Wirtschaft

Große Banken warnen: USA trotz teilweiser Zollsenkung geschwächt

Finanzmärkte jubeln – doch Experten warnen vor anhaltender Schwäche der US-Wirtschaft. Die jüngste Teilrücknahme geplanter Zollmaßnahmen durch Ex-Präsident Donald Trump kann den Vertrauensverlust nicht aufhalten.
14.04.2025 07:48
Aktualisiert: 14.04.2025 14:03
Lesezeit: 3 min

Aussetzen von Zöllen: Reale Wirtschaft zeigt sich unbeeindruckt

Die beispiellose Rallye an den US-Börsen nach Donald Trumps Ankündigung, geplante massive Zollerhöhungen teilweise auszusetzen, hat oberflächlich betrachtet für Erleichterung gesorgt. Doch hinter den Rekordgewinnen an der Wall Street brodelt es: Große Banken und führende Ökonomen warnen vor schwerwiegenden, möglicherweise irreparablen Folgen für die wirtschaftliche Stabilität der Vereinigten Staaten.

Mit einem knappen Statement auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social hatte Trump signalisiert, er werde den allgemeinen Zollsatz für einen Übergangszeitraum von drei Monaten auf zehn Prozent begrenzen. Für Importe aus China jedoch gelten ab sofort Strafzölle von 125 Prozent – eine Eskalation, die aus Sicht vieler Analysten das globale Wirtschaftsgleichgewicht gefährdet.

Trotz eines historischen Kurssprungs – der Dow Jones kletterte um knapp 3.000 Punkte, der S&P 500 legte fast 10 Prozent zu, und der Nasdaq verzeichnete mit +12 Prozent den größten Anstieg seit 2001 – zeigt sich die reale Wirtschaft unbeeindruckt. Die Handelsvolumina stiegen zwar massiv, doch der strukturelle Schaden ist bereits entstanden.

Deutsche Bank warnt vor langfristigen Folgen

„Die Regierung hat auf den immensen Druck der Märkte reagiert – ein spätes, aber wichtiges Signal“, analysiert George Saravelos, Devisenchef der Deutschen Bank. Gleichzeitig warnt er: „Die Glaubwürdigkeit der USA als verlässlicher Wirtschaftspartner hat gelitten. Die Ereignisse der vergangenen Wochen werden nachhaltige Folgen haben – nicht nur für die globalen Handelsverhandlungen, sondern für die gesamte geopolitische Struktur.“

Insbesondere der plötzliche, drastische Zollanstieg gegenüber China – dem zweitgrößten Exportpartner der USA – sorgt für massive Verunsicherung. Die Volksrepublik reagierte prompt mit eigenen Zollerhöhungen, was Beobachter als Beginn eines neuen „Zollkriegs“ bezeichnen. Ökonom Saravelos geht davon aus, dass der Wunsch zahlreicher Länder, sich wirtschaftlich von den USA zu entkoppeln, nun weiter wachsen wird.

Goldman Sachs sieht anhaltendes Rezessionsrisiko

Auch die Investmentbank Goldman Sachs korrigierte ihre Prognose zwar leicht nach unten – von einer 65-prozentigen auf eine 45-prozentige Rezessionswahrscheinlichkeit –, betont jedoch, dass der wirtschaftliche Schaden bereits eingetreten sei. „Der Markt preist kurzfristige Erleichterungen ein. Doch mittelfristig bleibt die Unsicherheit hoch“, heißt es in der jüngsten Analyse.

Besonders bedenklich: Der effektive durchschnittliche Zollsatz der USA ist – trotz vorübergehender Aussetzung – von rund drei auf fünfzehn Prozent gestiegen. Sektoren wie Stahl, Aluminium oder der Automobilbau bleiben massiv betroffen. Ein Großteil der neuen Zölle bleibt bestehen – die Gefahr weiterer branchenspezifischer Maßnahmen sei nicht gebannt.

Chaos als Prinzip: Trumps Zollpolitik verunsichert Wirtschaft weltweit

Die Chronologie von Trumps Zollentscheidungen gleicht einem wirtschaftspolitischen Zickzackkurs. Innerhalb weniger Wochen wurden Zölle angekündigt, verschoben, modifiziert oder gar ganz zurückgenommen – teils im Tagesrhythmus. Besonders betroffen sind dabei langjährige Partner wie Kanada und Mexiko, aber auch die EU und nun in verschärftem Maße China.

