Die jüngsten Nachrichten vom Immobilienmarkt sind wieder schlecht: In vielen deutschen Städten die Mieten Ende letzten Jahres deutlich gestiegen, während die Kaufpreise stabil bleiben. Laut dem aktuellen IW-Wohnindex sind Neuvertragsmieten im vierten Quartal 2024 im Vergleich zum Vorjahr um rund 4,7 Prozent gestiegen. Besonders in Berlin sind Neumieten hochgeschossen (um 8,5 Prozent mehr), gefolgt von in Essen (plus 8,2 Prozent) und in Frankfurt (8 Prozent höher). Auch in Leipzig (plus 7,3 Prozent) und Hamburg (plus 5,4 Prozent) müssen Mieter deutlich tiefer in die Tasche greifen.
Im laufenden Wahlkampf sollte das Thema Wohnungspolitik eine der Top-Prioritäten bekommen. Doch wie genau stehen die Parteien zur Baupolitik – ein wichtiger Hebel zur Bewältigung der Wohnungsnot in Deutschland. Und sind schärfere Mietenregulierungen nach der Wahl wahrscheinlich?
Ziele verfehlt, deutlich höhere gesellschaftspolitische Bedeutung für wohnpolitische Themen
Dr. Sören Gröbel, Director of Living Research bei Immobiliendienstleister JLL Germany kommentiert: „Die Vorgängerregierungen haben sowohl beim Wohnungsneubau als auch bei der Bezahlbarkeit ihre selbst gesteckten Ziele deutlich verfehlt. Daher haben diese Themen einen signifikant höheren gesellschafts- und sozialpolitischen Stellenwert erhalten und werden im Wahlkampf von den Parteien strategisch aufgegriffen und für ihre jeweiligen politischen Zwecke genutzt.“
Dass die Parteien dabei unterschiedliche Schwerpunkte setzen, spiegele die Komplexität der wohnungspolitischen Herausforderungen wider. „Während bei der Ausweitung des Wohnungsangebots weitgehend Einigkeit herrscht, sehen wir bei der Mietpreisregulierung erhebliche Differenzen“, erklärt Gröbel. Dies könnte die Kompromissfindung in möglichen Koalitionsverhandlungen komplizierter machen.
In einer jüngsten Analyse hat JLL die wohnungspolitischen Positionen der Parteien analysiert und die vorgeschlagenen Einzelmaßnahmen bewertet, ob diese tatsächlich umsetzbar sind. Der Immobiliendienstleister hat die Maßnahmen in fünf Kategorien eingeordnet:
- Mietregulierung und Mieterschutz
- Wohneigentumsförderung
- Sozialer Wohnungsneubau und Objektförderung
- Wohnungsneubau: Planungs- und Baurecht, und auch Bestandsimmobilien
- Wärmewende
Wohnungspolitik: Zusammenfassung der Partei-Positionen
Union fokussiert auf Neubau, SPD und Grüne priorisieren Mieterschutz
Während die Union den Fokus auf den Wohnungsneubau legt, haben die Grünen und die SPD jeweils ihren Schwerpunkt im Bereich Mietregulierung und Mieterschutz, so die Analyse. Auch ist der soziale Wohnungsneubau für die SPD und Grünen eine Priorität, wohingegen sich die Union stärker auf die Wohneigentumsförderung konzentriert.
FDP: Ausweitung des Wohnungsangebots, BSW und Linke setzen auf Mieterschutz und sozialer Wohnungsneubau
Das Wahlprogramm der FDP zeigt ähnlich vergleichbare Schwerpunkte wie die Union: Ein starker Fokus auf planungs- und baurechtliche Maßnahmen zur Stimulierung des Wohnungsneubaus und die Stärkung des Wohneigentums. Vorgeschlagenen Wahlkampf-Maßnahmen. reichen von der Reduzierung von Baustandards bis zu Erleichterungen im Bauordnungsrecht. Bei den Linken und dem BSW liegen die Prioritäten in der Mietregulierung und im Mieterschutz sowie im Bereich sozialen Wohnungsneubau.
