Unternehmen

Fachkräftemangel hausgemacht? Zu viele Akademiker, zu wenig Azubis - Deutschland braucht eine Reform der Berufsausbildung

Zu viele Jugendliche studieren, zu wenige streben in die Ausbildung. Die Unternehmen sehen einen Veränderungsbedarf bei der Berufsausbildung und geben in einer Ifo-Umfrage an, an welchen Stellschrauben sie drehen wollen. Höchste Zeit, denn Deutschland braucht schon lange eine Reform der Berufsausbildung.
24.01.2025 06:04
Lesezeit: 2 min
Fachkräftemangel hausgemacht? Zu viele Akademiker, zu wenig Azubis - Deutschland braucht eine Reform der Berufsausbildung
Unternehmer wollen Berufsausbildung modernisieren: 35 Prozent der Ausbildungsplätze sind im vergangenen Jahr nicht besetzt worden. Das ist ein neuer Rekord. (Foto: dpa) Foto: Patrick Pleul

Die deutsche Wirtschaft steht vor einer bedeutenden Herausforderung: Fast drei Millionen junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren haben in Deutschland keinen Berufsabschluss. Der Fachkräftemangel belastet viele Unternehmen, und die Berufsausbildung wird als ein zentraler Hebel zur Lösung dieses Problems angesehen. KMU’s sehen sich mit etlichen Herausforderungen im Ausbildungssektor konfrontiert sind.

Reform der Berufsausbildung: Drei Viertel der Firmen sieht Veränderungsbedarf

Eine aktuelle Umfrage des Ifo-Instituts zeigt, dass 77 Prozent der befragten Unternehmen eine Reform der Berufsausbildung befürworten.

„Die Unternehmen fordern vor allem modernere Berufsschulen und Lehrpläne sowie ein verbessertes Image der Berufsausbildung“, sagt ifo-Forscher Jonas Hennrich. Diese Reform soll insbesondere das Berufsschulwesen modernisieren und die Lehrpläne an die Anforderungen der heutigen Arbeitswelt anpassen.

Bessere Verzahnung von Theorie und Praxis

Ein wesentlicher Aspekt der geforderten Reform ist die verstärkte Zusammenarbeit zwischen Berufsschulen und Ausbildungsbetrieben. Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen sieht hierin eine Notwendigkeit, um die Qualität der Ausbildung zu verbessern und das Ansehen der Berufsausbildung zu steigern. Diese Kooperation könnte dazu beitragen, die Kluft zwischen theoretischem Wissen und praktischen Anforderungen zu überbrücken.

Azubimangel: Geringe Anzahl an Bewerbungen

Die Umfrage verdeutlicht auch die Knappheit an Auszubildenden: Viele Unternehmen können nicht so viele Nachwuchskräfte ausbilden, wie sie benötigen. Während 41 Prozent der Unternehmen weniger Nachwuchs als gewünscht ausbilden, gibt es nur bei einem Prozent mehr Lehrlinge als erforderlich. „Vor allem kleine Unternehmen haben offene Lehrstellen“, sagt Hennrich.

Besonders kleine Betriebe haben Schwierigkeiten, geeignete Bewerber zu finden, während Großunternehmen eher die Qualität der Kandidaten bemängeln. Unternehmen mit Schwierigkeiten bei der Suche nach neuen Auszubildenden erhalten größtenteils zu wenig Bewerbungen (67 %). Das trifft sogar auf 82 % der kleinen Firmen zu.

Berufsausbildung: Reform notwendig wegen alter Lehrpläne und neuer Arbeitswelt

Ein Hauptgrund für die Besetzungsschwierigkeiten liegt laut den befragten Personalleitern in der unzureichenden Qualifizierung der Bewerber sowie in der geringen Anzahl der Bewerbungen. Trotz dieser Herausforderungen sind viele Unternehmen mit der Qualität der eingestellten Auszubildenden zufrieden: 8 Prozent bewerten diese als sehr gut, 67 Prozent als gut.

