Wirtschaft

Europas Wachstumslokomotive: Wie Spanien zum Wachstums-Star wird

Wachstums-Star Spanien: Während Deutschlands Wirtschaft stagniert, erlebt Spanien ein beeindruckendes Comeback. Dank Rekorden im Tourismus, erfolgreicher Solarenergie-Nutzung und starkem privaten Konsum entwickelt sich das Land zur neuen Wachstumslokomotive Europas. Doch wie nachhaltig ist dieses Wachstum, und sollte Deutschland daraus lernen?
23.01.2025 14:35
Lesezeit: 3 min

Europas neuer Überflieger: Wird Spanien zum Wachstums-Star?

Auf einmal Europas Wachstumslokomotive: In Davos verweist Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez stolz auf die starke Wirtschaft seines Landes – die sich deutlich besser entwickelt als die deutsche.

Auf der großen Bühne des Weltwirtschaftsforums zeigt sich Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez zunächst zurückhaltend und erwähnt es mit keinem Wort. Doch den Unternehmenschefs und Politikern in Davos bleibt nicht verborgen, dass das südeuropäische Land wirtschaftlich derzeit glänzt. Während deutsche Topmanager ein drittes Rezessionsjahr in Folge befürchten, könnte Spanien zur Wachstumslokomotive Europas avancieren.

Die Zahlen sprechen jedenfalls für sich: Spaniens Wirtschaft wuchs 2024 nach der jüngsten Schätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) um 3,1 Prozent – und übertraf damit sogar die der USA. Deshalb wird Sánchez in Davos direkt gefragt: Was kann Spanien Europa an Ratschlägen mitgeben? "Mir gefällt es nicht, anderen Lektionen zu erteilen", antwortete der 52-jährige Sozialist, doch sein Stolz ist unverkennbar.

"Wir im Süden (Europas) können auch Lösungen für gemeinsame Probleme beitragen", betonte Sánchez anschließend. Er verwies darauf, in der Energiekrise nach der russischen Invasion in der Ukraine auf saubere Energien – in Spanien vor allem Solarenergie – gesetzt zu haben. Keine Spur mehr von der Zeit, als Spanien wie Portugal, Italien oder Griechenland zu den Sorgenkindern der EU zählte.

Sánchez: Spanien soll "beste Wirtschaft weltweit" werden

Deutlicher äußerte sich der spanische Regierungschef kürzlich in einer Rede auf dem Internationalen Investorentag in Madrid: Für 2025 erklärte er das Ziel, Spanien solle "wieder die beste Wirtschaft weltweit" werden. "Jetzt ist Spanien die Lokomotive Europas", sagte kürzlich auch Félix Bolaños, Justiz- und Präsidentschaftsminister.

Warum steht Spanien so viel besser da als beispielsweise das europäische Sorgenkind Deutschland? Ein wesentlicher Faktor ist der Tourismus: Spanien verzeichnete 2024 mit 94 Millionen ausländischen Touristen einen neuen Besucherrekord. Laut Sánchez wächst die Wirtschaft diesmal – anders als in den frühen 2000er Jahren während des Immobilienbooms – nicht durch schnelles Geld, sondern sehr ausgewogen.

Analysten von Spaniens größter Sparkasse La Caixa verweisen als Wachstumsfaktoren zusätzlich auf den Dienstleistungssektor und einen starken privaten Konsum. Die Landwirtschaft hat sich von der jüngsten Dürre erholt, und das verarbeitende Gewerbe zeigt sich nach der Energiekrise gestärkt. Der Tourismus übertrifft mit dem jüngsten Besucherrekord sogar das Niveau vor der Corona-Pandemie.

Warum läuft es in Deutschland so viel schlechter?

Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck spricht in Davos zur selben Zeit wie der Spanier. Die Fragen an ihn fallen deutlich unangenehmer aus – und das nicht ohne Grund. Deutschlands Wirtschaft ist zwei Jahre in Folge geschrumpft. Einer zum WEF veröffentlichten Umfrage zufolge erwarten Führungskräfte mehrheitlich, dass sich daran auch 2025 kaum etwas ändern wird. Der IWF prognostiziert maximal ein Wachstum von 0,3 Prozent.

