Technologie
Anzeige

Digitale Identität – Wer sind wir im Netz, und wer darf es wissen?

Digitale Identität ist 2025 mehr als ein Login. Sie ist Zugangskarte, Kontrollinstrument, Datenschutzversprechen und Wirtschaftsfaktor zugleich. Während Plattformanbieter wie Google und Apple seit Jahren SSO-Standards (Single Sign-On) setzen und Staaten wie China auf umfassende Realnamenpflichten setzen, versucht Europa mit der European Digital Identity Wallet (EUDI Wallet) einen eigenen Weg: vertrauenswürdig, interoperabel, nutzerzentriert. Doch wie weit ist dieser Anspruch bereits im Alltag angekommen? Und welche Rolle spielen digitale Identitäten jenseits der Wallet in Bereichen wie Gesundheit, Verwaltung, Bildung, Mobilität und Krypto?
03.04.2025 12:50
Lesezeit: 2 min
Digitale Identität – Wer sind wir im Netz, und wer darf es wissen?
(Bildquelle: pexels)

Elektronische Patientenakte und Gesundheits-ID

Für Januar 2025 war ursprünglich die elektronische Patientenakte (ePA) in Deutschland für gesetzlich Versicherte im Opt-out-Verfahren geplant. Wer nicht widerspricht, bekommt nun nach Verschiebung des Termins automatisch eine ePA. Technisch basiert die Infrastruktur auf der Telematikinfrastruktur 2.0 (TI 2.0), bereitgestellt durch die gematik. Die Authentifizierung erfolgt über die elektronische Gesundheitskarte (eGK) in Verbindung mit PIN und künftig möglicherweise biometrisch über die GesundheitsID, einem eIDAS-konformen Verfahren, das den Online-Ausweis oder ELSTER-Zertifikate nutzt. Diese zusätzliche digitale GesundheitsID ist zwar angedacht, aber noch nicht eingeführt.

Diese digitale Identität im Gesundheitswesen ermöglicht kontrollierte Freigaben für Leistungserbringer. Patienten können etwa Diagnosen, Medikationspläne oder Arztbriefe gezielt über die ePA-App teilen – granular, zeitlich begrenzt und widerrufbar.

Die Schüler-ID als digitales Ordnungsmerkmal

Im Rahmen der Initiative "Bessere Bildung 2035" wird in Deutschland die Einführung einer standardisierten Schüler-ID vorbereitet. Ziel ist eine schulübergreifende Identifikation von Lernenden zur Verbesserung der Bildungsverwaltung. Die ID soll pseudonymisiert sein, aber als persistente Kennung durchgängige Bildungsbiografien ermöglichen (RND, 2024).

Technisch ist keine zentrale Plattform vorgesehen. Die Umsetzung wird durch Landesbehörden getragen, eine Verknüpfung mit EUDI Wallets oder der BundID ist nicht geplant. Derzeit existiert die Schüler-ID als Konzept ohne bundesweit einheitliche Implementierung.

Zwischen Realnamenpflicht und digitalem Führerschein

Im Mobilitätssektor kommen digitale Identitäten vor allem im Zusammenhang mit digitalen Führerscheinen und personalisierten Mobilitätsangeboten zum Einsatz. In Deutschland existiert seit 2023 die ID Wallet-App des BMDV, die für Android und iOS den digitalen Führerschein (nach ISO 18013-5) ermöglicht.

Es laufen erste Pilotprojekte zur digitalen Fahrzeugregistrierung über ID Wallets; die Integration der EUDI Wallet befindet sich noch in Vorbereitung. In Spanien (Pilotprojekt Benidorm, 2025) wird die EUDI Wallet hingegen testweise für Hotelbuchungen, Führerscheinnachweise und Altersverifikation eingesetzt.

BundID, eIDAS 2.0 und digitale Souveränität

Die BundID ist die zentrale Identitätsplattform der deutschen Verwaltung und bereits 2025 für hunderte Online-Verfahren nutzbar. Drei Authentifizierungsmethoden stehen zur Verfügung: Passwort-Login (niedriges Vertrauensniveau), ELSTER-Zertifikat (substanziell), Online-Ausweisfunktion (hoch). Die Plattform ist mit dem Bundesportal (verwaltung.bund.de) verknüpft und dient zunehmend als Brücke für eIDAS-konforme Dienste.

Die EUDI Wallet wird perspektivisch auf eIDAS 2.0 aufsetzen und interoperabel mit der BundID gestaltet. Technisch basiert sie auf Verifiable Credentials und Qualified Electronic Attestations of Attributes (QEAA). Jeder EU-Mitgliedsstaat hat sich über die eIDAS 2.0 Verordnung verpflichtet, ab Ende 2026 mindestens ein EUDI-Wallet Angebot für seine Bürgerinnen und Bürger im Markt bereitzustellen.

