiges auf die privaten Haushalte zu:
- Erstens steigen die Beitragsbemessungsgrenzen in der Sozialversicherung um 6,44 Prozent, was an den starken Lohnzuwächsen im Jahr 2023 infolge der Inflation liegt. Wer mehr als 62.100 Euro brutto im Jahr verdient, spürt die Erhöhung des Grenzwerts für gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung auf 66.150 Euro. Wer mehr als 90.600 Euro brutto verdient, spürt zudem die Erhöhung des Grenzwerts für die gesetzliche Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung auf 96.600 Euro.
- Zweitens steigen aufgrund von Finanzierungsengpässen die Beitragssätze in der gesetzlichen Pflegeversicherung um voraussichtlich 0,2 Prozentpunkte, in der gesetzlichen Krankenversicherung über den Zusatzbeitrag um durchschnittlich 0,8 Prozentpunkte. In Summe steigen die Beitragssätze von 41 Prozent auf 42 Prozent. Dieser zusätzliche Prozentpunkt bedeutet Einnahmen von rund 19 Milliarden Euro im Jahr 2025 und entfällt hälftig auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
- Drittens erreicht der Pfad des steigenden CO₂-Preises die nächste Stufe. Der CO₂-Preis pro Tonne steigt zum 1. Januar 2025 um weitere 10 Euro, nachdem dieser zuletzt zum 1. Januar 2024 um 15 Euro gestiegen ist. Für die meisten Privathaushalte bedeutet dies eine zusätzliche Belastung beim Tanken und Heizen, da Kraftstoffe und Heizenergieträger direkt betroffen sind. Indirekt hat der CO2-Preis auch Auswirkungen auf den Strompreis, da für die Erzeugung des Stroms aus fossilen Quellen auf diese die Abgabe ebenfalls entfällt.
Durch das Zusammenspiel dieser Belastungswirkungen hat ein Durchschnittsverdiener mit 50.000 Euro Bruttojahreseinkommen ohne den Ausgleich der kalten Progression dadurch per Saldo 233 Euro weniger Nettoeinkommen im Jahr, während es bei einem Gutverdiener mit 70.000 Euro Bruttojahreseinkommen 541 Euro weniger netto im Jahr sind.
IW: Wo bleibt das Klimageld?
Die Ampel-Koalition hatte ein Klimageld im Koalitionsvertrag vereinbart, umgesetzt wurde es nicht. Für eine neue Bundesregierung stellt sich unverändert die Frage, inwieweit die Lasten aus dem steigenden CO₂-Preis sozialverträglich aufgefangen werden sollen. Eine Kompensation in Form eines Klimagelds wäre insbesondere für Privathaushalte mit geringen Einkommen wichtig, da der CO₂-Preis zu einer regressiven Belastungswirkung führt, und könnte die politische Zustimmung zu dem weiter steigenden Preispfad stärken.