Ölpreis: OPEC-Konflikt und eine Rebellion gegen Riad
Am Wochenende trat ein Beschluss in Kraft, der Beobachter auf dem falschen Fuß erwischte: Die Ölförderung soll im Juni um weitere 411.000 Barrel pro Tag steigen – eine Maßnahme, die deutlich über das Erwartete hinausgeht. Nach Jahren gezielter Drosselungen zur Stützung der Märkte überrascht dieser Richtungswechsel nicht nur Investoren, sondern offenbart die tiefen Gräben innerhalb der Produzentenallianz.
Im Zentrum der Eskalation stehen drei Länder: Kasachstan, Irak und die Vereinigten Arabischen Emirate. Sie haben sich – entgegen den Vereinbarungen – nicht an ihre Förderquoten gehalten. Das hat bei Saudi-Arabien, dem dominierenden Akteur der OPEC, für erheblichen Unmut gesorgt. „Saudi-Arabien ist sehr frustriert“, bestätigt SEB-Ölanalyst Bjarne Schieldrop. Das Königreich sei zunehmend isoliert in seinem Bemühen, Preisstabilität durch Disziplin zu erzwingen.
Die Konsequenz im OPEC-Konflikt: Riad lässt den Markt gezielt mit billigem Öl fluten. Eine Art disziplinarischer Warnschuss an die Adresse der Quotenbrecher – mit hohen Kosten für das eigene Land. Denn der saudische Haushalt benötigt laut IWF einen Ölpreis von über 90 Dollar pro Barrel zur Deckung der Ausgaben. Aktuell liegt der Brent-Preis jedoch unter 60 Dollar – Tendenz fallend.
Ein gefährliches Spiel
Ökonomen vergleichen die aktuelle Lage mit der Situation im Frühjahr 2020, als ein Ölpreissturz infolge von Meinungsverschiedenheiten zwischen Russland und Saudi-Arabien die Märkte erschütterte. Auch damals kam es zu einem kurzfristigen Überangebot, das weltweit für Unsicherheit sorgte.
Heute ist die Lage womöglich noch instabiler. Die Überkapazitäten der OPEC-Plus-Länder werden auf bis zu sechs Millionen Barrel pro Tag geschätzt – das entspricht dem Eineinhalbfachen der gesamten Öl- und Gasproduktion Norwegens. Viele Länder hätten massiv in ihre Produktionskapazitäten investiert und seien nun unter wirtschaftlichem Druck, diese auch auszuschöpfen. Die Disziplin bröckelt.
USA und Iran als Schlüsselfaktoren bei der Ölpreisentwicklung
Neben den inneren Spannungen belasten auch geopolitische Entwicklungen den Markt. Die USA – unter der Führung von Donald Trump – haben ein klares Ziel: niedrige Ölpreise, um den Inflationsdruck zu dämpfen. Eine mögliche Einigung mit dem Iran über dessen Atomprogramm könnte Sanktionen lockern und zusätzliche Millionen Barrel auf den Weltmarkt bringen. Gleiches gilt für Russland und Venezuela, deren Lieferungen derzeit durch westliche Sanktionen gebremst werden.
Laut der Energieanalystin Thina Saltvedt von Nordea könnten diese politischen Entwicklungen den Ölpreis in naher Zukunft unter 50 Dollar pro Barrel drücken. Banken wie DNB haben ihre Preisprognosen bereits deutlich nach unten korrigiert.
OPEC-Plus droht Kontrollverlust beim Ölpreis
Die einst mächtige Förderallianz steht vor ihrer wohl größten Bewährungsprobe seit ihrer Gründung. Sollte es Saudi-Arabien nicht gelingen, die Abweichler zur Einhaltung der Regeln zu zwingen, droht ein Rückfall in ein Szenario unkontrollierter Überproduktion und weiter fallender Preise – mit verheerenden Folgen für rohstoffabhängige Volkswirtschaften weltweit.
Ein neues Kapitel im geopolitischen Kampf um Marktanteile ist aufgeschlagen – und es beginnt mit einem gefährlichen Wort: Preisverfall.