KYC, DeFi und Zero-Knowledge-Proofs in der Kryptowelt

Mit der Anwendung der Markets in Crypto-Assets Regulation (MiCA) unterliegen die meisten Kryptodienste der Pflicht zur Identitätsprüfung (KYC). Die Identitätsverifikation erfolgt bei zentralisierten Anbietern über VideoIdent, eID oder Drittanbieter (z. B. IDnow, Sumsub). In dezentralen Anwendungen (DeFi) gewinnen Konzepte wie Decentralized Identifiers (DID) oder Zero-Knowledge-Proofs (ZKP) an Bedeutung. Projekte wie Polygon ID oder zkLogin von Mina erlauben pseudonyme Authentifizierung, bei der z. B. "Ich bin über 18" nachgewiesen wird, ohne das Geburtsdatum zu offenbaren. Wallets ohne Verifizierung sind dabei ein Beleg dafür, wie sehr sich der Kryptowährungsmarkt in verschiedene Richtungen entwickelt hat.

Fragmentierte Realität statt universeller Identität

Digitale Identität ist 2025 ein überlebenswichtiges Schlüsselthema – für Bürger, Unternehmen und Staaten. Doch die Realität ist fragmentiert: Von der Gesundheits-ID über die BundID bis zur DID-Wallet in DeFi-Anwendungen koexistieren unterschiedliche Systeme, Standards und Sicherheitsniveaus. Die EUDI Wallet hat das Potenzial, diese Systeme zu verbinden, bleibt aber vorerst Vision.

Viele in Verbindung mit der EUDI Wallet genannte Anwendungsfälle – etwa Altersverifikation, Mobilitätsbuchungen oder qualifizierte Signaturen – werden also bereits durch bestehende Verfahren abgedeckt. Die Wallet bietet primär standardisierte Schnittstellen, nicht zwingend neue Funktionalität.

Europa hat mit eIDAS 2.0 und der EUDI Wallet einen Rahmen geschaffen, der mehr Schutz, Interoperabilität und Souveränität verspricht. Der Alltag zeigt jedoch: Digitale Identität ist nicht eine Technologie, sondern ein Ökosystem aus Verfahren, Kontexten und Interessen. Wer wir im Netz sind, bleibt eine politische und technische Gestaltungsfrage.


DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Strompreise: Deutschland hat die fünfthöchsten der Welt
26.06.2025

Strom in Deutschland ist immer noch sehr teuer. Mit durchschnittlich 38 Cent pro Kilowattstunde rangieren die deutschen Strompreise...

DWN
Finanzen
Finanzen Depotübertrag: Wie Sie Ihr Wertpapierdepot wechseln - und dabei bares Geld sparen
25.06.2025

Ein Depotübertrag kann für Sie als Anleger zahlreiche Vorteile bieten, von geringeren Gebühren bis hin zu attraktiven Prämien für...

DWN
Immobilien
Immobilien Zwangsversteigerung von Immobilien: Wie Sie mit Zwangsversteigerungen Schnäppchen machen können
25.06.2025

Es gibt verschiedene Gründe für die Zwangsversteigerung von Immobilien vor den örtlichen Amtsgerichten. In Krisenzeiten kommt es...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ukraine: Wie der Krieg die Spielregeln der Kommunikation neu schreibt
25.06.2025

Der Ukraine-Krieg macht PR zur Überlebensfrage: Firmen müssen Haltung zeigen, Helden inszenieren und russische Propaganda abwehren –...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Industriestrompreis kommt: EU-Kommission für Subventionen bei Investitionen in grüne Technologien
25.06.2025

Brüssel öffnet das Tor für einen Industriestrompreis – aber nicht ohne Gegenleistung. Unternehmen dürfen auf staatliche Hilfe hoffen,...

DWN
Politik
Politik Energiepreise: Doch keine Senkung der Stromsteuer - Handwerksverband übt scharfe Kritik
25.06.2025

Die Bundesregierung hatte im Koalitionsvertrag angekündigt, die Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestmaß zu senken. In dem...

DWN
Politik
Politik Iran-Schlag ein Desaster? Trump feiert, Geheimdienste widersprechen
25.06.2025

Trump feiert die Zerstörung der iranischen Atomanlagen – doch Geheimdienste zweifeln am Erfolg. Interne Leaks bringen das Weiße Haus in...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Deutsche Bahn: Generalsanierung soll vier Jahre länger dauern
25.06.2025

Die geplante Sanierung Dutzender wichtiger Bahnstrecken soll nach den Vorstellungen der Deutschen Bahn bis 2035 und damit vier Jahre...