Wenige Wochen vor der nächsten Zinsentscheidung der EZB mehren sich die Befürworter weiterer Leitzinssenkungen. Laut Piero Cipollone, Mitglied des EZB-Direktoriums, sprechen Faktoren wie sinkende Energiepreise und ein stärkerer Euro für eine Lockerung der Geldpolitik. In einem Interview mit der spanischen Zeitung Expansion erklärte er, dass die aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen eine weitere Zinssenkung rechtfertigen könnten.
Auch Griechenlands Notenbankchef Yannis Stournaras sprach sich kürzlich für eine weitere Zinssenkung bei der kommenden EZB-Sitzung am 17. April aus. Dagegen regte EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel eine Debatte über ein mögliches Ende der Zinssenkungen an. Bundesbank-Präsident Joachim Nagel äußerte sich ebenfalls zurückhaltend. Europäische Banker dagegen halten an ihrer Prognosen fest, dass der EZB-Zins im kommenden Jahr gesenkt werden wird, möglicherweise sogar auf unter 2 Prozent - als Gründe werden vor allem die deutsche Schuldenpolitik genannt.
Banken halten an Zinsprognose fest - Senkung auf unter 2 Prozent möglich?
Trotz der geopolitischen Unsicherheiten halten europäische Banken insgesamt an ihren Prognosen für die künftige Zinsentwicklung fest. Das ergab eine Umfrage der dänischen Zeitung Børsen. Nordea, einer der führenden Finanzkonzerne Nordeuropas, geht demnach weiterhin davon aus, dass der Leitzins bis 2026 einmal gesenkt wird und dann bei 2,25 Prozent liegt. Andere Bankhäuser wie das größte dänische Finanzinstitut Danske Bank prognostizieren sogar, dass die EZB die Zinsen auf unter 2 Prozent, nämlich um einen Prozent auf dann 1,5 Prozent senken wird. Der US-Leitzins könnte laut den Analysten dagegen um einen Prozentpunkt auf 3,5 Prozent fallen.
Deutsche Schuldenpolitik als Wachstumstreiber - US-Inflation stagniert
Anders Svendsen, Chefanalyst bei Nordea, sieht für seine Prognose einer raschen Zinssenkung maßgeblich die deutsche Schuldenpolitik verantwortlich: „Wir erwarten, dass dies einen Wachstumsimpuls in Deutschland auslöst und möglicherweise auch die Produktivität und das wirtschaftliche Momentum in Europa insgesamt steigert. In diesem Fall müssten die Zinsen leicht höher bleiben,“ erläutert Svendsen.
„Die Fed hat selbst betont, dass sie in der aktuellen globalen Lage keine verlässlichen Prognosen treffen kann. Dasselbe gilt für uns, solange wir die Auswirkungen von Trumps Zollpolitik nicht genau kennen,“ ordnet Svendsen mögliche Auswirkungen der US-Zinspolitik auf Europa ein. „Davon abgesehen befindet sich die US-Wirtschaft in einer relativ starken Verfassung. Angesichts einer Inflation, die nicht weiter sinkt, gehen wir davon aus, dass keine weiteren Zinssenkungen erfolgen werden.“
Lagarde warnt vor Wachstumsrisiken durch Handelskonflikt
Seit Juni 2024 hat die EZB aufgrund der rückläufigen Inflation bereits sechs Mal die Leitzinsen gesenkt. Der für Banken und Sparer relevante Einlagenzins liegt derzeit bei 2,50 Prozent. Während die EZB eine Inflationsrate von zwei Prozent im Euroraum anstrebt, rechnet sie für 2025 mit einem Wert von 2,3 Prozent.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde betonte zuletzt die bestehenden Risiken und Unsicherheiten für die Wirtschaft. Besonders besorgt zeigt sie sich über einen möglichen Handelsstreit zwischen der EU und den USA. Sollte Trump Ernst machen mit den angekündigten Importzölle von 25 Prozent auf europäische Waren, könnte das Wirtschaftswachstum in der Eurozone 2025 um 0,3 Prozent zurückgehen, erklärte sie vor dem EU-Parlament in Brüssel. Falls die EU mit Gegenzöllen reagiert, könnte die Wachstumsbelastung auf bis zu 0,5 Prozent steigen. Am Donnerstagmorgen machte Trump einen großen Schritt in Richtung Handelskrieg, indem der US-Präsident Zölle auf ausländische Autos von 25 Prozent ankündigte.