Finanzen

Private Debt und Mittelstandsfinanzierung: Wie Unternehmer in Unternehmer investieren

Der Kreditmarkt wandelt sich: Immer mehr Mittelständler finanzieren sich abseits der Banken – private Investoren schließen die Lücke. Was Private Debt ist, wie es funktioniert und warum es als alternative Anlageklasse an Bedeutung gewinnt.
25.05.2025 12:28
Aktualisiert: 01.01.2030 11:25
Lesezeit: 5 min
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Fremdfinanzierungsinstrumente wie Private Debt sind im Kommen

Kaum ein Bereich des Finanzmarktes ist derzeit so stark im Umbruch wie die Unternehmensfinanzierung im Mittelstand. Das zeigt das aktuelle KfW-Mittelstandspanel 2024, das auf einer breit angelegten Befragung von rund 10.000 kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) basiert. Danach haben im Jahr 2023 nur 25 Prozent der mittelständischen Unternehmen mit Investitionsvorhaben überhaupt Kreditverhandlungen geführt – ein historischer Tiefstand.

So stieg die Kreditablehnungsquote auf 12 Prozent, während die Erfolgsquote um sieben Prozentpunkte sank. Besonders betroffen waren Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten. Insgesamt sank die Zahl der Unternehmen, die Bankkredite zur Finanzierung ihrer Investitionen nutzten, um 244.000 auf nur noch 519.000. Das entspricht einem Rückgang um 32 Prozent innerhalb eines Jahres.

Das KfW-Mittelstandspanel kommt zu dem Ergebnis, dass sich die strukturellen Nachteile kleiner Unternehmen im Zuge der Kreditklemme wieder verschärfen und der Bedarf an Fremdfinanzierung ohne Banken daher weiter steigen wird.

KfW-Grafik: Mittelständler mit Kreditverhandlungen

Hintergrund sind unter anderem die gestiegenen Eigenkapitalanforderungen aus Basel III und IV, strengere Bonitätsregeln sowie ein verschärftes regulatorisches Umfeld durch die Europäische Bankenaufsicht. Hinzu kommt, dass sich viele Banken bei der Kreditvergabe auf Großkunden oder besicherte Projekte konzentrieren, während mittelgroße Finanzierungsanfragen zwischen 10 und 50 Millionen Euro zunehmend ins Leere laufen.

Ein Whitepaper der Schweizer Privatbank Union Bancaire Privée (UBP) aus dem Jahr 2024 mit dem Titel „Private Debt: A Time-Honoured Market Perspective” kommt zu einem ähnlichen Schluss. Demnach agieren klassische Kreditinstitute zunehmend zurückhaltend, wenn es um die Finanzierung von KMU geht. Die regulatorischen Hürden seien zu hoch, die Margen zu niedrig. Die Folge sei eine wachsende Kreditlücke im sogenannten Lower Mid Market. Gleichzeitig steige laut UBP die Nachfrage nach flexiblen Finanzierungsformen, die schneller und pragmatischer agieren als traditionelle Banken.

Finanzlösung für mittelständische Wachstumsunternehmen

Gerade im Lower Mid Market-Segment sind Private Debt Funds, also spezialisierte Investmentfonds, die Kredite außerhalb des Bankensystems vergeben werden, eine beliebte Form der Finanzierung. Für institutionelle Investoren, Family Offices oder semi-professionelle Privatanleger ergibt sich so ein direkter Zugang zu mittelständischen Renditequellen, etwa über Wachstum, Akquisitionen oder Produktentwicklungen, bei denen Banken häufig zurückhaltend agieren.

Solche Private Debt-Finanzierungen sind in der Regel mit lukrativen Risikoaufschlägen, individuell verhandelten Konditionen und kurzen Laufzeiten zwischen drei und sieben Jahren ausgestattet. Zudem sind die Cashflows durch feste Zins- und Tilgungsstrukturen vergleichsweise gut planbar. Darüber hinaus ermöglicht die direkte, bilaterale Vertragsgestaltung im Gegensatz zu standardisierten Bankprozessen ein engeres Risikomanagement und eine größere Nähe zum Investitionsobjekt.

