Politik

Zollschock für Ukraine – EU will Agrarimporte drastisch begrenzen

Ausgerechnet mitten im Krieg plant Brüssel drastische Zollgrenzen für ukrainische Agrarprodukte – ein Signal der Schwäche, das Solidarität zur Verhandlungsmasse degradiert und den Schulterschluss mit der Ukraine gefährlich ins Wanken bringt.
14.05.2025 15:51
Aktualisiert: 14.05.2025 15:54
Lesezeit: 2 min
Zollschock für Ukraine – EU will Agrarimporte drastisch begrenzen
Heute importiert die EU große Mengen landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus der Ukraine, ohne darauf Zölle zu erheben. Dies ist für die Wirtschaft des Landes von großer Bedeutung. (Foto: dpa/Ukrinform) Foto: ---

Agrarimporte als Zankapfel innerhalb der EU

Brüssel plant laut einem Bericht der Financial Times, in den kommenden Wochen die Zollvergünstigungen für Agrarimporte aus der Ukraine massiv einzuschränken. Mehrere EU-Diplomaten bestätigten gegenüber der Zeitung, dass entsprechende Vorschläge bereits an die Mitgliedstaaten übermittelt wurden.

Betroffen sind insbesondere zentrale Exportgüter wie Geflügel, Weizen und Zucker. Diese Produkte werden bislang zollfrei in großen Mengen in die EU eingeführt – eine Maßnahme, die nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs 2022 deutlich ausgeweitet worden war. Bereits vor dem Krieg verfügte die Ukraine über ein Freihandelsabkommen mit der EU. Doch nach der Invasion Russlands hatte Brüssel beschlossen, nahezu sämtliche Zölle auf ukrainische Waren temporär auszusetzen – um die kriegsgebeutelte Wirtschaft in Kiew zu stabilisieren. Diese Sonderregelung läuft jedoch am 6. Juni aus.

Geopolitisch motivierter Akt der Solidarität?

Nach Informationen aus Diplomatenkreisen sollen sie nun durch „Übergangsregelungen“ ersetzt werden, die strengere Importquoten vorsehen. Die zollfreie Einfuhr ukrainischer Agrarprodukte würde damit spürbar begrenzt. In mehreren EU-Staaten wird seit Monaten Kritik an der großzügigen Ukraine-Politik im Agrarsektor laut. Insbesondere osteuropäische Länder wie Polen beklagen massiven Preisdruck auf heimische Bauern infolge der Billigimporte aus der Ukraine. Die dortige Regierung hatte bereits mehrfach versucht, eigenständig Einfuhrbeschränkungen zu verhängen – in klarer Missachtung geltenden EU-Rechts.

Auch im Europaparlament wächst der Widerstand. Konservative Abgeordnete fordern zunehmend eine restriktivere Handelspolitik gegenüber Kiew, um die Interessen der europäischen Landwirte zu wahren. Auf der anderen Seite wird argumentiert, dass die zollfreie Einfuhr einen entscheidenden Beitrag zur wirtschaftlichen Resilienz der Ukraine im Krieg gegen Russland leiste – ein geopolitisch motivierter Akt der Solidarität.

Kritik an der EU-Kommission – neues Freihandelsabkommen stockt

Im Handelsausschuss des Europaparlaments stößt die zögerliche Haltung der EU-Kommission auf zunehmendes Unverständnis. Der Ausschussvorsitzende, der deutsche SPD-Politiker Bernd Lange, kritisierte gegenüber der Financial Times, dass bislang keine dauerhafte Freihandelslösung mit der Ukraine ausgehandelt wurde.

Angesichts des bevorstehenden Fristablaufs am 6. Juni sei es „inakzeptabel“, dass die Verhandlungen ins Stocken geraten seien. Dies sende ein falsches Signal an die Ukraine – insbesondere in einer Phase, in der das Land wirtschaftlich wie militärisch ums Überleben kämpfe.

Symbolpolitik trifft geopolitische Realität

Die geplanten Zollverschärfungen könnten das Verhältnis zwischen Brüssel und Kiew auf eine harte Probe stellen. Während politische Rücksichtnahme auf nationale Agrarinteressen zunehmend die Agenda dominiert, droht der strategische Schulterschluss mit der Ukraine an wirtschaftspolitischer Uneinigkeit zu scheitern. Ein klarer und langfristig tragfähiger Handelsrahmen bleibt aus – obwohl die politische Lage dringender kaum sein könnte.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Immobilien
Immobilien Serielles Bauen: Wie Fertigmodule den Wohnungsmarkt verändern
21.07.2025

Serielles Bauen soll die Wohnungsnot in Deutschland lindern. Fertighäuser aus der Fabrik versprechen schnelle und kostengünstige...

DWN
Immobilien
Immobilien Klimasteuer: Schleichende Enteignung der Hausbesitzer durch Heizkostenhammer steht bevor
21.07.2025

Wer heute nicht „grün“ heizt, wird ab 2027 wahrscheinlich ein massives Kostenproblem bekommen. Die Klimasteuer, die schon heute auf...

DWN
Technologie
Technologie Der gläserne Bürger wird Realität: Was die kommende EUID-App alles überwachen soll
20.07.2025

Bis 2030 soll jeder Bürger in der EU eine EUID-App als sogenannte digitale Brieftasche auf seinem Smartphone haben. Damit sollen die...

DWN
Panorama
Panorama Große Schere zwischen Arm und Reich belastet auch psychisch
20.07.2025

Superreiche werden immer reicher, während Millionen Menschen hungern – das belastet nicht nur finanziell. Eine neue Studie zeigt, wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Personalbindung neu gedacht: Warum Freiwilligkeit stärker wirkt als Loyalität
20.07.2025

Kluge Personalbindung funktioniert nur ohne Zwang: Wer Mitarbeitende an sich ketten will, verliert die Besten – echte Loyalität gibt es...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Jobshadowing: Einblicke und neue Perspektiven schaffen
20.07.2025

Im Rahmen von Job Shadowing können Interessierte von erfahrenen Mitarbeitern lernen und Einblicke in die Arbeitsabläufe innerhalb des...

DWN
Technologie
Technologie Drohnen: Warum Europa beim Luftraum ein Problem hat
20.07.2025

Spionagedrohnen überfliegen ungehindert Militärstützpunkte, kooperative Kampfdrohnen fehlen – und beim Einsatz ziviler Drohnen...

DWN
Technologie
Technologie Huawei schlägt zurück: Chinas Tech-Gigant lässt Apple & Co. alt aussehen
20.07.2025

Totgesagt und sanktioniert – doch jetzt ist Huawei zurück an der Spitze. Mit eigener Chiptechnologie und ohne Android zeigt Chinas...