Brexit-Folgen: Neues Partnerschaftsabkommen zwischen Brüssel und London
Die Entfremdung von den USA und die Bedrohung durch Russland zwingen Großbritannien und die EU, ihre Partnerschaft neu zu überdenken. Jetzt steht ein neues Partnerschaftsabkommen im Raum. Beim ersten offiziellen Gipfeltreffen zwischen der EU und Großbritannien seit dem Brexit sind beide Seiten wieder näher zusammengerückt. Angesichts der weltpolitischen Lage, dem Krieg in der Ukraine und der strategischen Neuorientierung der USA unter Donald Trump, blieb kaum eine Alternative.
Nach den Jahren des schmerzhaften Brexit-Streits gewinnt die Symbolik neue Bedeutung. Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission, und António Costa, Präsident des EU-Rats, reisten zur Vertragsunterzeichnung ins prestigeträchtige Lancaster House in London. Von der Leyen lobte die Einigung als "historisch". Starmer sprach von "einer neuen Ära" – doch im Kern legt das Partnerschaftsabkommen nur den Rahmen für vertiefte Gespräche fest.
Ein möglicher Schritt zurück zur EU-Mitgliedschaft?
Nein. Auch wenn aktuelle Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit der Briten wieder Teil der EU sein möchte, zögern die großen Parteien, das Brexit-Thema offensiv anzugehen.
Zu stark ist der politische Druck durch Nigel Farage, der bei Kommunalwahlen zuletzt mit Reform UK einen Achtungserfolg feierte. In der Wählergunst liegt Reform sogar vor der Labour-Partei und den Konservativen.
Ein sicherheitspolitisches Bündnis?
Ja. Künftig wollen Brüssel und London im Bereich Verteidigung und Sicherheit enger kooperieren. Das neue Partnerschaftsabkommen sieht unter anderem einen institutionalisierten Austausch, schnellere Truppenverlegungen und den Zugang britischer Firmen zum 150 Milliarden Euro schweren Aufrüstungsfonds der EU vor. Auch beim Ukraine-Support ist eine engere Zusammenarbeit geplant.
Kommt Erleichterung bei Visa-Fragen?
Noch gibt es keine finale Einigung. Die Bundesregierung setzt sich für ein Jugendprogramm für 18- bis 30-Jährige ein, das jungen Menschen einen begrenzten Aufenthalt in Großbritannien zum Arbeiten oder Studieren ermöglichen soll.
Den Vorschlag eines Youth Mobility Scheme hatte die Labour-Regierung im April des letzten Jahres deutlich abgelehnt. Man wolle keine Rückkehr zur Freizügigkeit, die EU-Bürgern einen unbegrenzten Aufenthalt erlaubte, hieß es. Immerhin gibt es ein gemeinsames Bekenntnis zu weiteren Gesprächen. Auch eine britische Rückkehr zum Erasmus-Programm wird derzeit diskutiert.
Fischereipolitik bleibt Zankapfel
Fischfang war schon beim Brexit-Referendum ein Reizthema – obwohl der Sektor lediglich 0,4 Prozent zum britischen BIP beiträgt. "Wir haben unseren Fisch zurück. Es sind jetzt britische Fische und dafür umso bessere und glücklichere Fische", jubelte Tory-Politiker Jacob Rees-Mogg, als die Fangquoten für EU-Boote mit dem endgültigen Austritt Anfang 2021 deutlich reduziert wurden. Die aktuelle Regelung läuft nächstes Jahr aus. Danach soll bis 2038 gegenseitiger Zugang zu Fischereigewässern gelten – Teil des neuen Partnerschaftsabkommens.
Die britische Regierung vermeidet weiterhin Themen, die Farage und Reform UK Munition liefern könnten. Eine Rückkehr in die Zollunion oder den Binnenmarkt ist derzeit ausgeschlossen – obwohl sie wirtschaftlich sinnvoll wäre. Die EU befürchtet Rosinenpickerei: Großbritannien könnte versuchen, Vorteile zu sichern, ohne Pflichten zu übernehmen. Ohne Beiträge zum EU-Haushalt oder Freizügigkeit für Arbeitnehmer wird es keine erweiterten Marktzugänge geben.
Welche Brexit-Dogmen wurden aufgegeben?
Einige alte Tabus der Brexit-Verfechter fallen – etwa bei der dynamischen Anpassung an EU-Vorgaben für Lebensmittelsicherheit oder beim Europäischen Gerichtshof als Streitschlichter. Diese Änderungen sollen den Handel über den Ärmelkanal und zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs vereinfachen – eine pragmatische Form der Zusammenarbeit.
Grundsätzlich bekräftigen Brüssel und London mit dem Partnerschaftsabkommen ihre Verpflichtung zu offenem Welthandel und den Prinzipien der WTO – ein Kontrast zur protektionistischen Linie von Donald Trump. Auch in Sachen Energie, Emissionshandel und der Bekämpfung irregulärer Migration sollen laut Partnerschaftsabkommen Fortschritte folgen. Diese Schritte zur Zusammenarbeit sind jedoch erst der Anfang weiterer Verhandlungen.