430.000 Betreuungsplätze für Kinder unter sechs Jahren fehlen in Deutschland bis 2030. Besonders gravierend ist der Mangel in Westdeutschland. Laut dem jüngsten Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme der Bertelsmann Stiftung fehlen bundesweit etwa 430.000 Betreuungsplätze, wobei der Mangel besonders in Westdeutschland mit rund 385.900 fehlenden Plätzen ausgeprägt ist.
Laut Statistischem Bundesamt (destatis) lag die Betreuungsquote für unter Dreijährige im Jahr 2023 in Westdeutschland bei 32,7 Prozent, während in Ostdeutschland 54,2 Prozent erreicht wurden. Dieser strukturelle Engpass trifft einerseits auf Haushaltsengpässe vieler Kommunen, schafft aber andererseits auch Raum für privates Kapital.
Der Investitionsstau allein im Kita-Segment beläuft sich hierzulande nach einer Studie der auf strukturierte Immobilienprodukte spezialisierten LHI Gruppe in Kooperation mit bulwiengesa, einem unabhängigen Analysehaus für die Immobilienwirtschaft, auf rund 12,5 Milliarden Euro. Gleichzeitig wächst der politische und gesellschaftliche Druck zum Ausbau der Betreuungsangebote.
Seit 2013 besteht bundesweit ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. Kitas sind damit nicht nur ein bildungspolitisches Thema, sondern auch infrastrukturell systemrelevant.
Stabile Mieter, lange Laufzeiten
Kita-Investments zählen im institutionellen Anlageuniversum zu den sogenannten alternativen Investments, genauer gesagt zu den Real Assets im Immobilienmarkt. Sie werden häufig über Spezial-AIFs strukturiert und sind insbesondere für langfristig orientierte und institutionelle Investoren interessant.
Investitionen in Kindertagesstätten gelten unter institutionellen Anlegern als krisensicher. Der Grund: Betreiber wie Kommunen oder freie Träger verfügen in der Regel über eine hohe Bonität und erhalten häufig bis zu 100 Prozent staatliche Betriebskostenzuschüsse. Das Ausfallrisiko ist entsprechend gering.
Die Mietverträge laufen üblicherweise über mehrere Jahrzehnte und enthalten sogenannte Indexierungs- sowie Verlängerungsklauseln, das heißt, die Miete wird regelmäßig an die Inflation angepasst und der Betreiber erhält eine Option auf Vertragsverlängerung zu definierten Konditionen. „Kitas sind ein krisenfestes Investment. Die Betreiber sind bonitätsstark, die Mietverhältnisse langfristig und überwiegend öffentlich abgesichert“, sagt Thomas Christ, Fondsmanager bei Warburg-HIH Invest Real Estate.
Hinzu kommt, dass die Baukosten häufig durch Landes- oder Bundesmittel gefördert werden. Auch die laufenden Mieten gelten als solide: Sie liegen in der Regel zwischen 8 und 18 Prozent des Umsatzes und seien damit vergleichsweise risikoarm kalkulierbar, so die LHI-Studie.
So funktionieren Kita-Investments
Kita-Investments folgen einem einfachen Prinzip: Institutionelle Investoren oder spezialisierte Fonds erwerben Grundstücke und errichten dort Kindertagesstätten – häufig in Zusammenarbeit mit Projektentwicklern oder Kommunen. Nach der Fertigstellung werden die Immobilien langfristig an gemeinnützige oder kommunale Träger vermietet. Diese schließen in der Regel Verträge mit Laufzeiten von 20 bis 30 Jahren ab. Die daraus resultierenden Pachtzahlungen sorgen wiederum für planbare, stabile Einnahmen auf Investorenseite.
Das Besondere: Als Teil der sozialen Infrastruktur gelten Kitas als förderwürdig. Viele Betreiber erhalten bis zu 100 Prozent staatliche Zuschüsse zu den Betriebskosten, was das Ausfallrisiko für Investoren deutlich reduziert.
Fakt ist: In Deutschland fehlen derzeit rund 600.000 Betreuungsplätze für Kinder unter sechs Jahren. Besonders groß ist der Mangel in Westdeutschland, wo die Betreuungsquote für unter Dreijährige bei nur 31,8 Prozent liegt – im Osten sind es 53,3 Prozent. Dieser Engpass trifft auf vielerorts klamme Kommunen und macht den Sektor für privates Kapital besonders attraktiv.
Zwar sind viele Kommunen haushaltspolitisch unter Druck, doch die Pachtzahlungen stammen in der Regel nicht direkt aus kommunalen Budgets, sondern aus dem staatlich refinanzierten Betriebskostenbudget der Kita-Träger, was die Einnahmeseite für Investoren zusätzlich absichert.