Steen Bocian, Chefökonom des dänischen Wirtschaftsmagazins Børsen, sieht hierin den Kern des Problems: „Die Trump-Regierung hat eindrucksvoll demonstriert, dass sie keine verlässliche Wirtschaftspolitik verfolgt. Unternehmen weltweit sind gut beraten, sich von den USA unabhängiger zu machen – sei es bei Lieferketten oder bei Investitionsentscheidungen.“

Vertrauensverlust trotz Börsenrallye

Trotz kurzfristiger Kursgewinne an den Finanzmärkten bleibt die Lage fragil. Der S&P 500 liegt weiterhin vier Prozent unter dem Niveau vor der Zollankündigung. Beim Nasdaq beträgt das Minus sogar elf Prozent im Vergleich zum Jahresende 2024. Besonders stark schwanken Technologietitel: Tesla gewann binnen Stunden 23 Prozent, Nvidia 19 Prozent, während Meta und Apple jeweils rund 15 Prozent zulegten – ein Indikator für die enorme Nervosität an den Märkten.

Fazit: Börsen feiern, aber Risiken bleiben enorm

Was auf den ersten Blick wie eine Entspannung wirkt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als gefährliche Illusion. Die US-Wirtschaft leidet unter einem schleichenden Vertrauensverlust, ausgelöst durch willkürliche wirtschaftspolitische Eingriffe. Der bejubelte Kursanstieg an den Börsen kann nicht darüber hinwegtäuschen: Die Vereinigten Staaten stehen vor einer wirtschaftlichen Zeitenwende – und die Welt schaut mit wachsender Skepsis auf Washington.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gaskraftwerke für Deutschland: Teuer, umstritten und auch politisch fragwürdig
08.11.2025

Können Wind und Sonne nicht genug erneuerbare Energien liefern, sollen bis zu 40 große Gaskraftwerke einspringen, die...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin, Ether und Co.: Wie Sie an der Börse sicher in Kryptowährungen investieren
08.11.2025

Wollen Sie Kryptowährungen kaufen? Dann müssen Sie dafür nicht auf irgendwelchen unseriösen Internetportalen herumsurfen. Kurse von...

DWN
Politik
Politik Donald Trump und die US-Präsidentschaftswahl 2028: Strebt er eine dritte Amtszeit an und geht das so einfach?
08.11.2025

Die Diskussion um Donald Trumps mögliches politisches Comeback zeigt das Spannungsfeld zwischen Recht, Strategie und Macht in den USA....

DWN
Technologie
Technologie Deep Tech als Rettungsanker: Wie Deutschland seine industrielle Zukunft sichern kann
08.11.2025

Deutschland hat große Stärken – von Forschung bis Ingenieurskunst. Doch im globalen Wettlauf um Technologien zählt längst nicht mehr...

DWN
Technologie
Technologie So optimiert KI in Belgien die Landwirtschaft: Schwankende Ernten prognostizieren? Kein Problem!
08.11.2025

Die Landwirtschaft muss Erträge effizient planen und Schwankungen ausgleichen, wobei KI zunehmend Entscheidungen auf verlässlicher Basis...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Managergehälter: Wie viel Mut hinter den Millionen steckt
08.11.2025

Topmanager reden offen über ihr Einkommen? In Estland sorgen zwei Führungskräfte für großes Staunen. Sie zeigen, wie viel Disziplin,...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB-Leitzins: Stillstand oder Strategie? Was die EZB-Zinsentscheidung wirklich bedeutet
08.11.2025

Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins beim jüngsten EZB-Zinsentscheid nicht angerührt – doch das Schweigen ist laut. Christine...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Schmuck aus Holz und Stein: Holzkern – wie Naturmaterialien zum einzigartigen Erfolgsmodell werden
07.11.2025

Das Startup Holzkern aus Österreich vereint Design, Naturmaterialien und cleveres Marketing zu einem einzigartigen Erfolgsmodell. Gründer...