Für viele Mittelständler sei dies oft der entscheidende Unterschied, so die UBP: Während Banken auf Sicherheiten pochen, setzen Private Debt-Fonds auf das Geschäftsmodell.

Private Debt erklärt: Das steckt hinter dem Begriff

Private Debt bezeichnet außerbörslich vergebene Kredite an Unternehmen, die nicht über klassische Banken oder Anleihen finanziert werden. Der Markt reicht von einfachen Direktkrediten (Direct Lending) über Mezzanine-Kapital bis hin zu komplexen strukturierten Finanzierungen wie Unitranche-Modelle oder Asset-Based Lending.

Entscheidend ist: Private Debt unterscheidet sich fundamental von börsengehandelten Anleihen. Es handelt sich um individuell verhandelte Kreditverträge mit oft bilateralen Strukturen, hoher Informationsdichte und maßgeschneiderten Bedingungen. Für Unternehmen bietet das die Chance, Finanzierungen jenseits standardisierter Bankprozesse zu erhalten. Für Investoren entstehen exklusive Renditequellen.

Direkter Zugang für Unternehmer und Anleger

Private Debt lässt sich grob in zwei Modelle unterscheiden:

  • Direct Lending: Hier vergeben institutionelle Investoren oder spezialisierte Fonds Kredite direkt an mittelständische Unternehmen – ohne Umweg über eine Bank. Die Mittel fließen oft innerhalb weniger Wochen, die Vertragsstruktur ist individuell und orientiert sich am Geschäftsmodell. Direct Lending eignet sich besonders für Wachstumsfinanzierungen, Nachfolgelösungen oder strategische Akquisitionen.
  • Indirect Private Debt: Anleger investieren hier in Fondsvehikel, die das Kapital bündeln und breit diversifiziert in verschiedene Kreditprojekte vergeben. Die Auswahl und Steuerung übernimmt ein professionelles Fondsmanagement.

Plattformen wie Invesdor und Moonfare eröffnen verschiedene Zugänge zu Private Debt, je nach Anlegerprofil und Risikobereitschaft.

Invesdor ist eine paneuropäische Crowdinvesting-Plattform, die aus der Fusion von Kapilendo (Deutschland), Finnest (Österreich) und Invesdor (Finnland) hervorgegangen ist. Der Fokus liegt auf Mittelstandsfinanzierungen in Deutschland, Österreich und Skandinavien, häufig in Form von nachrangigen Darlehen oder Eigenkapitalbeteiligungen. Der Einstieg beginnt bereits ab 1.000 Euro, Anleger erhalten feste Zinsen oder Beteiligungen am Unternehmenswert.

Moonfare richtet sich an vermögende Privatinvestoren, semi-professionelle Anleger und Family Offices. Die Plattform bietet Zugang zu institutionellen Private-Debt- und Private-Equity-Fonds, in der Regel ab 50.000 bis 200.000 Euro Mindestanlage. Anleger investieren hier indirekt in breit gestreute Portfolios, etwa im Bereich Unternehmenswachstum, Buyouts oder Mezzanine-Finanzierungen. Moonfare agiert als Intermediär und strukturiert die Fondsbeteiligung über sogenannte Feeder-Funds.

Private Debt als Finanzierungslösung für KMU

Private Debt überzeugt institutionelle wie private Anleger durch eine attraktive Rendite-Risiko-Balance. In der Regel erzielen Kreditfonds laufende Ausschüttungen von 6 bis 10 Prozent, möglich durch Illiquiditätsprämien, maßgeschneiderte Covenants und direkte Risikoprämien.

