Staatsanwaltschaft Aachen prüft Ermittlungen gegen frühere Cum-Ex-Chefaufklärerin Brorhilker
Die einstige Cum-Ex-Chefermittlerin Anne Brorhilker ist selbst ins Visier der Behörden gerückt. Nach Informationen von Business Insider/WELT prüft die Staatsanwaltschaft in Aachen die Aufnahme von Ermittlungen gegen sie wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen (Paragraf 353b Strafgesetzbuch). Die Behörde hat ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Köln zur weiteren Prüfung zugeleitet. Hintergrund sind Aussagen des Cum-Ex-Kronzeugen Kai-Uwe Steck vor dem Landgericht Bonn im vergangenen Dezember. Dort läuft aktuell ein Strafprozess gegen ihn wegen besonders schwerer Steuerhinterziehung.
Steck beschuldigte Brorhilker, Interna weitergegeben zu haben
Stecks Aussagen zufolge soll die ehemalige Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker am 10. März 2021 Interna der Staatsanwaltschaft Köln bei einem persönlichen Treffen an Alfred Dierlamm weitergegeben haben – zu diesem Zeitpunkt Verteidiger des Cum-Ex-Kronzeugen Steck.
Brorhilker galt über Jahre als Chefermitttlerin im Cum-Ex-Skandal und hatte als Staatsanwältin wesentlich dazu beigetragen, dass der größte Steuerbetrug in der Geschichte der Bundesrepublik in großen Teilen aufgeklärt werden konnte. Vor rund einem Jahr schmiss sie überraschend ihren Job bei der Staatsanwaltschaft Köln hin, wechselte als Geschäftsführerin zum Verein „Finanzwende“. Im Zuge ihres Abgangs hatte sie noch die Arbeit der Justiz in Sachen Wirtschaftskriminalität kritisiert.
Ermittlergruppen fahnden nach Cum-Cum-Aktiendeals
Im Steuerskandal um Cum-Cum-Aktiengeschäfte setzt Hessen auf spezielle Ermittlungsgruppen. „Durch verjährungshemmende Maßnahmen in offenen Verdachtsfällen wird zudem sichergestellt, dass Steueransprüche nicht verloren gehen“, teilte das Finanzministerium in Wiesbaden der DPA mit.
Steuerverwaltung und Staatsanwaltschaft arbeiteten dabei eng zusammen. Zum Stand der Untersuchungen sowie zur Zahl der eingesetzten Steuerfahnder und Betriebsprüfer könne aus ermittlungstaktischen Gründen keine Auskunft gegeben werden.
Finanzwende Recherche: Kein Überblick über Akteure und Schäden
Finanzwende Recherche, eine gemeinnützige Tochtergesellschaft der Bürgerbewegung Finanzwende, hatte kürzlich kritisiert, die Behörden in Deutschland hinkten bei der Aufklärung der Cum-Cum-Deals hinterher. Diese hätten den Fiskus bundesweit geschätzt mindestens 28 Milliarden Euro gekostet. Es gebe keinen Überblick über die Akteure und Steuerschäden.
Bislang wurden laut Hessens Finanzministerium „bereits über zwei Milliarden Euro Kapitalertragsteuern in (steuerrechtlich) noch nicht bestandskräftigen hessischen Fällen gekürzt. Rund eine Milliarde Euro Anrechnungsbeträge wurde bereits an das Land zurückgezahlt.“
Auch Kölner Ermittler involviert
Der Großteil der hiervon betroffenen Steuerfälle in Hessen betreffe Steuerpflichtige, gegen die derzeit bei der Staatsanwaltschaft Köln steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren laufen, hieß es weiter. „Dort liegt die Verfahrensherrschaft.“
Die hessische Steuerverwaltung prüfe regelmäßig, ob vor Ablauf der Festsetzung- oder Zahlungsverjährungsfrist in den bislang identifizierten Cum-Cum-Verdachtsfällen Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen sind. Dem Ministerium zufolge geht es dabei etwa um die Änderungen von Steuerbescheiden oder Anrechnungsverfügungen und damit die tatsächliche Kürzung von Kapitalertragsteuerbeträgen.
Ministerium: Hessen ist Deutschlands Bankenstandort Nummer eins
Das Land Hessen ist sich nach den Angaben bei der Aufarbeitung der Cum-Cum-Deals „seiner herausragenden Rolle als Deutschlands Bankenstandort Nummer eins wie auch seiner Verantwortung für mehr Steuergerechtigkeit bewusst“.
Cum-Cum-Geschäfte gelten als großer Bruder der Cum-Ex-Deals, mit denen Banken den Fiskus geschätzt um einen zweistelligen Milliardenbetrag prellten. Während es bei Cum-Ex um die Erstattung gar nicht gezahlter Steuern ging, generierten Banken bei Cum-Cum-Deals Steuervorteile für ausländische Inhaber deutscher Aktien.
Wie funktionierten Cum-Cum-Deals?
Ziel war, das deutsche Steuerrecht zu umgehen: Aktien wurden kurz vor dem Dividendenstichtag zeitweise an inländische Banken oder Fonds übertragen, die sich – anders als ausländische Anleger – die fällige Kapitalertragsteuer erstatten lassen konnten. Das Geld teilten die Beteiligten auf.