Politik

Clean Industrial Deal: Was die EU-Strategie wirklich bringt

Die EU-Kommission will Bürokratie abbauen und Energiekosten senken, um die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken. Doch die Reformen sind umstritten. Während die Industrie auf Erleichterungen drängt, warnen Kritiker vor Aufweichungen bei Umwelt- und Sozialstandards. Besonders die Lockerung des Lieferkettengesetzes sorgt für Zündstoff. Ist Brüssel auf dem richtigen Kurs – oder droht ein Rückschritt?
02.03.2025 09:32
Lesezeit: 3 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Clean Industrial Deal: Was die EU-Strategie wirklich bringt
Bürokratieabbau durch die EU - kann das funktionieren? (Foto: iStock / Fokusiert) Foto: Fokusiert

EU-Kommission will weniger Bürokratie und günstigere Energie

Die Wirtschaft in Deutschland und der EU stagniert. Steigende geopolitische Spannungen, drohende US-Zölle und der harte globale Technologie-Wettbewerb lassen keine baldige Besserung erwarten. Doch auch von der EU selbst erlassene Vorschriften stehen in der Kritik – etwa die strengen Nachhaltigkeits-Berichtspflichten für Unternehmen.

Um das Wachstum wieder anzukurbeln, will die EU-Kommission an diesem Mittwoch mehrere Initiativen präsentieren. Ein zentraler Bestandteil ist der sogenannte Clean Industrial Deal (CID, "Saubere-Industrie-Deal"), ein Maßnahmenpaket, das von Rohstoffsicherung bis internationaler Kooperation reicht. Auch ein Aktionsplan für günstigere Energiepreise ist vorgesehen.

Zudem sollen Gesetze vereinfacht werden – selbst solche, die erst im vergangenen Jahr beschlossen wurden. Das sorgt insbesondere bei SPD und Grünen für Skepsis. Mehrere Entwürfe sind bereits durchgesickert, doch inwiefern sie sich seitdem verändert haben, ist unklar.

Was hat künftig Priorität?

Der Clean Industrial Deal fokussiert sich laut einem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Entwurf auf energieintensive Branchen und grüne Technologien ("Clean-Tech") wie Windkraftanlagen. Die Kommission plant, dass bis 2040 vierzig Prozent dieser klimafreundlichen Technologien in der EU gefertigt werden. Zudem soll bis Ende 2026 die EU-Richtlinie zur öffentlichen Auftragsvergabe überarbeitet werden, sodass nicht allein der Preis entscheidend ist. Dies könnte europäischen Unternehmen zugutekommen.

Wie sollen die Energiepreise sinken?

Die hohen Energiepreise belasten die Industrie in Europa. Ein Aktionsplan für erschwingliche Energie soll Abhilfe schaffen. Neben der Förderung erneuerbarer Energien sollen die Wettbewerbsregeln vereinfacht werden. Laut einem Entwurf, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, fordert die Kommission die Mitgliedstaaten auf, Stromsteuern zu senken, um so die Stromkosten zu reduzieren.

Wie will die EU Unternehmen entlasten?

Laut den vorliegenden Entwürfen könnten weniger Unternehmen von der Nachhaltigkeitsberichterstattung betroffen sein. Zudem müssten Betriebe nicht mehr alle relevanten Daten von sämtlichen Zulieferern einholen.

Auch das EU-Lieferkettengesetz steht zur Debatte. Hier könnte die Kommission vorschlagen, bestimmte Verpflichtungen zu lockern. Besonders in diesem Punkt gibt es Widerstand von Grünen und Sozialdemokraten. "Sollte der Vorschlag tatsächlich so kommen wie befürchtet, dann wird das Lieferkettengesetz zum zahnlosen Papiertiger", warnte SPD-Europaabgeordneter René Repasi.

Die Grünen-Europaabgeordnete Anna Cavazzini kritisierte, dass die Vorschläge "übers Knie gebrochen" seien. Eine umfassende Bewertung der Folgen fehle. Sollte es bei den durchgesickerten Plänen bleiben, drohe eine Entkernung des Gesetzes.

Wie soll die Finanzierung erfolgen?

Laut der Kommission erfordert die grüne Transformation dreistellige Milliardeninvestitionen in Energie, Industrie und Transport. Staatliche Beihilfen sollen erleichtert werden, doch vor allem privates Kapital soll mobilisiert werden.

