Wirtschaft

Silicon Valley wankt: Zölle, Zoff und zerplatzte Tech-Träume

Während Europa auf seine Rezession zusteuert und China seine Wirtschaft auf staatlicher Kommandobasis stabilisiert, gibt es auch im sonst so erfolgsverwöhnten Silicon Valley zunehmend Risse in der Fassade. Die vergangene Woche hat eindrucksvoll gezeigt: Die großen Tech-Konzerne sind angeschlagen – und es ist keineswegs sicher, ob sie aus der kommenden Phase unbeschadet hervorgehen.
08.05.2025 15:57
Lesezeit: 3 min
Silicon Valley wankt: Zölle, Zoff und zerplatzte Tech-Träume
Was bringt die Zukunft? Apple-CEO Tim Cook blieb vage. Die Lage sei zu unklar. (Foto: dpa/AP | Jeff Chiu) Foto: Jeff Chiu

Zölle statt Zahlen – Trumps Schatten über dem Valley

Die Veröffentlichung der jüngsten Quartalszahlen stand unter einem ganz besonderen Stern: Nicht Gewinnmargen oder Cloud-Wachstum standen im Fokus – sondern die Frage, wie stark Donald Trumps Wirtschaftskrieg gegen China bereits jetzt durchschlägt. Ein 145-Prozent-Zoll auf chinesische Waren verändert mehr als nur Preislisten – er greift direkt in die Architektur der globalen Lieferketten ein.

Am härtesten betroffen: Apple und Amazon. Apple-CEO Tim Cook blieb vage – aus gutem Grund. Zwar wuchs der iPhone-Umsatz leicht, doch der Konzern rechnet mit zusätzlichen Kosten von 900 Millionen US-Dollar – allein durch Zölle. Eine klare Prognose für das zweite Quartal? Fehlanzeige. Cook sagte lediglich, die Lage sei „zu unklar, um Vorhersagen zu treffen“.

Auch Amazon steckt in der Klemme. Denn ein Großteil der Produkte auf dem Marktplatz stammt direkt oder indirekt aus China. CEO Andy Jassy versuchte, das Problem kleinzureden – doch wer genau hinhörte, merkte schnell: Die Unsicherheit ist groß.

Microsoft trotzt der Krise – (noch)

Einen Lichtblick gab es ausgerechnet von Microsoft. Der Konzern konnte die Anleger mit einem 33-prozentigen Wachstum seiner Azure-Cloud-Plattform überraschen. Satya Nadella gibt sich betont gelassen – Microsofts Fokus auf Unternehmenssoftware mache den Konzern „resistenter gegen globale Turbulenzen“.

Analysten loben die strategische Klarheit des Unternehmens. Während andere noch mit Zolllisten jonglieren, investiert Microsoft unbeirrt weiter – allein in diesem Geschäftsjahr sollen bis zu 80 Milliarden Dollar in KI-Infrastruktur fließen. Die Microsoft-Aktie ist in diesem Jahr bislang die einzige der „Glorreichen Sieben“, die im Plus notiert. Ein seltenes Zeichen von Stabilität in einem zunehmend fragmentierten Sektor.

Nvidia vs. Anthropic – Der Hummer-Zwist

In einer Szene, die fast surreal wirkt, brach ein öffentlicher Streit zwischen dem Chiphersteller Nvidia und dem KI-Startup Anthropic aus – und zwar über die Frage, wie chinesische Firmen angeblich US-Exportkontrollen umgehen.

Anthropic behauptet, dass Chips in Kisten mit lebenden Hummern nach China geschmuggelt würden – Nvidia konterte trocken: „Märchen“. Die Wortwahl ist bezeichnend für die Nervosität, die derzeit im KI-Sektor herrscht. Denn ab dem 15. Mai gelten neue US-Restriktionen für KI-Chips – ein Problem für Nvidia, dessen Hochleistungschips H100 und A100 inzwischen praktisch Exportverbot haben.

Zwar versucht Nvidia mit angepassten „China-Versionen“ wie dem H20 gegenzusteuern – doch der Markt merkt, dass selbst Technologie nicht gegen Geopolitik immun ist.

ChatGPT im Kniefall – OpenAI zieht Update zurück

Auch OpenAI hatte eine turbulente Woche. Das neue Modell GPT-4o sollte schneller, smarter, besser sein. Doch stattdessen zeigte der Chatbot eine irritierende Neigung zur Unterwürfigkeit – und bestätigte Aussagen, die gefährlich oder schlichtweg falsch waren.

Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten. In sozialen Medien kursierten Videos, in denen ChatGPT gefährliche Vorschläge kritiklos akzeptierte. OpenAI-CEO Sam Altman reagierte prompt – das Update wurde zurückgezogen, der Rollout gestoppt. Man arbeite an „Korrekturen der Modellpersönlichkeit“, hieß es kryptisch. Dass ausgerechnet im Zentrum der KI-Revolution ein solches Fiasko passieren konnte, spricht Bände.

Fazit: Technologische Großmacht im Taumel

Die jüngste „Silicon Valley Week“ zeigt, was sich seit Monaten abzeichnet: Das Tal der Technologie ringt mit der Realität. Handelskonflikte, politische Unsicherheiten, gesellschaftliche Polarisierung – all das trifft eine Branche, die sich lange als unantastbar wähnte.

Die Prognosen bleiben optimistisch, die Milliarden fließen weiter – doch hinter den Fassaden wächst die Nervosität. Es ist eine neue Zeit angebrochen im Silicon Valley. Eine Zeit, in der selbst der Hummer zum Symbol für eine Industrie geworden ist, die sich nicht mehr sicher ist, wohin die Reise geht.

Was kommt als Nächstes? Die Welt schaut gespannt auf den 15. Mai – wenn die neuen US-Exportregeln greifen. Dann wird sich zeigen, ob das Silicon Valley wirklich so robust ist, wie es sich selbst gerne sieht – oder ob der nächste Riss bereits tief durchs Fundament verläuft.

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