Finanzen

Estateguru-Desaster: Deutsche Anleger warten auf 77 Millionen Euro – Rückflüsse stocken, Vertrauen schwindet

Immobilien-Crowdfunding in der Vertrauenskrise: Estateguru kann 77 Millionen Euro deutscher Anleger bislang nicht zurückführen – das System wankt.
10.05.2025 05:50
Lesezeit: 1 min
Estateguru-Desaster: Deutsche Anleger warten auf 77 Millionen Euro – Rückflüsse stocken, Vertrauen schwindet
Leerstand statt Rendite: Für viele Investoren endet das Estateguru-Versprechen im Verlust – Rückzahlungen stocken, Vertrauen bröckelt. (Foto:dpa) Foto: Heiko Wolfraum

Die estnische Crowdfunding-Plattform Estateguru, einst gefeiert als innovatives Bindeglied zwischen Kleinanlegern und Immobilienprojekten, steht in Deutschland massiv unter Druck. Rund 77 Millionen Euro an ausstehenden Krediten sind derzeit offen – das entspricht mehr als 74 Prozent des gesamten deutschen Kreditportfolios der Plattform. Bisher wurden gerade einmal 1,1 Millionen Euro im Jahr 2024 zurückgeholt.

Anlegergelder blockiert – Rückflüsse schleppend

Was als vielversprechende Investition in Immobilien begann, entwickelt sich für viele Investoren zum Albtraum. Einer der betroffenen Anleger berichtet gegenüber einem baltischen Nachrichtenportal, er habe im Jahr 2021 20.000 Euro investiert. Anfangs seien die Zinsen planmäßig gezahlt worden, doch bald begannen die ersten Verzögerungen – schließlich blieben die Zahlungen ganz aus.

Die Reaktion der Plattform: vage Aussagen, Verträge wurden verlängert, konkrete Rückzahlungen blieben aus. „Von diesem Moment an habe ich gemerkt, dass etwas nicht stimmt“, sagt der Investor heute – anonym, aber desillusioniert.

Estateguru-Chef räumt Schwierigkeiten ein

Estateguru-CEO Mihkel Stamm gesteht mittlerweile öffentlich ein, dass der Rückforderungsprozess in Deutschland schleppend vorankommt. In einem Interview mit dem Portal Mano pinigai spricht er von mangelnder Kooperationsbereitschaft der Kreditnehmer, bürokratischen Hürden und langwierigen Gerichtsverfahren. Die letzte nennenswerte Rückzahlung in Höhe von 1,1 Millionen Euro erfolgte im Mai 2024.

„Alle anderen Fälle sind noch vor Gericht“, erklärt Stamm. Weitere Rückflüsse erwarte man frühestens im Mai oder Juni – der gesamte Rückgewinnungsprozess könne aber noch bis zu vier Jahre dauern.

Vertrauen in Mitleidenschaft gezogen

Die Plattform, die mit Versprechungen von sicheren Immobilieninvestments und transparentem Risikomanagement warb, verliert zunehmend das Vertrauen der Anleger – insbesondere in Deutschland. Einige Investoren berichten von eingeschränkter Kommunikation, fehlender Transparenz und dem Eindruck, dass die Verantwortlichen die Kontrolle über die Situation verloren haben.

Der große Test für die Crowdfunding-Branche

Der Fall Estateguru könnte zu einem Wendepunkt für die gesamte europäische Crowdinvesting-Landschaft werden. Der Sektor, lange Zeit unreguliert und von Euphorie getragen, sieht sich nun mit der harten Realität fauler Kredite und gescheiterter Projekte konfrontiert – und mit Investoren, die weder ihr Geld noch klare Antworten bekommen.

Was einst als Demokratisierung des Immobilienmarktes verkauft wurde, entpuppt sich im Nachhinein möglicherweise als systemische Schwäche des Modells: fehlende Kontrolle, zu viel Optimismus – und zu wenig juristische Schlagkraft bei Zahlungsausfällen.

Bleibt am Ende nur die Hoffnung, dass wenigstens ein Teil der Millionen in den kommenden Jahren zurückfließt. Doch schon jetzt steht fest: Das Vertrauen ist schwer beschädigt. Und es wird dauern, bis Anleger sich wieder an den Markt wagen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Corona-Maßnahmen und ihre Folgen: „Man hat eine ganze Generation Kinder einfach geopfert“
16.07.2025

Die Lockdowns haben Kinder und Jugendliche besonders hart getroffen: Mehr als jedes fünfte Kind und jeder fünfte Jugendliche zeigt seit...

DWN
Finanzen
Finanzen Gewerbesteuereinbruch: Krise bei Mercedes und Porsche führt zu gewaltigen Steuerloch
16.07.2025

Massive Investitionen in E-Mobilität, Absatzflauten in China, geopolitische Risiken: Die Autoindustrie bricht ein – und mit ihr die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen EU will mit neuer Abgabe große Unternehmen anzapfen: Auch 20.000 deutsche Firmen betroffen
16.07.2025

Brüssel greift nach den Kassen der Großkonzerne und damit indirekt in die Geldbörsen der Bürger. Eine neue EU-Umsatzabgabe ab 50...

DWN
Politik
Politik Rückkehr Wehrpflicht: Immer mehr Anträge auf Kriegsdienstverweigerung
16.07.2025

Die Sorge vor einer möglichen Rückkehr der Wehrpflicht sorgt in Deutschland für Aufruhr: Immer mehr Menschen wollen den Dienst an der...

DWN
Politik
Politik Anhebung Mindestlohn: Höherer Mindestlohn beschert dem Start Milliardeneinnahmen
16.07.2025

Viele Aufstocker verlieren bei einem höheren Mindestlohn einen Teil oder auch das gesamte Bürgergeld. Das spart dem Staat einige hundert...

DWN
Finanzen
Finanzen Aus für Steuerklärung wegen Fachkräftemangel? Gewerkschaft fordert die Abschaffung
16.07.2025

Kurz vor Ablauf der Abgabefrist für das Jahr 2024 hat die Deutsche Steuer-Gewerkschaft gefordert, die Steuererklärung für Arbeitnehmer...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft US-Inflation zieht stärker an – Zölle als möglicher Preistreiber
16.07.2025

Steigende Inflation, anhaltend hohe Zinsen – und ein Präsident, der die Lage verschärfen könnte: Die USA geraten unter...

DWN
Politik
Politik AI Act: Wo stehen wir über ein Jahr nach dem Beschluss des KI-Gesetzes?
16.07.2025

Mit dem AI Act schreibt Europa Geschichte: Die erste globale KI-Gesetzgebung verspricht Sicherheit, birgt aber auch Risiken. Wo Deutschland...