Nach Corona-Infektion: schwere Entzündungsreaktion Pims bei Kindern
Wissenschaftler haben eine mögliche Erklärung für die schwere Entzündungsreaktion Pims bei Kindern gefunden. Pims (Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome) kann bei Kindern und Jugendlichen mehrere Wochen nach einer Corona-Infektion auftreten und lebensbedrohlich sein. Den Ergebnissen der Studie zufolge hängt der Entzündungsschock mit dem Wiederaufflammen eines anderen Erregers zusammen – dem Epstein-Barr-Virus (EBV).
Rätsel um Pfeiffersches Drüsenfieber gelöst
Das Epstein-Barr-Virus ist bekannt als Erreger des Pfeifferschen Drüsenfiebers. Meist bleibt eine Infektion laut Berliner Universitätsmedizin Charité unbemerkt - 90 Prozent der Menschen stecken sich demnach im Laufe ihres Lebens mit dem Erreger an. Eine Infektion kann aber auch grippeähnliche Beschwerden auslösen und teils viele Wochen der Genesung erfordern.
Epstein-Barr-Virus kann nach Jahren wieder aufflammen
Selbst nach einer überstandenen akuten Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus sei das Virus noch im Körper vorhanden, erklärt Studienautor Tilmann Kallinich, Kinderarzt mit Schwerpunkt Rheumatologie an der Charité. Es niste sich in verschiedenen Zellen des Körpers ein und überdauere ein Leben lang im Menschen. „Es kann Jahre nach der ersten Infektion wieder aufflammen, beispielsweise wenn das Immunsystem geschwächt ist.“
Genau dieses Aufflammen haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun bei Kindern mit Pims festgestellt, wie sie im Fachmagazin "The Lancet" schreiben. Das Immunsystem der Kinder sei durch die Corona-Infektion durcheinander geraten und habe die ruhende EBV-Infektion nicht mehr in Schach halten können.
Ob die untersuchten Kinder zuvor eine akute EBV-Infektion mit Symptomen durchgemacht hatten oder die Infektion unbemerkt blieb, sei unklar, sagen Kallinich und Mir-Farzin Mashreghi, ebenfalls Studienautor. Mashreghi ist Immunologe. Er ist stellvertretender wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums (DRFZ) und forscht an der Charité.
Pims ist gut behandelbar
Kinder mit Pims entwickeln vier bis acht Wochen nach einer Sars-CoV-2-Infektion zum Beispiel eine Herzschwäche, hohes Fieber und Hautausschläge. Betroffene müssen im Krankenhaus behandelt werden, etwa die Hälfte kommt auf die Intensivstation.
Die Krankheit ist den Forschern zufolge aber gut behandelbar, die allermeisten Kinder werden wieder gesund. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) wurden zwischen Januar 2020 und April 2023 insgesamt 926 Pims-Fälle gemeldet. Die Studienautoren gehen von einer höheren Dunkelziffer aus. Todesfälle sind in Deutschland nicht bekannt.
Für die Studie haben die Experten der Charité und des DRFZ 145 Kinder im Alter zwischen 2 und 18 Jahren untersucht. Die Kinder wurden zwischen 2021 und 2023 wegen Pims in der Charité sowie in Krankenhäusern in Frankreich, Italien, der Türkei und Chile behandelt. Zum Vergleich zogen sie 105 Kinder heran, die ebenfalls eine Corona-Infektion durchgemacht, aber kein Pims entwickelt hatten.
Immunzellen können sie nicht gegen Virus wehren
Bei etwa zwei Dritteln der Kinder mit Pims fanden die Forscher im Blut B-Zellen, die mit dem Epstein-Barr-Virus infiziert waren. Bei Kindern ohne Pims gab es diese Nachweise nicht. B-Zellen gehören zu den weißen Blutkörperchen und machen zusammen mit den T-Zellen den Teil des Immunsystems aus, der sich an neue Krankheitserreger anpassen kann.
Alle Kinder mit Pims zeigten eine Vermehrung von EBV-spezifischen T-Zellen, was mit einer großen Wahrscheinlichkeit darauf hindeute, dass bei allen Kindern ein Wiederaufflammen des EBV für die Erkrankung verantwortlich sei, erklärte Mashreghi.
Außerdem entdeckten die Wissenschaftler bei 80 Prozent der Kinder mit Pims EBV-spezifische Antikörper. Das zeige, dass der Körper aktiv versucht habe, sich gegen den Erreger zur Wehr zu setzen - allerdings ohne Erfolg.
Dieses Scheitern hängt der Studie zufolge mit einer ungewöhnlich großen Menge eines bestimmten Botenstoffes mit dem Namen TGFβ zusammen, den der Körper der Kinder infolge der Corona-Infektion produzierte. Der Botenstoff hemme die Funktion der Immunzellen und verringere die Schlagkraft gegen das Epstein-Barr-Virus. Dadurch könne sich das Virus wieder vermehren. Daraufhin produziere der Körper mehr Immunzellen gegen das Virus, die aber weiter nicht funktionsfähig seien.
Ergebnisse könnten für andere Corona-bedingten Krankheiten helfen
"Das gipfelt schließlich in einer extremen Entzündungsreaktion, die Organe schädigen und potenziell tödlich verlaufen kann", erklärte Mashreghi. Die Erkenntnisse könnten nach Angaben der Studienautoren auch für andere Corona-bedingte Krankheiten hilfreich sein, zum Beispiel Long Covid, also gesundheitliche Langzeitfolgen durch eine Corona-Infektion. Auch für Long Covid gebe es Hinweise, dass die Reaktivierung von schlafenden Viren eine Rolle spiele. "Vielleicht gibt es hier Parallelen zu den Vorgängen bei Pims, dann wären TGFβ-Hemmer potenzielle Kandidaten für eine Therapie gegen Long Covid", sagte Mashreghi.