Wie will die EU Rohstoffabhängigkeiten verringern?

Europa muss unabhängiger von Rohstoffimporten werden. Laut Entwurf setzt die Kommission auf eine strategische Vorgehensweise und mehr Recycling. Bis zum Ende des Jahrzehnts sollen 25 Prozent der sogenannten strategischen Rohstoffe aus der Wiederverwertung stammen. Um das zu unterstützen, soll bis 2026 ein Gesetz geschaffen werden, das einen Binnenmarkt für Abfälle und wiederverwendbare Materialien etabliert.

Was passiert mit den Klimazielen der EU?

Trotz aller Reformen hält die EU-Kommission an ihrem Ziel fest, die Staatengemeinschaft bis 2050 klimaneutral zu machen. Auch das Zwischenziel, die Treibhausgasemissionen bis 2040 um 90 Prozent zu reduzieren, bleibt bestehen. Bislang ist diese Vorgabe allerdings nur eine Empfehlung – ein bindendes Gesetz steht noch aus.

Wie geht es weiter?

Viele Vorschläge richten sich an die Mitgliedstaaten. Der Clean Industrial Deal ist kein Gesetz, sondern eine Strategie, die auf gesetzliche Maßnahmen hinweist. Bereits beschlossenes EU-Recht soll zudem geändert werden.

Falls neue Gesetze entstehen oder bestehende grundlegend reformiert werden, muss das Europaparlament zustimmen.

Wie die Verhandlungen laufen und welche Mehrheiten sich formieren, bleibt abzuwarten. "Ich erwarte, dass alle Fraktionen erkennen, wie dringlich es ist, schnell Bürokratie abzubauen", erklärte Angelika Niebler, Co-Vorsitzende der CDU/CSU-Abgeordneten.

FDP-Europaabgeordneter Andreas Glück kritisierte, insbesondere die Sozialdemokraten würden bereits eine Blockadehaltung einnehmen: "Ich glaube, wenn man sich so verhält, dann hat man ein Stück weit den Schuss nicht gehört."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
DWN
Technologie
Technologie Wero soll PayPal Konkurrenz machen – und Europa weiter vom Bargeld entfernen
08.10.2025

Der europäische Bezahldienst Wero steht kurz vor dem Start im Online-Shopping. Noch in diesem Herbst sollen Kundinnen und Kunden erstmals...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Elektromobilität: Europas Nachfrage beflügelt Chinas Hybridfahrzeugindustrie
08.10.2025

Die Nachfrage nach Hybridfahrzeugen wächst in Europa rasant. Während klassische Verbrenner an Marktanteilen verlieren, setzen immer mehr...

DWN
Politik
Politik Trump zieht in den Städtekrieg - Militär gegen die eigenen Bürger?
07.10.2025

Mit drastischen Worten attackiert US-Präsident Donald Trump demokratisch regierte Städte – und droht, dort Soldaten einzusetzen....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EnBW-Aktie: Energiekonzern baut Deutschlands ersten Wasserspeicher im Berg
07.10.2025

Im Schwarzwald entsteht ein Energieprojekt von bundesweiter Bedeutung: Der Energiekonzern EnBW baut beim Pumpspeicherkraftwerk Forbach...

DWN
Politik
Politik Finnland plant Kürzung von Leistungen für Migranten ohne Sprachkenntnisse
07.10.2025

Finnland macht Ernst: Wer die Sprache nicht lernt, bekommt weniger Geld. Während Helsinki Sozialleistungen kürzt, debattiert Deutschland...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Mercedes kämpft mit Absatzrückgang – Luxusstrategie soll Schwäche in China ausgleichen
07.10.2025

Der Autobauer Mercedes-Benz verzeichnet im dritten Quartal einen deutlichen Absatzrückgang. Besonders die schwache Nachfrage in China und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Unternehmen als Treiber neuer Entwicklungspolitik – auch im Eigeninteresse
07.10.2025

Der Globale Süden gewinnt zunehmend an Bedeutung – nicht nur als Rohstofflieferant, sondern auch als wachsender Absatzmarkt. Vor diesem...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Rohstoffe, Gold und KI treiben Kurse weiter nach oben
07.10.2025

Der September an den US-Börsen verlief überraschend stark. Trotz zahlreicher Gründe, die Zweifel an der Nachhaltigkeit des...