Er habe selbst erst einmal herausfinden müssen, wo die wahren Probleme der deutschen Wirtschaft liegen, räumt Habeck in Davos ein. Lange Zeit ging man davon aus, die Wirtschaft werde sich rasch von Schocks wie der Corona- und der Energiekrise erholen. Doch es kam anders. "Wir haben gewissermaßen übersehen, dass es sich nicht um eine kurzfristige Krise, sondern um eine Strukturkrise handelt", erklärt Habeck.

Diese trifft vor allem die Industrie. Der Maschinen- und Autobau produziert deutlich weniger, und die energieintensive Chemie- und Metallindustrie kämpft mit hohen Strompreisen. Der für Deutschland so wichtige Außenhandel schwächelt. Die Krise belastet inzwischen die Verbraucherstimmung so stark, dass – anders als in Spanien – der private Konsum nichts ausgleichen kann.

"Wir müssen unser Geschäftsmodell neu erfinden", folgert Habeck. Die starke Abhängigkeit vom Export – einst Deutschlands Stärke – sei nun zur Schwäche geworden.

Spaniens Schattenseiten

Doch auch Spaniens beeindruckenden Zahlen haften Schattenseiten an: Die Staatsverschuldung liegt bei über 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Für Deutschland prognostizierte das Finanzministerium im Sommer eine Schuldenquote von rund 64 Prozent.

Hinzu kommen in Spanien hohe staatliche Ausgaben, die das Wachstum maßgeblich ankurbeln. Wirtschaftsexperten warnen deshalb vor einer Konjunktur auf "tönernen Füßen", die ohne diese Ausgaben wieder einbrechen könnte.

"Das Wachstum der spanischen Wirtschaft kommt einfach nicht bei den Menschen an", kritisierte diese Woche Mertxe Aizpurua von der baskischen Partei EH Bildu. Während die Unternehmensgewinne steigen, bleiben die Gehälter unverändert.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Europas E-Auto-Interesse schwindet: Verbraucher unzufrieden mit Ladepreisen
20.06.2025

Trotz Klimazielen sinkt Europas Interesse an E-Autos. Hohe Preise und unzufriedene Kunden bremsen die Wende – die USA sind inzwischen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Feiertage abschaffen: Wirtschaftlicher Nutzen bleibt fraglich
20.06.2025

Bringt die Abschaffung von Feiertagen wirklich mehr Wirtschaftswachstum? Eine aktuelle Studie analysiert reale Beispiele aus mehreren...

DWN
Politik
Politik Internationales Wirtschaftsforum in St. Petersburg: Putin spricht zur Weltlage – und Selenskyj stellt seine Legitimität infrage
20.06.2025

Während Russland sich beim Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg als globaler Akteur inszeniert, stellt die Ukraine Putins...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX aktuell: Börse erholt sich zum Start in den Freitagshandel nach mehreren Verlusttagen
20.06.2025

Der DAX hat eine schwierige Woche hinter sich – doch am Freitag zeigt sich Hoffnung. Die Anleger blicken auf politische Entwicklungen und...

DWN
Politik
Politik Iran-Israel-Krieg: Europäische Initiative zur Lösung des Atomkonflikts
20.06.2025

Der militärische Konflikt zwischen Israel und dem Iran spitzt sich weiter zu – doch parallel bemühen sich europäische Diplomaten um...

DWN
Technologie
Technologie EU-Energielabel für Smartphones kommt
20.06.2025

Ein neues EU-Energielabel soll Verbraucherinnen und Verbrauchern beim Kauf von Smartphones und Tablets künftig zeigen, wie effizient,...

DWN
Finanzen
Finanzen Analysten warnen: Ein globaler Börsencrash rückt näher
20.06.2025

Ein Börsencrash droht – das ist die Meinung einiger Aktienexperten. Der Grund: Der Nahost-Konflikt könnte die Ölpreise treiben und...

DWN
Technologie
Technologie KI-Gigafactory: Telekom, Ionos und Schwarz-Gruppe kämpfen um EU-Zuschlag
19.06.2025

Mehrere Milliarden Euro und ein strategisches Zukunftsprojekt: Die EU will Gigafactories für künstliche Intelligenz aufbauen – auch in...