Wie Bahn-Chef Richard Lutz in einem Interview mit dem Tagesspiegel mitteilte, erwartet die Deutsche Bahn im Jahr 2024 einen Umsatzverlust von 700 Millionen Euro aus dem Fernverkehr. Das Jahr fing schon schlecht an mit den Streiks im ersten Halbjahr, die ein wahres Bahnchaos verursachten. Aber auch der Rest des Jahres war von Pleiten, Pech und Pannen geprägt. Unzählige Verspätungen, Zugausfälle, ungeplante Bauarbeiten und in der Folge eine starke Zurückhaltung insbesondere der Geschäftsreisenden bei der Nutzung der Deutschen Bahn.
Verspätungen werden teuer
Speziell die langen Verspätungen kommen die Bahn teuer zu stehen. Fahrgästen stehen Entschädigungen zu, wenn Fernzüge über eine Stunde Verspätung haben. Alleine aus diesem Grund erwartet Lutz einen deutlichen dreistelligen Millionenbetrag, der zu erstatten ist.
Ausgegebenes Ziel der Deutschen Bahn war es für dieses Jahr, dass 70 Prozent der Fernzüge pünktlich sein sollten. Die Bilanz zeigt aber ein anderes Bild. Nicht einmal 65 Prozent der Züge sind mit einer Verspätung von unter 6 Minuten angekommen, wie Lutz weiter mitteilte. Er führt die schlechte Leistung auf die marode Infrastruktur zurück, die zu alt und störanfällig sei.
Wie aus Expertenanalysen zu den Zugverspätungen allerdings hervorgeht, waren jedoch nur 18 Prozent der Zugverspätungen im ersten Halbjahr 2024 auf die marode Infrastruktur zurückzuführen. Weit mehr als die Hälfte der Verspätungen entstanden hingegen durch ein zu volles Netz, zu knappe Fahrpläne und Personalmangel, wie Verkehrswissenschaftler Christian Böttger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin mitteilte. Wie er weiter ausführte, sei häufig eine Kombination aus Ereignissen schuld an Verspätungen. So stellte er fest, dass bei Verspätungen über 15 Minuten in über 90 Prozent der Fälle nicht nur eine Verspätungsursache vorlag. Eine detailliertere Angabe zu den Kombinationen von Verspätungsgründen und deren Häufigkeit sei aber nicht möglich.
70 Prozent Pünktlichkeit kann Lutz auch für 2025 nicht versprechen. Allerdings schätzt er die Performance der Bahn für die kommenden Weihnachtsfeiertage als ziemlich gut ein. Die Bahn werde alles auf die Schiene bringen, was rollt, und auch die Bautätigkeiten würden über die Feiertage reduziert. Deshalb erwartet er eine deutliche Erholung bei der Pünktlichkeit für die letzten beiden Dezemberwochen.
Sanierungsprogramme bis 2027 verabschiedet
Vorletzte Woche wurden erst die Sanierungspläne des Programms „S3“ vom Aufsichtsrat der Deutschen Bahn abgesegnet. Bis 2027 soll dadurch eine umfassende Sanierung der Infrastruktur gelingen und die betrieblichen und wirtschaftlichen Prozesse reformiert werden. Inhalt der Sanierungsvorhaben im wirtschaftlichen Bereich ist allerdings auch der Abbau von 30.000 Vollzeitstellen in der Verwaltung in den nächsten 5 Jahren, um die Personalkosten deutlich zu senken. Der Personalbedarf soll an diesen Stellen durch Maßnahmen wie Vereinfachung, Standardisierung, Automatisierung und Digitalisierung gesenkt werden.
Allerdings soll in den operativen Bereichen, wie der Instandhaltung, bei Lokführern und Lokführerinnen, im Service und bei Fahrdienstleitenden, sehr viel neues Personal eingestellt werden, denn hier herrscht ein dringender Bedarf. Auch sind in diesem Bereich die Ausbildungsplätze massiv ausgebaut worden.
Das Sanierungsprogramm „S3“ sieht ferner eine Zielmarke von 75 bis 80 Prozent Pünktlichkeit im Fernverkehr vor.
Der Bundestag hat bereits Finanzmittel für die Sanierungspläne des bundeseigenen Konzerns verabschiedet. Die durch das Bundesschienenwegeausbaugesetz geplante Finanzierung soll für das kommende Jahr 2,36 Milliarden Euro betragen und vornehmlich in die geplante Sanierung der Bahnstrecke Berlin-Hamburg fließen.
Für die gesamte Sanierung der Infrastruktur bis 2030 hat die Deutsche Bahn 45 Milliarden Euro vom Bund gefordert. Rund 40 Milliarden wurden dem bundeseigenen Konzern bis 2030 versprochen.
Geplante Großbaustellen für 2025
Für Bahnkunden bleiben die Aussichten allerdings problematisch. Bis 2030 will die Deutsche Bahn insgesamt 40 wichtige Teilstrecken im Schienennetz für Monate sperren und grundlegend sanieren. Massive Beeinträchtigungen und auch weiterhin Verspätungen werden sich also für Millionen von Kunden nicht vermeiden lassen.
Einschränkungen wird es hier zu Jahresbeginn insbesondere an den Knotenpunkten Darmstadt und Hannover geben. Im Laufe des Jahres sind ferner weitere Streckensanierungen geplant. Diese betreffen die Verbindungen Essen-Dortmund, Bielefeld-Hannover, Oberhausen-Emmerich, Berlin-Hamburg, Mannheim-Stuttgart und Hamburg-Schwerin.