Die Forderung nach einer Reform der Berufsausbildung ist nicht neu, aber die Dringlichkeit hat zugenommen. Angesichts der rasanten technologischen Entwicklungen und der sich wandelnden Arbeitswelt müssen Ausbildungsinhalte kontinuierlich angepasst werden, um den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden. Dies erfordert nicht nur eine Anpassung der Lehrpläne, sondern auch eine stärkere Integration digitaler Kompetenzen in die Ausbildung.

Die Zukunft der Berufsausbildung in Deutschland hängt maßgeblich davon ab, wie schnell und effektiv diese Reformen umgesetzt werden können. Unternehmen, Bildungseinrichtungen und die Politik sind gleichermaßen gefordert, um gemeinsame Lösungen zu entwickeln, die den Fachkräftemangel langfristig lindern können.

Azubimangel und Akademikerschwemme

35 Prozent der Ausbildungsplätze sind im vergangenen Jahr nicht besetzt worden. Das ist ein neuer Rekord. Schuld ist auch ein Bildungsdünkel, der Abi und Studium höher einschätzt. Tatsächlich streben junge Leute in Deutschland nach der Schule lieber an die Uni, statt in die Werkstatt oder ins Büro. Fast 2,9 Millionen Studierende waren im Wintersemester 2023/24 an deutschen Hochschulen eingeschrieben. Rund 1,2 Millionen waren Ende 2022 in der Ausbildung. Es gibt also mehr als doppelt so viele Studierende wie Azubis.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

 

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

Mirell Bellmann

Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

DWN
Politik
Politik Armenien kehrt Russland den Rücken – und öffnet sich dem Westen
23.06.2025

Armenien verabschiedet sich von Russland als Schutzmacht. Der Kreml sieht tatenlos zu – der Westen greift zu. Was das für Europa und...

DWN
Politik
Politik EU knickt ein: Russland darf weiter an Öl-Milliarden verdienen
23.06.2025

Die EU wollte Russland mit einer drastischen Senkung der Ölpreisobergrenze Milliarden entziehen. Doch angesichts wachsender Krisen rudert...

DWN
Finanzen
Finanzen Bankgeschäfte im Wandel: Online-Banking auf dem Vormarsch – auch bei Älteren
23.06.2025

Digitale Bankgeschäfte sind längst keine Domäne der Jüngeren mehr. In Deutschland steigt die Nutzung von Online-Banking quer durch alle...

DWN
Finanzen
Finanzen Börse aktuell: DAX-Kurs zum Start unter Druck nach US-Angriff auf den Iran, Ölpreise steigen
23.06.2025

Die Börse steht unter Druck: Nach dem überraschenden US-Angriff auf iranische Atomanlagen herrscht Verunsicherung an den Aktienmärkten....

DWN
Panorama
Panorama Israel Iran Konflikt: Trump signalisiert Unterstützung für Machtwechsel im Iran
23.06.2025

US-Präsident Donald Trump deutet nach den Bombardierungen der Atomanlagen im Iran durch das US-Militär Unterstützung für einen Wechsel...

DWN
Technologie
Technologie Mensch und Maschine: Die Zukunft der Cyberabwehr
23.06.2025

Cyberangriffe werden raffinierter, herkömmliche Schutzmechanismen reichen nicht mehr aus. Moderne Sicherheitszentren setzen daher auf eine...

DWN
Immobilien
Immobilien Miete bald unbezahlbar? Mehr als die Hälfte des Gehalts für die Miete
23.06.2025

Als Mieter müssen viele Menschen mittlerweile mehr als die Hälfte ihres Einkommens für ihre Bleibe bezahlen. Wie eine repräsentative...

DWN
Politik
Politik Rückkehr der Wehrpflicht in Deutschland: Nato-Ziele nur mit Pflicht zum Wehrdienst möglich
22.06.2025

Die Nato drängt: „Um der Bedrohung durch Russland zu begegnen“, hat die Nato ein großes Aufrüstungsprogramm beschlossen. Doch wie...