ESG-konform mit sozialem Impact
Laut einer Studie der LHI Group in Kooperation mit bulwiengesa beläuft sich der Investitionsrückstand einschließlich des Fachkräftemangels in Kita-Bereich bei rund 12,5 Milliarden Euro. Der gesellschaftliche und politische Druck zum Ausbau der Betreuungsinfrastruktur wächst, nicht zuletzt, weil seit 2013 ein bundesweiter Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr gilt. Kindertagesstätten sind damit längst nicht mehr nur Bildungsthema – sie gelten heute als systemrelevante Infrastruktur.
Investments in Kindertagesstätten zielen daher nicht nur auf Rendite, sondern auch auf gesellschaftliche Wirkung. “Kitas bilden einen Grundpfeiler der sozialen Infrastruktur”, sagt Jens Nagelsmeier, Head of Research bei HIH Invest, einem in Hamburg ansässigen Asset Manager für institutionelle Immobilienanlagen.
Fonds wie der HIH Zukunft Invest oder der Values Daycare Invest verfolgen ESG-Strategien nach Artikel 8 der EU-Offenlegungsverordnung. Ihre Investments zielen auf Neubauten in urbanen Wohnquartieren mit nachhaltiger Modulbauweise und hoher Energieeffizienz
Wer investiert und wie?
Der Markt für Kita-Investments wächst – und mit ihm die Zahl spezialisierter Anbieter. Laut bulwiengesa sind inzwischen zahlreiche institutionelle Akteure aktiv, die sich auf Bildungs- und Sozialimmobilien fokussieren:
- Warburg-HIH: Immobilien-Investmentgesellschaft mit Fokus auf institutionelle Anleger,
- HIH Invest: Asset Manager mit Sitz in Hamburg,
- LHI: Investmenthaus mit Sitz in Pullach bei München, spezialisiert auf strukturierte Immobilienprodukte,
- Aviarent: Anbieter mit Schwerpunkt auf Sozial- und Gesundheitsimmobilien,
- Omega: auf die Entwicklung und den Bestand von Sozialimmobilien spezialisiert,
- Gothaer: Versicherungskonzern mit eigener Immobilien-Investmentplattform,
- Versorgungswerk der Zahnärztekammer Nordrhein: Einrichtung der berufsständischen Altersvorsorge.
Der Fonds Kita-Welten Rheinland etwa wird von der LHI aufgelegt und verwaltet. Er ist auf Kita-Neubauten spezialisiert und strebt eine Zielrendite von 4,75 Prozent pro Jahr bei einem Leverage von 50 Prozent an. Das Fondsvolumen beträgt rund 75 Millionen Euro und ist vollständig investiert.
Die LHI mit Sitz in Pullach bei München zählt zu den erfahrenen Anbietern im Bereich strukturierter Investments. Sie verwaltet derzeit ein aktives Investmentvolumen von rund 6,3 Milliarden Euro und hat über 50 Jahre Branchenerfahrung. Das kumulierte betreute Vermögen beläuft sich auf rund 12,3 Milliarden Euro. Neben Immobilien fokussiert sich das Haus auch auf Infrastrukturinvestments in Erneuerbare Energien und Aviation.
CDU, CSU und SPD mit Kita-Bekenntnis
Was noch vor wenigen Jahren als Nische galt – erste institutionelle Investments reichen kaum weiter zurück als bis zum Jahr 2015 –, entwickelt sich zunehmend zu einer festen Größe im institutionellen Portfolio-Mix. Die Nachfrage nach Betreuungsplätzen wird strukturell hoch bleiben, während die öffentliche Hand auch in den kommenden Jahren auf privates Kapital angewiesen sein wird, dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund anhaltend klammer Haushalte.
Zwar verzichtet der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD auf ein konkretes Ausbauziel bei Betreuungsplätzen, bekennt sich aber grundsätzlich zum weiteren Kita-Ausbau – etwa durch die Ausweitung des Startchancen-Programms und eine stärkere Unterstützung von Sprach-Kitas. Für Investoren bedeutet das: Der politische Wille ist vorhanden, die konkrete Umsetzung bleibt allerdings vom finanziellen Spielraum abhängig.
Für Investoren ergeben sich daraus langfristige Perspektiven: solide Cashflows, ESG-Konformität nach Artikel 8 – und ein Segment, das bislang vergleichsweise unterbewertet ist. Die Herausforderung liegt künftig nicht nur in der Projektentwicklung, sondern auch in der intelligenten Standortwahl und professionellen Betreiberbindung.
Auch ethisch lässt sich das begründen: Solange Träger und Betreiber im Mittelpunkt stehen und der Bildungsauftrag gewahrt bleibt, sollte privates Kapital als willkommene Ergänzung zum öffentlichen Ausbau gelten, nicht als Ersatz. Die entscheidende Frage sollte daher nicht lauten, ob Kitas ein Investment sein dürfen, sondern wie verantwortungsvoll mit diesen Investments umgegangen wird.