Barrieren im Online-Handel: Warum viele Menschen ausgeschlossen werden
Der digitale Handel hat das Einkaufsverhalten grundlegend verändert. Produkte und Dienstleistungen sind heute nur einen Klick entfernt – theoretisch für alle zugänglich. Doch in der Praxis sieht es anders aus: Technische Barrieren schließen Millionen Menschen aus. „30-Prozent der Bevölkerung erleben Barrieren im digitalen Raum“, warnt die Organisation Aktion Mensch. Besonders betroffen sind Menschen mit Sehschwächen, motorischen Einschränkungen oder kognitiven Beeinträchtigungen – für sie wird Online-Shopping schnell zur Hürde.
Lisa, die eine Sehbehinderung hat, will sich online neue Schuhe bestellen. Doch die Seite stellt sie vor unerwartete Probleme: Die Schrift ist zu klein, der Kontrast zu schwach, der Screen-Reader scheitert. Frustriert gibt sie auf.
Auch Menschen mit Lernschwierigkeiten stoßen auf Hindernisse. Inga Schiffler, Dolmetscherin für Leichte Sprache, berichtet von Betroffenen, die Angst haben, versehentlich etwas falsch anzuklicken – oder unbewusst doppelt zu bestellen, weil sie nicht bemerken, dass sich bereits Produkte im Warenkorb befinden.
Ab Juni 2025: Barrierefreiheitsstärkungsgesetz kommt – hohe Strafen bei Missachtung!
Um diese Hürden abzubauen, tritt das neue Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft. Ab dem 28. Juni 2025 sind Unternehmen verpflichtet, ihre digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten. Webseiten und Apps müssen dann für alle Menschen problemlos nutzbar sein – egal ob mit körperlichen oder kognitiven Einschränkungen.
Wer nicht rechtzeitig handelt, riskiert Abmahnungen und Bußgelder bis zu 100.000 Euro (§ 37 BFSG). Da das BFSG als Marktverhaltensregelung nach § 3a UWG gilt, können Wettbewerber gezielt gegen nicht konforme Online-Shops vorgehen – mit teuren Konsequenzen für betroffene Unternehmen.
Wer muss handeln? Gilt das Gesetz für alle Unternehmen?
Das BFSG gilt für alle Unternehmen, die Produkte oder Dienstleistungen online an Verbraucher (B2C) verkaufen.
Eine Ausnahme gibt es für Kleinstunternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz unter 2 Millionen Euro. Ein kleiner Friseursalon, der Pflegeprodukte verkauft oder Terminbuchungen anbietet, muss seine Website also nicht zwingend anpassen – solange er unter dieser Grenze bleibt. Doch für alle anderen reicht bereits die Möglichkeit, eine Bestellung online aufzugeben, damit das Gesetz greift
Die Verpflichtung zur Barrierefreiheit gilt insbesondere für:
- Online-Shops, in denen Bestellungen möglich sind.
- Digitale Plattformen, die Verbraucherdienstleistungen anbieten.
- Apps von Handelsunternehmen, über die Produkte verkauft oder Buchungen abgewickelt werden.
B2B-Unternehmen sind grundsätzlich ausgenommen – aber Vorsicht: Wer nicht klar erkennbar macht, dass sein Angebot ausschließlich für Geschäftskunden bestimmt ist, kann trotzdem unter die Regelung fallen. Ein kostenloser BFSG-Check hilft Unternehmen zu prüfen, ob sie betroffen sind.
So werden Online-Shops barrierefrei: Maßnahmen für Händler
Die gute Nachricht: Online-Händler müssen ihre Webseiten nicht komplett neu aufbauen. Meist reichen gezielte Anpassungen, um die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen. Das BFSG schreibt vor, dass Schriftgrößen und Kontraste anpassbar sein müssen, damit Menschen mit Sehschwächen Inhalte leichter lesen können. Screen-Reader-Kompatibilität ist essenziell, damit blinde oder sehbehinderte Nutzer sich Texte und Navigationselemente vorlesen lassen können.
Auch audiovisuelle Inhalte müssen barrierefreie Alternativen bieten – etwa Transkripte oder Audiobeschreibungen. Eine intuitive Navigation sorgt dafür, dass auch Menschen mit motorischen Einschränkungen Webseiten problemlos nutzen können.
Bei größeren Umstellungen ist eine frühzeitige Planung entscheidend. Ein Relaunch kann sinnvoll sein, um veraltete Strukturen zu modernisieren. Ein Barrierefreiheits-Test mit spezialisierten Tools oder Testpersonen hilft, Schwachstellen aus der Sicht Betroffener aufzudecken und zu verbessern.
Barrierefreiheitsstärkungsgesetz als Chance: Mehr Kunden, bessere Sichtbarkeit
Doch Barrierefreiheit bedeutet mehr als nur technische Anpassungen – sie kann ein Wettbewerbsvorteil sein. Studien zeigen, dass barrierefreie Websites bis zu 35-Prozent bessere Nutzererfahrungen bieten. Eine klare Navigation, bessere Lesbarkeit und ein reibungsloser Bestellprozess machen das Einkaufserlebnis für alle Kunden angenehmer. Das senkt die Absprungrate und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Besucher tatsächlich einen Kauf abschließen. Je zugänglicher die Seite, desto höher die Umsätze.
Auch Google bevorzugt barrierefreie, gut strukturierte Webseiten, was bessere Rankings bedeutet. Wer frühzeitig auf Barrierefreiheit setzt, verbessert also auch die eigene Sichtbarkeit im Netz. Zudem erschließen sich neue Märkte: In Deutschland leben 13 Millionen Menschen mit Behinderungen, weltweit sind es 1,3 Milliarden. Unternehmen, die ihre digitalen Angebote anpassen, erweitern ihre Zielgruppe und steigern ihre Markenreichweite.
Jetzt handeln und Unterstützung sichern
Zahlreiche Förderprogramme erleichtern die Umstellung. Die KfW sowie verschiedene Bundesländer bieten Zuschüsse und Kredite für barrierefreie Web- und IT-Projekte. Nordrhein-Westfalen beispielsweise fördert Unternehmen mit dem Programm „Mittelstand Innovativ & Digital“ mit bis zu 40.000 Euro. Sichern Sie sich jetzt finanzielle Unterstützung und machen Sie Ihren Online-Shop fit für die Zukunft.