Wie viele Pims-Fälle gibt es?
Markus Hufnagel von der DGPI sagte, seit Herbst 2022 würden nur noch sporadisch Pims-Fälle gemeldet. Grund dafür sei die hohe Grundimmunität in der Bevölkerung, die auch Kinder betreffe. Pims trete nur nach einem Erstkontakt mit SARS-CoV-2 auf.
Außerdem spiele wahrscheinlich eine Rolle, dass die Corona-Varianten seit Herbst 2022 das Immunsystem selbst bei einem Erstkontakt mit dem Virus weniger stimulierten. "Oder solche Fälle verlaufen milder und werden deshalb nicht mehr als Pims diagnostiziert", sagte Hufnagel.
Corona-Folgen: Zahl der Kinder mit Pflegebedarf wegen ADHS und Autismus schießt rasant hoch
Nach der Corona-Pandemie ist auch die Zahl der Kinder mit Pflegebedarf wegen ADHS und Entwicklungsstörungen sprunghaft angestiegen: Bereits im Sommer vergangenen Jahres lagen dazu Zahlen vom Medizinischen Dienste (MD) Nordrhein und Westfalen-Lippe für die Jahre von 2019 bis 2023 vor: „Wir können nur die Zahlen feststellen, aber der zeitliche Zusammenhang deutet darauf hin, dass es auch einen kausalen Zusammenhang mit Corona gibt“, sagte eine Sprecherin des MD Nordrhein.
Lockdowns und Impfungen führen zu psychischen Erkrankungen
Die „Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung“ wurde im Rheinland 2022, nach der Coronapandemie, bei 916 Fälle registriert, 2023 stieg die Zahl sogar auf 1.328.
Die Gesamtzahl tiefgreifender Entwicklungsstörungen, zu denen auch Autismus und das Asperger-Syndrom zählen, stieg in der Altersgruppe nach der Corona-Pandemie massiv an – von 764 Fällen 2019 auf 1.426 im Jahr 2022 und dann auf 1.911 im Jahr 2023.
Bei den Jugendlichen im Alter zwischen 11 und 17 Jahren zeigte sich der Trend noch deutlicher: 2019 sei rund 300-mal eine Pflegebedürftigkeit wegen ADHS diagnostiziert worden, fast 1.300-mal im Jahr 2023.
Professor Jörg Dötsch, Direktor der Kinderklinik der Uniklinik Köln, sieht als Grund für die Zunahme verschiedene Faktoren – wie er gegenüber dem WDR erklärte. Ein Faktor sei die familiäre Belastung, die während der Corona-Pandemie stark zugenommen habe. „Die Pandemie hat wie ein Brennglas auf die Familien gewirkt.“ Die Auswirkungen bereits vorhandener Entwicklungsstörungen auf das Umfeld seien durch die notwendigen Einschränkungen verstärkt worden.
Um die Situation der Kinder und ihrer Familien zu verbessern, müssen nach Meinung von Dötsch mehr ambulante Behandlungsmöglichkeiten eingerichtet werden. Das gelte sowohl für die niedergelassenen Kinderärzte und Kinderpsychiater als auch für die Kliniken.
Wie entstand das tödliche Coronavirus?
Eine weitere wichtige Nachricht des Tages wirft erneut Fragen auf, wie die Bundesregierung unter Angela Merkel (CDU) mit den Ursachen der Corona-Pandemie umgegangen ist. Der BND hat seine Erkenntnisse mit Forschern geteilt, bekannt sind die Ergebnisse bisher nicht.
Wie die „Neue Zürcher Zeitung“ berichtet, lagen dem BND tatsächlich wohl plausible Hinweise für die sogenannte Laborthese vor, die bei Treffen in den vergangenen Monaten von einer Expertenrunde bewertet werden sollten. Der Laborthese zufolge stammt das Sars-CoV-2-Virus aus einem chinesischen Biolabor, dem Wuhan Institute of Virology, an dem unter anderem an Coronaviren geforscht wird.
Die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann sagte in Berlin, man habe die Berichterstattung zur Kenntnis genommen. Zu nachrichtendienstlichen Erkenntnissen und Tätigkeiten könne man sich aber nicht äußern. Die zuständigen, geheim tagenden Gremien des Bundestages würden in solchen Angelegenheiten unterrichtet.
Einschätzungen auch politisch motiviert
Der neue Direktor des US-Auslandsgeheimdienstes CIA, John Ratcliffe, hatte im Januar als eine seiner ersten Amtshandlungen die Einschätzung seiner Behörde zum Ursprung des Coronavirus geändert. Ein forschungsbedingter Ursprung der Covid-19-Pandemie sei auf der Grundlage der verfügbaren Berichte wahrscheinlicher als ein natürlicher Ursprung, hieß es. Die Unsicherheiten bei dieser Einschätzung seien aber groß, an der Untersuchung des Ursprungs werde weiter gearbeitet.
Zuvor hatte die CIA die Position vertreten, dass es keine ausreichenden Informationen für eine Beurteilung dazu gibt, ob das Virus von einem Tier auf den Menschen übergesprungen ist oder auf eine Panne in einem chinesischen Labor zurückgeht. Ratcliffe hatte bereits in der Vergangenheit die Labortheorie vertreten und Peking vorgeworfen, den Ursprung des Virus zu verschleiern.