Die kontinuierliche Abschwächung des US-Dollars und die zunehmenden internationalen Handelsspannungen verschärfen die Perspektiven für sowohl US-amerikanische als auch europäische Unternehmen. Die aktuelle Berichtssaison ist ein rotes Signal für Investoren und Analysten, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zunehmend negativ entwickeln.
Der schwache Dollar – eine doppelte Belastung für Exporteure
Laut den neuesten Daten von Citigroup sind die Gewinnrevisionen für Unternehmen in den USA und Europa (mit Ausnahme Großbritanniens) auf den niedrigsten Stand seit der COVID-19-Pandemie gefallen. Beide Gewinnrevisionsindizes – sowohl für die USA als auch für Europa – sind tief in den negativen Bereich abgerutscht. Diese Entwicklung weist klar darauf hin, dass die Gewinndynamik nachlässt und sich die Stimmung hinsichtlich der zukünftigen Finanzergebnisse verschlechtert, wie auch Bloomberg unterstreicht.
Besonders betroffen sind Unternehmen mit hohem Auslandsexposure. Die jüngste Schwächung des US-Dollars gegenüber dem Euro und dem Schweizer Franken hat ein Niveau erreicht, das in den letzten Jahren nicht mehr zu beobachten war. Dies stellt ein weiteres Problem für Unternehmen dar, deren Umsätze einen großen Teil aus internationalen Geschäften generieren. Besonders europäische Unternehmen, die Einnahmen in Dollar erzielen, leiden unter dem niedrigeren Umrechnungskurs, was zu einer Reduzierung der Einnahmen in heimischer Währung führt.
Laut dem Dollar-Exposure-Index von Goldman Sachs bewegen sich die Preise der meisten europäischen Unternehmen stark im Einklang mit dem Dollar. Ein deutlicher Vorteil hingegen besteht für Unternehmen, die vorwiegend auf den heimischen Markt fokussiert sind. Diese Unternehmen können sich relativ besser entwickeln, was die Anleger dazu anregt, ihre Portfolio-Strategien zu überdenken.
Europäische Riesen unter Druck
Die Auswirkungen der Dollarschwäche sind bereits bei mehreren europäischen Schwergewichten spürbar. Der deutsche Softwaregigant SAP hat den schwachen Dollar als Risiko für zukünftige Ergebnisse genannt, insbesondere nach dem Auslaufen von Währungsabsicherungen. Ähnlich äußerte sich Heineken, das einen Umsatzrückgang von nahezu 2 Milliarden US-Dollar aufgrund ungünstiger Wechselkurse erwartet. Auch das französische Unternehmen BioMérieux sowie das britische Einzelhandelsunternehmen WH Smith warnen, dass Wechselkursrisiken einen erheblichen Einfluss auf ihre Finanzergebnisse haben könnten.
In den USA zeigen sich die Auswirkungen der Dollar-Abwertung ebenfalls, allerdings ist die Lage komplexer. Unternehmen wie Coca-Cola und Philip Morris könnten vom schwächeren Dollar profitieren, da sie stark auf internationale Märkte angewiesen sind. Doch nur etwa 28 Prozent der Umsätze der S&P 500-Unternehmen stammen aus dem Ausland. Für die anderen Unternehmen, die hauptsächlich auf dem Binnenmarkt tätig sind, könnten die höheren Importkosten und die sinkende Kaufkraft der Verbraucher problematisch werden.
Gewinnprognosen sinken in den USA und Europa
Infolge der aktuellen Entwicklungen wurden die Gewinnprognosen sowohl in den USA als auch in Europa nach unten korrigiert. In den USA wurde die Schätzung für das Gewinnwachstum je Aktie von ursprünglich 11,4 Prozent auf nunmehr 7,3 Prozent gesenkt. In Europa sind die Korrekturen noch gravierender: Die Prognosen für den Stoxx 600-Index wurden von +3 Prozent auf -2 Prozent revidiert. Besonders betroffen sind exportorientierte Branchen, in denen die Wechselkurseffekte am stärksten zum Tragen kommen.
Die Auswirkungen auf bekannte Marken sind nicht zu übersehen. So haben mehrere Investmentbanken ihre Prognosen für Unternehmen wie Richemont, Swatch und Lindt gesenkt, ebenso wie die Bank of America ihre Erwartungen für Beiersdorf angepasst. Auch Barclays hat die Gewinnprognosen für Unilever, Nestlé und Lindt nach unten korrigiert.
Die Verknüpfung von Dollar und Aktienmarkt
Bis vor Kurzem waren die Bewegungen des US-Dollars und des S&P 500 oftmals negativ korreliert – ein Anstieg des einen ging mit einem Rückgang des anderen einher. Doch die aktuellen Daten zeigen, dass sich beide Indikatoren in jüngster Zeit parallel in eine abwärtsgerichtete Richtung bewegen. Dies deutet darauf hin, dass die Sorgen der Investoren hinsichtlich der wirtschaftlichen Lage zunehmen und sie verstärkt Risiken meiden.
Ausblick – das dritte Quartal unter Druck
Experten warnen, dass das dritte Quartal von den kumulierten Effekten der Währungs- und Zollproblematik geprägt sein könnte. Zwar könnten Unternehmen wie Microsoft, Accenture und Alphabet noch von der Dollar-Schwäche profitieren, da mehr als die Hälfte ihrer Umsätze außerhalb der USA erzielt werden, doch diese bleiben eher die Ausnahme. In den meisten Fällen wird die allgemeine Marktlage durch die negativen Wechselkurseffekte belastet.
Weitere Abwertung des Dollars erwartet
Jan Hatzius, Chefvolkswirt bei Goldman Sachs, hält die derzeitige Abwertung des Dollars für kein vorübergehendes Phänomen. Laut Hatzius könnte der Dollar weiter an Wert verlieren, nachdem er im April um 4,5 Prozent gefallen war – der stärkste Monatsverlust seit Ende 2022. Seit Jahresbeginn hat der Dollar gegenüber einem Korb wichtiger Währungen bereits 8,5 Prozent an Wert verloren.
Hatzius verweist auf historische Perioden, in denen der Dollar in den 1980er Jahren sowie zu Beginn des 21. Jahrhunderts um 25 bis 30 Prozent schwächer wurde. Auch wenn der Dollar in diesem Zuge nicht seinen Status als Weltreservewährung verlieren werde, könnte eine weiter anhaltende Schwäche des US-Dollars das wirtschaftliche Gleichgewicht auf globaler Ebene empfindlich stören.
Fazit
Die Dollarschwäche wird auch die europäischen Unternehmen nicht ungeschoren lassen. Der Druck auf die Ergebnisse wird zunehmen, und die Unsicherheit über die weltwirtschaftlichen Entwicklungen könnte den Markt noch länger beschäftigen. Anleger müssen sich auf volatile Zeiten einstellen.