Laut der UBP eröffnet gerade das sogenannte „unbesicherte Unternehmenskreditgeschäft mit bilateraler Struktur” ein ausgewogenes Renditeprofil, weil dort Risiko- und Rückzahlungsprofil eng verhandelt werden. „Private Debt erlaubt es, Kreditrisiken selektiv einzugehen und damit systematisch Alpha zu generieren“, so Philippe Lespinard, Head of Asset Management bei UBP, im Whitepaper zum Thema.

Für Mittelständler wird Private Debt mehr und mehr zur strategischen Finanzierungsquelle. Der Bundesverband Alternative Investments (BAI) hat in seiner jüngsten Studie rund 100 institutionelle Investoren zu ihrer Allokationsstrategie im Bereich Private Debt befragt.

Das Ergebnis: 56 Prozent der Befragten planen, ihr Engagement in dieser Anlageklasse auszubauen – insbesondere mit Blick auf Unternehmensfinanzierungen im Mittelstand.

Oder wie es die Studienautoren formulieren: „Private Debt bietet institutionellen Investoren nicht nur stabile Erträge, sondern unterstützt zugleich die Realwirtschaft bei strategischen Transformationen.“

Gleichzeitig liefert die BAI-Studie konkrete Marktzahlen: In den vergangenen zehn Jahren ist das Marktvolumen für Private Debt in Deutschland von unter 10 Milliarden Euro auf über 40 Milliarden Euro gestiegen, Tendenz weiter steigend. Besonders dynamisch wächst der Markt im Bereich der Unternehmensfinanzierung: 68 Prozent der Investoren sehen hier das größte Potenzial für weitere Allokationen.

BAI-Grafik: Anteil deutscher Institutioneller Investoren mit Corporate Private-Debt-Allokation

Laut BAI planen zusätzlich neun Prozent der institutionellen Investoren, erstmals in Private Debt zu investieren. Die erwartete Zielallokation für die Jahre 2024 und 2025 liegt im Schnitt bei rund drei Prozent des Gesamtportfolios – eine deutliche Steigerung gegenüber 2022 (2,2 Prozent) und 2021 (2,23 Prozent).

Zum Vergleich: In den USA hat sich der Private-Debt-Markt mit einem Volumen von rund 1,4 Billionen US-Dollar zum mit Abstand größten weltweit entwickelt – insbesondere durch Direct Lending an den Mittelstand. In Europa liegt das Volumen laut BAI derzeit bei über 300 Milliarden Euro, mit deutlichen Wachstumsimpulsen aus Deutschland, Frankreich und Skandinavien.

Getrieben wird diese Entwicklung vor allem durch die steigende Nachfrage im Lower Mid Market sowie die Professionalisierung der Fondsstrukturen. „Private Debt ist längst kein Nischensegment mehr, sondern eine tragende Säule moderner Unternehmensfinanzierung“, so das Fazit der Studie.

Sponsor-unabhängiges Lending: Der Kreditmarkt der nächsten Generation

Besonders dynamisch wächst der Bereich des sponsor-unabhängigen Lendings. Gemeint ist die direkte Kreditvergabe an Unternehmen ohne Beteiligung von Private Equity-Gesellschaften oder anderen Finanzsponsoren. Die Schweizer UBP spricht in ihrem Whitepaper gar von einer „Re-Industrialisierung der Kreditmärkte”. Gemeint ist eine Rückkehr zu direkter Kreditvergabe zwischen Investoren und Unternehmen.

Darüber hinaus betonen die Autoren, dass Private Debt-Investoren im heutigen Marktumfeld ein strukturelles Gegengewicht zum Rückzug traditioneller Banken darstellen. Besonders in Europa, wo kleine und mittlere Unternehmen über 99 Prozent aller Unternehmen ausmachen, könne Private Debt laut UBP als zentraler Hebel für Wachstum und Innovation fungieren. Vorausgesetzt, es gelingt, regulatorische Rahmenbedingungen stabil zu halten und institutionelles Kapital langfristig zu mobilisieren.

 

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