AfD: Schwerpunkte Wohneigentumsförderung und Bestandsimmobilien, Wärmewende
Die AfD hebt sich von den anderen Parteien insofern ab, als dass ihre Schwerpunkte deutlich auf der Wohneigentumsförderung und im Bereich der Bestandsimmobilien und Wärmewende liegen. Die Partei hat eine ablehnende Haltung gegenüber den Maßnahmen früherer Regierungen und würde zum Beispiel Novellierungen im Bereich des Gebäudeenergiegesetzes, wie die CO2-Steuer und das Gebäudeenergiegesetz, abschaffen.
Mietpreisregulierung: Grüne und SPD wollen Regulierung verschärfen, Union hält sich stark zurück
Die Grünen haben mit dem Vorschlag, „regionale Mietenstopps“ zu ermöglichen, einen besonders weitreichenden Punkt im Bereich bei der Mietpreisregulierung in ihr Wahlprogramm aufgenommen, so die Studien-Autoren. „Ein Mietenstopp oder auch Mietendeckel ist der restriktivste Eingriff in die Mietpreisbildung, der von den dargestellten Parteien genannt wird.“
Die SPD hat ebenfalls einen stark eingreifenden Punkt im Bereich bei der Mietpreisregulierung: Der Vorschlag, „die Kappungsgrenze auf sechs Prozent zu senken“ sei signifikant, da dieser „sehr flächendeckend wirkt und zudem eine deutliche Absenkung gegenüber den bisher geltenden Werten (15 Prozent beziehungsweise 20 Prozent) darstellt.“
Laut der JLL-Analyse sei bei der SPD auch auffällig der Vorschlag einer unbefristeten Mietpreisbremse und ihre Ausweitung auf befristete Mietangebote und (teil-)möblierte Wohnungen. Diese Punkte finden sich auch im Wahlprogramm der Grünen wieder.
Die Union hält sich bei der Mietpreisbremse dagegen zurück. Die Partei habe nur klargestellt, dass sie „einen wirksamen und angemessenen Mieterschutz“ anstrebe. Den Autoren zufolge bietet dies „einen nicht unerheblichen Interpretationsspielraum im Rahmen von möglichen Koalitionsverhandlungen.“
„Deutliche Differenzen“ bei Mietpreisregulierung
Die wichtigsten Themen der Parteien seien eindeutig der Wohnungsneubau und die Mietpreisregulierung, sagt Roman Heidrich, Lead Director Residential Valuation JLL Germany. „Bei den Koalitionsverhandlungen, die mutmaßlich zwischen CDU/CSU und der SPD oder den Grünen stattfinden werden, dürfte es bei der Mietpreisregulierung zu deutlichen Differenzen kommen.“
Beim Wohnungsneubau hingegen liegen die Positionen grundsätzlich nah beieinander: „Alle drei Parteien wollen Verfahren weiter digitalisieren, vereinfachen und beschleunigen sowie das Planungsrecht teilweise anpassen. Hier dürfte es keine größeren Schwierigkeiten geben, in einem Koalitionsvertrag Einigungen zu erzielen. Fraglich bleibt allerdings die Finanzierbarkeit der geplanten Vorhaben sowie die Wirksamkeit und konkrete Umsetzung der Ziele,“ kommentiert Heidrich.
Fazit: Politische Unsicherheit wird Wohnungsmarkt hemmen
Gröbel zufolge wird die Bundestagswahl 2025 direkte und indirekte Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt haben. „Während die indirekten Effekte hauptsächlich durch die mit der Neuwahl verbundene politische Unsicherheit entstehen, resultieren die direkten Einflüsse aus neuen wohnungspolitischen Impulsen und einer angepassten Gesetzgebung,“ sagte er. Es sei zu erwarten, dass aus Investorensicht die negativen Folgen durch die allgemeine Unsicherheit größer sein werden als „die zu erwartenden Restriktionen“ durch die zukünftige Regierung.
Angesichts der Differenzen im Bereich der Mietpreisregulierung zwischen CDU/CSU und SPD und Grünen erwartet Gröbel, dass ein Kompromiss nicht zu viele Änderungen an der aktuellen Situation mit sich bringen wird. „Modifizierungen im Mietrecht, wie etwa Anpassungen der Mietpreisbremse, sind aber nicht auszuschließen und könnten durchaus im Koalitionsvertrag verankert werden. Inwieweit alle Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden, bleibt allerdings fraglich und hängt auch davon ab, welche Parteien die zuständigen Ministerien führen werden.“
Stattdessen dürften die Parteien eher auf Gemeinsamkeiten im Bereich des Wohnungsneubaus setzen.